Oberhausen. Das Literaturhaus Oberhausen präsentierte einen kurzweiligen Abend mit dem Autor John von Düffel im überfüllten Gdanska-Theater.
Neugier ist der Anfang der Erkenntnis, besagt eine philosophische Grundweisheit. So gesehen verwunderte es denn nur wenig, dass die große Menschheitsfrage „Wie lebe ich richtig?“, die der vielseitig tätige Autor John von Düffel in seinem neuesten Buch „Das Wenige und das Wesentliche“ (Dumont, 23 Euro) aus zeitgenössischer Perspektive reflektiert, derart viele Zuhörer zu seiner Lesung ins Literaturhaus Oberhausen zog, dass im völlig überfüllten Gdanska-Theater gar Stühle auf der kleinen Bühne platziert werden mussten.
Eingebettet in die Lesereihe „Zur Sache!“ – jedweder Gedanke an die wunderbare Filmkomödie von May Spils aus dem aufmüpfigen Jahr 1968 verbot sich angesichts der Intendantin des Oberhausener Theaters, Kathrin Mädler, die ebenso klug wie charmant parlierend den kurzweiligen Abend moderierte – gewährte der 56-jährige Dramatiker, Romanautor und Philosoph zunächst erhellende Einblicke in seine Lebensgeschichte und die Entstehung seines als „Stundenbuch“ konzipierten Opus.
Ein modernes Opus: nüchtern ausgestattet und gedankenschwer
Dergleichen war Jahrhunderte lang eine religiös grundierte und den Tageslauf strukturierende Lebenshilfe, die tröstende und anregende Gedanken sowie Gebete für bestimmte Tageszeiten bot. Dass sie in aller Regel prachtvoll illustriert waren, wofür „Très Belles Heures de Notre-Dame“ des Jean de Berry das wohl bekannteste Beispiel ist, kontrastiert erstaunlich mit der nüchternen Ausstattung von Düffels Büchlein. Fehlen der gedankenschweren Wanderung des Philosophen, die morgens um 5 Uhr in einer mönchisch kargen Kammer beginnt und dann durchs ligurische Hinterland führt, doch nicht allein begleitende Fotos, die durch impressive Landschaftsbeschreibungen ersetzt sind, sondern auch Kommata und Punkte.
Ein handwerklicher Kunstgriff, der seine Leserschaft zu konzentrierter Lektüre nötigt samt eventueller Rücksprünge zwecks Sinnerfassung der oft aphoristisch geäußerten Reflexionen. „Mir hat gefallen, dass die Form maximal ehrlich ist, weil jeder Gedanke auf jeder Zeile überprüfbar ist – wie eine Art Gedankengedicht“, so John von Düffel. „Das ist anders als ein philosophischer Essay, weil jeder Gedanke auf der lyrischen Goldwaage liegt. Deswegen ist das für mich die klarste Überprüfung dieser Gedanken gewesen.“
Plädoyer für Askese – aber in Abgrenzung an die Philosophie der Stoiker
Amüsant, dass er jene sehr wohl mit Punkt und Komma redend geschmeidig vortrug: „Das Wenige / Ist die Methode / Um das Wesentliche zu erkennen / Wenn das Wenige dem Wesentlichen entspricht / Ist das Glück“. Nur ein Beispiel für sein Plädoyer einer reflektierten Askese, die nicht notwendigerweise auf sturem Verzicht beruht. Dem Hinweis aus dem Publikum, dergleichen hätten vor 2000 Jahren schon Seneca mit „Das glückliche Leben“ oder Marc Aurel in seinen „Selbstbetrachtungen“ offeriert, konterte John von Düffel gelassen, er predige keinen Asketismus wie jene Stoiker und liefere auch für die Frage „Wie lebe ich richtig?“ keine Gebrauchsanweisung, sondern biete sehr persönliche Anregungen als kontemplative Lektüre. Die nach seiner inspirierenden Lesung nun all jenen empfohlen sei, die ihrem Leben vielleicht eine neue Richtung geben möchten und dazu mit Neugier nach Erkenntnis streben.
>>> John von Düffel im Oberhausener Theater
Wer John von Düffel als Dramatiker erleben will, hat am kommenden Freitag, 3. Februar, dazu Gelegenheit. Dann feiert sein aktuelles Bühnenstück „Die Wahrheit über Leni Riefenstahl. (Inszeniert von ihr selbst).“ um 19.30 Uhr Premiere im Theater Oberhausen. Die nächste Aufführung ist am Samstag, weitere Vorstellungen im März und Mai folgen. Infos: www.theater-oberhausen.de.
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