Oberhausen. Felicitas Höltges Dessousladen besteht seit 75 Jahren in Oberhausen. Die Kundinnen freut’s – die Herren, die gegenüber ihre Pommes essen, auch.

Eigentlich ist Felicitas Höltge schon längst in Rente. Doch sie steht auch heute, mit 72 Jahren, noch immer zehn bis zwölf Stunden in ihrer „guten Stube“: ihrem Dessousgeschäft „Felicitas Höltge – Mieder Wäsche Bademoden“ in der Oberhausener Innenstadt. Und das gibt es schon seit 75 Jahren. Ein beachtlicher Zeitraum, mit dem wohl nur wenige der Ladenlokale in der Stadt mithalten können.

1948 wurde das Geschäft von Felicitas Höltges Mutter an der Elsässer Straße eröffnet. Die fertigte damals, weil es nach dem Krieg kaum Material gab, noch Hüfthalter aus Matratzendrill. In den 50er-Jahren zog der Laden dann an die Friedrich-Karl-Straße, wo ab 1976 auch Felicitas Höltge selbst hinter dem Verkaufstresen stand. Seit 1988 befindet sich das Geschäft nun an der Paul-Reusch-Straße 53, Ecke Marktstraße.

Früher waren die Kleidungsstücke figurbetonender

Dass der Dessousladen ein Familienbetrieb ist, spiegeln viele Kleinigkeiten in dem rund 40 Quadratmeter großen, gemütlichen Geschäft wider. An der Wand hinter der Theke hängen Dessous aus Pappmaché in Gold und Blau. „Die hat meine Tochter gemacht.“ Auch die Eingangstür verleiht dem Raum eine persönliche Note. Sie ist mit bunten Blumen bemalt. Das „Corona-Projekt“ einer Mitarbeiterin, klärt Felicitas Höltge auf.

In ihrem Laden finden Kundinnen und Kunden keine Massenware. Ja, auch Männer kaufen bei ihr ein. Nicht nur für ihre Frauen. Auch wenn das Sortiment – Unterwäsche, Bademode, Tag- und Nachtwäsche – eigentlich auf diese ausgerichtet ist. Waren die Kleidungsstücke früher fester und figurbetonender – wie Korsette, die eine Wespentaille zauberten –, sind heute filigranere und leichtere Stoffe gefragt, erklärt die Fachfrau. Zum Teil werden die Kleidungsstücke, die zum Verkauf stehen, sogar noch per Hand gefertigt. Einen BH für 15 Euro bekommt man hier also nicht: Die Preise reichen dabei von etwa 40 bis 110 Euro, schätzt die Ladeninhaberin.

Zufriedene Kundinnen und Kunden kommen wieder

Die liebsten Kundinnen und Kunden seien ihr die, „die etwas Hochwertiges kaufen und es tragen, bis es vom Körper fällt“, sagt Felicitas Höltge. Das klingt nicht gerade nach einem Konzept, mit dem man viel Geld verdienen kann. Doch die Fachfrau weiß aus Erfahrung: „Kunden, die zufrieden sind, kommen wieder.“

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Betritt eine Kundin ihr Geschäft, gleitet Höltges Blick direkt auf die relevanten Körperpartien. So erkennt sie oft zur Verwunderung ihrer Kundinnen ohne Nachfragen die passende Größe. „Das beste Maß ist das Augenmaß einer Verkäuferin“, weiß die 72-Jährige. Diese besondere Fähigkeit hat Höltge insbesondere während der Corona-Pandemie geholfen. Die Kundinnen durften den Laden nicht betreten, konnten vor Ort also auch nichts anprobieren. Stattdessen erhielten sie eine Auswahl an Dessous, die Felicitas Höltge per Blick-Analyse in den passenden Größen für sie zusammenstellte. Und manchmal ist die richtige Größe auch für die Kundin eine Überraschung. Nicht wenige Frauen tragen nämlich jahrelang die falsche Passform.

Frauen machen sich im Laden auch im symbolischen Sinne nackt

Gut sitzende Unterwäsche verleihe ein ganz anderes Körpergefühl, sagt die Mülheimerin. Die Frauen finden sich schön, manche laufen begeistert durch den kleinen Laden, schauen sich im Spiegel an. „Dann haben die Männer gegenüber an der Pommesbude manchmal was zu staunen.“ Und die Frauen stört das teils gar nicht. Sie fühlen sich frei bei Felicitas Höltge. Lassen nicht nur Hüllen, sondern auch Hemmungen fallen – und erzählen. „Wichtig ist der Austausch“, weiß die 72-Jährige. „Auch wenn nicht immer etwas gekauft wird.“

Gut erhaltene BHs spenden

Felicitas Höltges Dessousgeschäft hat von Montag bis Freitag von 9.30 bis 18 Uhr, Samstag von 9.30 bis 14 Uhr geöffnet. Termine sind auch außerhalb der Öffnungszeiten möglich. Kontakt: 0208 22704.

Wer gut erhaltene BHs abgeben möchte, kann sie im Laden vorbeibringen und spenden. Sie werden an geflüchtete Frauen aus der Ukraine weitergegeben.

Denn durch den Verkauf allein könnte sich der Laden nicht halten, gesteht Höltge offen. „Man muss mehr anbieten.“ So hat sie zum Beispiel auch eine Näherin angestellt, die Dessous und Wäsche anpasst. „Wenn ein BH-Bügel zu Bruch geht, reparieren wir das auch.“ Sie bietet außerdem einen kostenlosen Lieferservice an, etwa für ältere oder nicht mobile Kundinnen.

Kundinnen aus aller Welt kommen in ihren Laden

Ihre Kundinnen sind in der Regel über 40 Jahre alt. Jüngere Frauen kommen vor allem dann in den Laden, „wenn der 20. BH immer noch nicht sitzt“, erzählt Höltge. Die meisten Kundinnen wollten „etwas Solides“ kaufen. Luxus könne sich in Oberhausen eben nicht jeder leisten. Doch die Kundschaft des kleinen Geschäfts in der Oberhausener City kommt zum Teil sogar von weit her, zum Beispiel aus Paraguay, Südafrika oder Spanien.

Trotz ihrer 72 Jahre denkt Felicitas Höltge nicht ans Aufhören. „Solange mich der liebe Gott lässt, bleibe ich hier.“ Nach 35 Jahren an der Paul-Reusch-Straße wird sie mit ihrem Geschäft aber noch einmal umziehen. Die neue Adresse wird noch verkündet. Klar ist aber schon jetzt: Der Laden wird sich vergrößern. Höltge: „Dann biete ich vielleicht auch ein Herrensortiment an.“