Oberhausen. Wer einen Rollator braucht, erhält ein schweres Modell auf Rezept. Muss es ein leichteres sein, stellen sich Kassen quer. Gegenwehr lohnt sich.
Klaus Konradowski benötigt einen Rollator. Das von den Krankenkassen problemlos übernommene Standardmodell aber kann es in seinem Fall nicht sein. Denn das wiegt zirka neun Kilogramm. Der 73-Jährige darf aber höchstens rund fünf Kilogramm heben. Eine Bescheinigung seines Arztes fügte er dem Antrag für einen Leichtgewichtsrollator an die AOK Rheinland/Hamburg bei. Was dann zunächst geschah, nennt der Oberhausener selbst „unfassbar“. Doch er gab trotz aller Hürden nicht auf, und am Ende gelang es ihm doch, sich durchzusetzen.
„Ich bin mit den Nerven am Ende“, sagt Konradowski am Telefon. Um weiterhin mobil zu sein, benötige er das Hilfsmittel möglichst sofort. „Doch es tut sich nichts.“ Dabei hatte er sich gleich im Oktober 2022 mit der Bescheinigung seines Facharztes an ein Oberhausener Sanitätshaus gewandt. Ein paar Tage später aber habe ihn das Sanitätshaus darüber informiert, dass die AOK die Kostenübernahme mit dem Hinweis auf die übliche Hilfsmittelliste (nach der nur das schwere Standardmodell übernommen wird) bereits telefonisch abgelehnt habe.
Der Oberhausener legte dagegen schriftlich Widerspruch bei der AOK ein. „Seitdem habe ich nichts mehr gehört.“ In seiner Verzweiflung wandte sich der ehemalige Rentenberater erst an ein anderes Sanitätshaus (diesmal die Reha-Treff Oberhausen GmbH) und jetzt auch noch an diese Redaktion.
Arzt bescheinigt eine deutlich eingeschränkte Belastbarkeit
Die Bescheinigung seines Lungenfacharztes sendet er uns per Mail zu. Darin ist festgehalten: Der 73-Jährige leidet an Mehrfacherkrankungen, die eine deutliche Einschränkung der Belastbarkeit zur Folge haben. Diese machen es ihm unmöglich, schwere Gegenstände zu bewegen. Höchstens 5,5 Kilogramm sollte der Rollator deshalb wiegen. Der Spezialist zählt dazu beispielhaft sogar ein relativ günstiges leichtes Rollatormodell auf – für rund 200 Euro.
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Auf Nachfrage dieser Redaktion bezieht eine Sprecherin der AOK Rheinland/Hamburg wie folgt Stellung zu dem Fall: Am 15. November 2022 habe die Krankenkasse durch das Sanitätshaus Reha-Treff Oberhausen einen Kostenvoranschlag für einen Leichtgewichtsrollator erhalten. „Diesen haben wir zu den vertraglich vereinbarten Preisen genehmigt.“ Von Seiten der AOK Rheinland/Hamburg sei zu keiner Zeit signalisiert worden, „dass die Versorgung abgelehnt wird“. Alles also nur ein Missverständnis?
„Kaum“, meint Klaus Konradowski verärgert und sendet der Redaktion die an ihn erfolgte schriftliche Genehmigung seiner Krankenkasse zu. Darin sagt die AOK dem Oberhausener tatsächlich nur eine Kostenübernahme für einen vom Sanitätshaus gemieteten Rollator in Höhe von 66,40 Euro für die Zeit vom 15.11.2022 bis 14.11.2026 zu. Eine Rückfrage im Sanitätshaus Reha-Treff ergibt: „Diese knapp 70 Euro entsprechen nur den Kosten für einen Standard-Rollator.“ Für ein leichteres Modell müsste der Oberhausener rund 130 Euro aus der eigenen Tasche zuzahlen.
Oberhausener legt erneut Widerspruch ein
Klaus Konradowski legt erneut Widerspruch ein und bezieht sich dabei wegen seiner allzu langen Wartezeit auf eine Rückmeldung seiner Kasse auf die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Darin hält das Bundessozialgericht fest: „Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der Kosten verpflichtet.“
Das bedeutet konkret: Drei Wochen nach Eingang des Antrags muss der Versicherte einen schriftlichen Bescheid erhalten haben. Schaltet die Kasse den Medizinischen Dienst ein, verlängert sich diese Frist auf fünf Wochen. Damit dürfte der 73-Jährige im Streitfall inzwischen zwar gute Chancen auf eine Kostenübernahme haben, doch tatsächlich hilft ihm das wenig: „Denn ich kann es mir gar nicht leisten, das Geld vorzustrecken – und da werde ich wohl nicht der einzige sein!“
Kostenloser Musterbrief ist auf dieser Homepage zu finden
Hilfsmittel wie Rollatoren rechnen die Krankenkassen direkt mit dem Sanitätshaus ab. Eine solche Versorgungspauschale entspricht einer Art Miete für einen Zeitraum von vier Jahren. Wird der Rollator danach weiter benötigt, rechnet das Sanitätshaus erneut den Mietpreis mit der Krankenkasse ab. Innerhalb dieses Zeitraums übernimmt das Sanitätshaus alle erforderlichen Reparaturen und Wartungen.
Tipps, wie Versicherte sich erfolgreich gegen Ablehnungsbescheide ihrer Krankenkasse zur Wehr setzen können, gibt die Verbraucherzentrale unter folgendem Link: https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/gesundheit-pflege/krankenversicherung/hilfsmittel-was-tun-bei-ablehnung-der-krankenkasse-62294
Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland gibt ebenfalls Tipps, wie ein Widerspruch gelingen kann und stellt auf ihrer Homepage (https://www.patientenberatung.de/de/informationen/recht/fragen-und-antworten-widerspruch) dafür auch kostenlos einen Musterbrief zur Verfügung.
Wir haken für ihn bei der AOK Rheinland/Hamburg nach und erhalten wenig später dann doch diese erfreuliche Antwort: „Wir haben erneut mit dem Sanitätshaus gesprochen und konnten das Anliegen im Sinne unseres Kunden klären.“ Der beantragte Rollator werde Konradowski kostenfrei zur Verfügung gestellt. „Es fällt nur eine gesetzliche Zuzahlung in Höhe von zehn Prozent, mindestens fünf Euro bzw. maximal zehn Euro an.“ Klaus Konradowski sagt: „Das war mein schönstes Geschenk.“