Oberhausen. Musical-Häuser arbeiten kostendeckend mit dem immergleichen, touristischen Repertoire. Ein Stadttheater aber will Teil des Stadtgespräches sein.
Irlands größtes Theatergenie Oscar Wilde definierte in einem seiner brillanten Bonmots jenen Menschen als Zyniker, „der von allem den Preis kennt und von nichts den Wert“. An diesen Satz mit Feinschliff darf man erinnern, wenn’s mal wieder um die Kosten der (fiskalisch gesehen) „freiwilligen Leistung“ Kultur geht. Denn sie hat einen hohen Wert, der allerdings in Zahlen ungleich schwerer zu ermitteln ist als ihre Kosten.
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Eine finanziell noch nie auf Rosen gebettete und heute nahezu ruinierte Stadt wie Oberhausen leistet sich seit 102 Jahren ein Theater. Viele Jahre war’s sogar ein Musiktheater mit noch horrenderen Kosten. Und dieses Theater, das gilt mindestens seit der Umwidmung zum Schauspielhaus vor 30 Jahren, will für die Stadtgesellschaft spielen, will die Bürgerinnen und Bürger von jung bis alt erreichen. Das ist nur möglich zu „politischen“ Eintrittspreisen – wohl wissend, dass der Beitrag des Publikums zur Kostendeckung gering bleiben wird.
Große Vergangenheit macht noch keine Metropole
Man muss fürs Gegenbeispiel nur auf den gewaltigen Bühnen-Leerstand am Musikweg in der Neuen Mitte blicken: Das seit März 2020 unbespielte Metronom-Theater bescherte Oberhausen fast 21 Jahre Musical-Geschichte. Doch es war kein Theater für Oberhausener – nicht nur wegen der Eintrittspreise, dreistellig auf den besseren Plätzen. Ein Musical-Haus, das seine jeweils aktuelle Produktion über Monate, halbe und ganze Jahre „en suite“ aufführt, ist allein ein touristisches Pfund. Nicht zuletzt deshalb halten sich die Singspielstätten in den Metropolen Hamburg und Berlin vergleichsweise problemlos. Denn ausgehfreudige Touristen sind dort eh schon da.
Ein Stadttheater mit großer Vergangenheit macht aus Oberhausen keine Metropole – doch es hat nach wie vor eine besondere Ausstrahlung weit über die Stadt hinaus. Florian Fiedler mag als Intendant auch daran gescheitert sein, dass seine Programme zu sehr nach Applaus aus dem großen Feuilleton lechzten. Das darf im Umkehrschluss aber nicht heißen, jetzt nur noch gefälliges Entertainment abzuliefern. Soweit sich dies schon nach den ersten Wochen der neuen Intendanz feststellen lässt, scheint Kathrin Mädler mit großer Feinfühligkeit genau auf diesen zentralen Aspekt zu achten: Welche Fragen sollte Theater stellen, um erhellend zum immerwährenden Dialog der Stadtgesellschaft beizutragen?
Noch immer „unter Wert“ verkauft
Die Kostenfrage bleibt eine „politische“, über die weder Intendantin noch Verwaltungsdirektorin entscheiden. Angesichts von ringsum deutlich höheren Ticketpreisen ließe sich durchaus argumentieren, dass sich das Theater Oberhausen noch immer „unter Wert“ verkauft. Doch man kann auch zu der Entscheidung stehen, dass gerade eine arme Stadt ihren vielen ärmeren Bürgern den Weg zum Theatererlebnis erleichtern und nicht verteuern sollte. Der Preis lässt sich ausrechnen – der Wert, mit Oscar Wilde gesprochen, ist unermesslich.