Oberhausen. Cannabis ist schon jetzt, vor Legalisierung durch den Bund, die am häufigsten von Jugendlichen konsumierte Droge. Ärzte machen sich Sorgen.
Verantwortliche Oberhausener Ärzte sehen die von der Ampel-Koalition geplante Legalisierung von Cannabis im Bund kritisch – und verlangen in diesem Fall einen besseren Schutz von Jugendlichen. Der Oberhausener Gesundheitsamtsleiter Dr. Emanuel Wiggerich gibt zu Bedenken, dass schon heute Cannabis die am häufigsten verwendete Droge bei Jugendlichen sei. Er rechnet deshalb damit, dass die Lockerung der Vorschriften für einen Joint dazu führt, dass mehr und mehr Jugendliche und Erwachsene die Droge faszinierend finden – und am Ende von Suchtprofis beraten werden müssen, etwa im städtischen Kompetenzzentrum Suchtberatung.
Nach den von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kürzlich vorgestellten Plänen soll der Erwerb und Besitz von bis zu 30 Gramm Cannabis straffrei sein. Der private Eigenanbau wird in begrenztem Umfang erlaubt und der Verkauf an Erwachsene in lizenzierten Geschäften ermöglicht. Cannabis und THC gelten dann rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel und werden quasi Nikotin und Alkohol annähernd gleich gestellt.
„Als Arzt“, sagt Gesundheitsamts-Leiter Dr. Wiggerich, „vertrete ich immer die Ansicht: Lass die Finger davon. Ob es sich um Drogen, Alkohol oder Nikotin handelt.“ Doch dies sei lebensfremd. „Deshalb kann ich nur die Devise ausgeben: Kenn’ dein Limit.“ In erster Linie gehe es darum, die Gefahren bewusst zu machen, die vom Cannabis-Konsum ausgehen.
Stress, Druck und der Griff zum Joint
„Momentan gibt es bei dieser Droge noch den Reiz des Verbotenen“, sagt Wiggerich. Der lasse jedoch auch viele davor zurückschrecken, die rechtliche Konsequenzen fürchten. Fielen diese weg, dann könnte er sich vorstellen, dass zahlreiche Menschen ausprobieren, wie es ist, einen Joint zu rauchen. Wer dann erlebt, dass die Droge eine entspannende und beruhigende Wirkung hat, ist nach Ansicht des Mediziners auch in Gefahr, diesen Effekt wiederholen zu wollen. Dies sei insbesondere bei jungen Menschen der Fall, die heutzutage viel Stress und Drucksituationen ausgesetzt seien. „Die merken dann, dass es ihnen besser geht und wollen das immer wieder haben.“
Was vor allem in dieser jungen Altersgruppe weniger bekannt ist: Die Liste der psychischen Folgeerkrankungen ist lang: „Depressionen, Angsterkrankungen und Psychosen“, zählt der Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen auf. Auch Konzentrationsstörungen, Reifeverzögerungen und eine Lustlosigkeit an jeglichen Aktivitäten seien häufig beobachtete Folgen.
Das Thema der Legalisierung von Cannabis ist nicht von ungefähr weit oben auf der politischen Agenda angekommen. Seit Jahren schon ist der Wunsch aus der Bevölkerung nicht mehr zu überhören. Da bleibt auch Peter Kaup, dem Vorsitzenden der Kreisstelle Oberhausen der Ärztekammer Nordrhein, nichts anderes übrig, als positive Aspekte des Vorhabens zu betrachten. „Man könnte das Thema aus der Illegalität herausholen und so die Beschaffungskriminalität eindämmen“, sagt er. Eine überwachte Abgabe ist jedoch der einzige Vorteil, den er erkennen kann, denn „aus medizinischer Sicht ist und bleibt das eine Droge“.
Keine Berührungsängste mit Cannabis
Kaup, der ausgebildeter Suchtmediziner ist, hat grundsätzlich keine Berührungsängste mit Cannabis. Er setzt es zur Linderung von Schmerzen bei schwerst kranken Patienten ein und kennt es auch aus der Palliativmedizin, „dann aber als Tropfen oder Nasenspray.“ Ob jemand Folgeerkrankungen aufgrund von regelmäßigem Cannabis-Rauchen hat, könne er in seiner Praxis nicht beobachten. Folgen von Alkohol und Nikotin seien da eindeutiger zu identifizieren.
Hohe Dunkelziffer: Ohne Prävention geht es nicht
Zurzeit sind es vor allem 20- bis 25-Jährige, die im Kompetenzzentrum Suchtberatung um Hilfe bitten, 75 Prozent davon männlich. Doch Amtsleiter Emanuel Wiggerich stellt klar, dass nur ein Bruchteil der Betroffenen auch freiwillig oder durch Auflagen von Schule oder Jugendhilfe bei ihnen vorstellig wird. „Die Dunkelziffer ist hoch“, vermutet er. Deshalb sei von jeher die Präventionsarbeit ein großer Schwerpunkt in dem von ihm seit Februar 2022 geleiteten Bereich gewesen. Die Besuche an Schulen, die Weiterbildungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das Infomaterial – all dies kostet Geld. Deshalb, so Wiggerich, müssten die Gesetzesgeber den Bereich der Prävention bei einem möglichen neuen Gesetz unbedingt mitdenken und die Gesundheitsämter der Städte finanziell stärken.
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