Oberhausen. Kleidung nach Hause bestellen, anprobieren, zurückschicken – einfach und bequem. Doch einige senden sogar getragene Unterwäsche zurück.

Mit einer zündenden Idee reich werden – klingt so einfach wie verlockend. Doch bis zum tatsächlichen Patent schaffen es die wenigsten Einfälle. Nicht so bei Melanie Schmitz-Brackmann. Die Oberhausenerin hat etwas erfunden, was die Textilindustrie revolutionieren könnte – und sie hat sich das Patent gesichert. Auch wenn es unterwegs viele Hürden gab: Die Inhaberin eines Dessous-Geschäfts für Frauen hat immer an ihre Idee geglaubt.

Schmitz-Brackmanns Erfindung ist ein leuchtend-gelbes Stück Papier, das in Kleidungsstücke eingenäht werden kann. Sobald es mit Körperflüssigkeiten in Kontakt kommt, verfärbt es sich unwiderruflich. Zur Veranschaulichung lässt die 50-Jährige einen kleinen Tropfen Wasser auf das Papier fallen. Binnen Sekunden breitet er sich auf dem gelben Untergrund aus und hinterlässt einen deutlichen grünlich-blauen Fleck. „PH-neutral“, kommentiert die Ladenbesitzerin. Theoretisch könne ihre Erfindung sogar anzeigen, ob die Kundin oder der Kunde zeitnah einen Arzt aufsuchen sollte.

Retourenmenge ist immens

Doch der Zweck des Indikatorpapiers ist natürlich eigentlich ein anderer. „Wir wollen keine Krankheiten diagnostizieren, sondern wissen, ob die Ware getragen wurde“, erklärt Schmitz-Brackmann. Bei großen Versandhändlern sei es zu einer Art Sport der Kunden geworden, dass Ware bestellt, getragen und dann wieder zurückgeschickt werde. Die Retourenmenge sei daher immens, die Versandkosten für das Unternehmen groß – und auch der Verlust. Denn getragene Dessous und Bademode müssen vernichtet werden.

Nur ein kleiner Tropfen Wasser hinterlässt auf dem Indikatorpapier bereits deutliche Spuren.
Nur ein kleiner Tropfen Wasser hinterlässt auf dem Indikatorpapier bereits deutliche Spuren. © FUNKE Foto Services | Oliver Mueller

Schmitz-Brackmanns Indikatorpapier soll diesem geschäftsschädigenden Verhalten einen Riegel vorschieben. In ihrem eigenen Laden „Hautnah“ in Oberhausen-Klosterhardt komme es allerdings kaum vor, dass Kundinnen getragene Ware zurückbringen. Ihr Verhältnis mit ihren Kundinnen sei sehr vertraut. „Meine Kundinnen wissen, dass sie die Ware hygienisch behandeln müssen.“ Einen eigenen Online-Shop hat die 50-Jährige bislang nicht. „Ich habe immer darüber nachgedacht, aber es noch nicht gemacht, weil ich nicht kontrollieren konnte, ob die Ware hygienisch einwandfrei anprobiert worden ist.“

Also überlegte sie, wie sie das Problem angehen könnte, und orientierte sich dabei an den Hygiene-Aufklebern aus Plastik, die oft in Slipeinlagen-Form in Bademode kleben. „Die finde ich aber schlecht gemacht“, sagt Schmitz-Brackmann. Man könne sie einfach abziehen und nach dem Tragen wieder aufkleben. Außerdem könnten Klebereste auf dem Kleidungsstück zurückbleiben. Das wohl schlagendste Argument dagegen sei aber: „Keiner will, dass die Kleidungsstücke ohne Slip anprobiert werden“ – Plastik-Aufkleber hin oder her.

Indikatorpapier liefert unverkennbaren Beweis

„Das muss man doch verbessern können“, dachte sich die Oberhausenerin, die gelernte Zahntechnikerin ist und auch auf eine Ausbildung zur biologisch-technischen Assistentin zurückblicken kann. Mit diesem Hintergrundwissen ist es nicht verwunderlich, dass Schmitz-Brackmann Indikatorpapier in den Sinn kam, das einige vielleicht noch aus dem Chemieunterricht kennen. Taucht man die Papierstreifen in eine chemische Lösung, verändern sie die Farbe und zeigen zum Beispiel den pH-Wert an. Ein unverkennbarer Beweis dafür, dass ein Kleidungsstück etwa mit Schweiß in Kontakt gekommen ist.

Melanie Schmitz-Brackmanns Erfindung lässt sich in allen Formen und Farben an unterschiedlichen Kleidungsstücken anbringen.
Melanie Schmitz-Brackmanns Erfindung lässt sich in allen Formen und Farben an unterschiedlichen Kleidungsstücken anbringen. © FUNKE Foto Services | Oliver Mueller

Das Papier sei umweltfreundlicher als Plastik, zählt die Oberhausenerin auf, es lasse sich in jede beliebige Form stanzen und könne in allen Kleidungsstücken vernäht werden, zum Beispiel auch in Schuhen oder Mänteln. Für den Online-Versandhandel und die Textilindustrie könnte ihre Erfindung vieles verändern. Darum wollte sich Schmitz-Brackmann ihre Erfindung patentieren lassen. Doch das war einfacher gesagt als getan.

Patent hat eine fünfstellige Summe gekostet

Viele Behördengänge, Anträge und Gebühren später hält sie ihr Patent für Europa heute in den Händen. Reich ist sie dadurch aber nicht geworden. Im Gegenteil: Es hat sie bislang eine fünfstellige Summe gekostet – für Anwaltsgebühren, Verlängerungen, Prüfungen. Und auch behalten will die 50-Jährige die Rechte an ihrer Idee nicht. „Ich bin viel zu klein, das muss an die große Industrie“, findet sie. „Ich könnte Lizenzen verkaufen, aber mein Plan ist, das ganze Patent an einen Global Player abzugeben.“

Während der ein oder andere wohl schon längst aufgegeben hätte, ist Melanie Schmitz-Brackmann drangeblieben. „Ich bin hartnäckig“, sagt sie lächelnd. Viel Herzblut und Geld habe sie investiert. Jetzt muss ihre Erfindung nur noch den richtigen Abnehmer finden, um ein kleines bisschen die Welt zu verändern.

Das Geschäft gibt es seit 25 Jahren

Seit 25 Jahren führt Melanie Schmitz-Brackmann ihr Dessous-Geschäft „Hautnah“ in Oberhausen-Klosterhardt. Mehr als 30.000 Kundinnen kaufen ihren Angaben zufolge bei ihr ein.

1997 eröffnete sie ihren Laden, damals auf 25 Quadratmetern, an der Klosterhardter Straße. Nach einem Jahr vergrößerte sie ihn auf 75 Quadratmeter. Seit zehn Jahren befindet sich das Geschäft nun ein paar Straßen weiter an der Antoniestraße. Am neuen Standort können Kundinnen sogar auf 250 Quadratmetern Unterwäsche und Bikinimode kaufen und anprobieren.

„Hautnah“ hat montags bis freitags von 10 bis 18.30 Uhr geöffnet, samstags von 10 bis 14 Uhr.