Oberhausen. Nicht nur der Prix Goncourt adelt den schmalen Band von Anne Serre; auch den Sterkrader Buchhändler Arndt Wiebus fasziniert die „Erzählmagie“.
„Im Herzen eines goldenen Sommers“ ist der wörtlich aus dem Französischen übersetzte Titel des Buches von Anne Serre, für den sie 2020 den Prix Goncourt de la Nouvelle erhielt. Es sind dreiunddreißig Roman-Miniaturen, jede eine Weltreise durch und um sich selbst. Fast jede initiiert durch den ersten Satz eines Werkes aus Serres eigener Bibliothek, wie sie in einer Nachbemerkung angibt; von Simenon, Joyce, Rilke, Robert Walser, Conan Doyle, Daphne du Maurier, Böll, um nur einige zu nennen.
Das schürt nicht nur nachträgliche Neugierde, das öffnet zudem die Texte initiatorisch und verwebt Literatur und Leben umso dichter und zugleich lichter, durchscheinender. Ein dergestalt beflügelndes Lesen, dass diese nur zwei- bis vierseitigen Texte einen viele Tage länger begleiten können, als manche schwergewichtigen Romane. Selbst- und Fremd-Porträts, deren spiegelnde Ähnlichkeiten sich durch luststeigerndes Fehlen von Netz und doppeltem Boden beweisen. Erinnerte Begebnisse, wärmste Missverständnisse, Erinnerungshüllen, Wiedersehen mit hoher emotionaler Präzision im Nacherkennen.
Hier erzählt sich ein Ich Fangen spielend, Verstecktes entdeckend. Von einer sanft eleganten Erzählmagie, die im Alltäglichen die Einzigartigkeit aufscheinen lässt und in der Besonderheit dessen anziehende Schlichtheit.
Anne Serre: Im Herzen eines goldenen Sommers. Berenberg Verlag, 24 Euro.