Oberhausen. Corona hat für Oberhausen seinen Schrecken verloren, meint Dr. Peter Kaup. Andere Mediziner mahnen zu mehr Schutzmaßnahmen für Risikopatienten.
„Die Pandemie ist nicht vorbei – aber sie hat ihren Schrecken verloren“, sagt Dr. Peter Kaup, Vorsitzender der Kreisstelle Oberhausen der Ärztekammer Nordrhein. Als Mitglied des Krisenstabs der Stadt unterstützt der Allgemeinmediziner eine zunehmende Rückkehr zur Normalität, „wenn auch mit Augenmaß“. Zum Winter hin werde es sicherlich auch in Oberhausen erneut eine Infektionswelle geben. „Aber dank der gut wirkenden Impfungen, der angepassten Impfstoffe, der hohen Durchseuchungsrate in der Bevölkerung und der bekannten Hygieneregeln werden wir das meistern.“
Selbst in den Alteneinrichtungen der Stadt sei die Lage aktuell stabil. „Und dort befinden sich die Hochbetagten und oft auch noch Vorerkrankten, die nach wie vor am meisten gefährdet sind.“ Auch in Oberhausen hätten sich mehrere Sicherheitsmaßnahmen bewährt: das Tragen der FFP2-Masken in den Pflegeheimen und Krankenhäusern, die dort weiterhin vorgeschriebenen Tests für Besucher und Personal, vor allem aber die hohen Impfquoten und die inzwischen vorhandenen Notfall-Medikamente.
Mit Blick auf den Winter hält Kaup zusätzlich eine generelle Maskenpflicht in Innenräumen für sinnvoll. Doch der Allgemeinmediziner bemängelt „den Flickenteppich, den der Bund uns in seiner neusten Änderung des Infektionsschutzgesetzes wieder einmal vor die Füße gelegt hat“. Dazu gehört: „Eine Maskenpflicht in Bus und Bahn, aber keine im Flugzeug, das ist doch Unsinn und von niemandem mehr nachzuvollziehen.“ Einheitliche Regelungen hätte er sich gewünscht. „Aber das war wieder nix.“
Mit den Zahlen gerät die Gefahr aus dem Blick
Der Rat der Experten habe ausgerechnet unter dem neuen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der ja selbst Mediziner ist, zusehends an Einfluss verloren, kritisiert Kaup. „Anders kann ich es mir nicht erklären, dass uns auch in den Praxen ab Oktober wieder eine FFP2-Maske zwingend vorgeschrieben wird.“ Der Mitinhaber der Gemeinschaftspraxis Sterkrade erläutert: „Wir haben eine spezielle Lüftung einbauen lassen, die die Luft ständig filtert – bei entsprechendem Abstand reicht bei uns eine OP-Maske.“ Das erleichtere die Arbeit für ihn, die Kollegen und das Team enorm und komme auch vielen Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen entgegen. „Bei engerem Kontakt setzen wir aber selbstverständlich die FFP2-Masken auf.“ Gerne hätte er diese Eigenverantwortlichkeit behalten.
Denn die sei künftig doch in vielen anderen Bereichen gefragt. „Schulschließungen und Lockdowns soll es nicht mehr geben.“ Kaup hält das ebenfalls für sinnvoll. Er meint: „Wer krank ist, bleibt zu Hause und steckt so niemanden an – das ist ein Verhalten, das inzwischen wohl jeder begriffen hat.“
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Genau dies allerdings bezweifelt ein anderer Oberhausener Mediziner, der öffentlich nicht genannt werden möchte. Der Facharzt sagt im Gespräch mit der Redaktion: „Die Inzidenz spiegelt das Infektionsgeschehen doch gar nicht mehr wider, seitdem es keine flächendeckende Testpflicht mehr gibt.“ Die Infektionszahlen seien in Wirklichkeit deutlich höher als offiziell erfasst. In seiner Praxis teste sich das Team freiwillig zweimal wöchentlich. „Dabei fallen immer wieder Mitarbeitende mit Infektionen auf, die davon gar nichts bemerkt hatten.“ Der Bundesgesundheitsminister habe außerdem die Meldepflicht derartig ausgehöhlt, dass mit den Zahlen die immer noch existierende Gesundheitsgefahr aus dem Blick der Menschen verschwunden sei.
Facharzt: Für die Alten und Vorerkrankten besteht noch immer Lebensgefahr
„Die Öffentlichkeit benötigt diese Zahlen aber, um sich ein Bild machen zu können“, betont der Oberhausener. „Deshalb sollte zumindest unsere Stadt wieder zu den täglichen Meldungen zurückkehren und die Infektionszahlen nicht nur montags und donnerstags veröffentlichen.“ Auch wenn es richtig sei, dass die Pandemie für die Gesunden und unter 60-Jährigen kaum mehr eine Rolle spiele. „Für die Alten und Vorerkrankten besteht noch immer Lebensgefahr.“
Die fehlende Testpflicht und verzögerte Meldungen aber führten dazu, „dass junge Menschen die Covid-Infektionen in geballter Ladung zu ihren Eltern, Großeltern und damit in die Risikogruppen tragen“. Mit schwerwiegenden Folgen: „Die Todeszahlen in Oberhausen sind unverändert hoch.“
Denn auch dies sei ein Fakt: „Anstecken kann sich auch jeder Geimpfte.“ Nur erkranken die meisten dann eben nicht schwer. Anders sehe dies bei Risikopatienten und alten Menschen aus. „Die Wirkung der Impfungen schwächt sich nach rund drei Monaten ab, bei diesen Gruppen reicht der Schutz dann oft nicht mehr aus.“
Aus diesem Grund hat die Ständige Impfkommission (Stiko) unter anderem für Vorerkrankte und Menschen ab 60 Jahren eine zweite Auffrischungsimpfung mit den an Omikron angepassten Impfstoffen empfohlen. Die Stadt Oberhausen betreibt deshalb zwei mobile Impfstationen: auf dem Saporishja-Platz und auf dem Markt in Osterfeld; eine dritte in Sterkrade soll folgen. Erhältlich ist der zweite Booster aber auch bei den Hausärzten.