Oberhausen. Ruth Gläser hat als Fotografin über Jahrzehnte Menschen in Oberhausen porträtiert und historische Ereignisse festgehalten. Nun ist sie gestorben.
Jahrzehntelang war Ruth Gläser eine der bekanntesten Oberhausenerinnen, denn zwischen 1950 und 1990 war sie vier Jahrzehnte lang überall in der Stadt präsent. Auch wenn sie sich – beruflich wie privat – gern im Hintergrund hielt, musste sie doch immer auch in den Vordergrund rücken, um das Bild, das „Gläser-Bild“, zu machen. Mit 93 Jahren ist Ruth Gläser nun verstorben.
Ruth Gläser war eine leise Fotografin, die nach dem Abitur im ersten Nachkriegsjahr in Essen eine Lehre bei einem fotografischen Handwerksmeister absolvierte. Dem zeigte sie sich unter anderem aufgrund ihrer Fähigkeit, Menschen mit der Kamera zu porträtieren, sehr bald so überlegen, dass an eine geregelte Zusammenarbeit nicht mehr zu denken war – zumal der Meister auf dem Geld hockte.
Ruth Gläser war bundesweit bekannt
Die junge Fotografin zog es zur Pressefotografie und fand eine Anstellung beim Oberhausener General-Anzeiger, dessen Redaktion und Druckhaus sich dort befanden, wo heute im „Gdanska“ Leben herrscht – eine Vorstellung, die ihr gefallen hat.
Bis 1966 blieb sie beim General-Anzeiger, dann übernahm die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) den lokalen Mitbewerber und dessen so bekannte wie angesehene Fotografin gleich mit. Bis zur „Außerdienststellung“ (Ruth hätte jetzt entrüstet gefragt: „Bin ich denn ein Eisenbahnwaggon?“ und hätte dann doch geschmunzelt) 1990 blieb sie der WAZ erhalten und erteilte allen Anfragen, die sie auch von Magazinen und überörtlichen Zeitungen und Zeitschriften erhielt, Absagen.
Ruth Gläser war bundesweit branchenbekannt auch deswegen, weil sie über Jahrzehnte die lange Zeit einzige Oberbürgermeisterin in der damaligen Bundesrepublik, Luise Albertz, begleitet hatte. Auch die Zechenkrisen mit den Stilllegungen von Concordia in Lirich und Hibernia in Alstaden hatten ein Bild bekommen, weil diese Fotografin all das dokumentiert hatte.
Aufmerksamer Blick, Leica in der Hand
Ruth Gläser sah sich allen Alltagsfotos von Jubiläen, Schützenfesten oder Schulentlassungen zum Trotz in erster Linie als Dokumentaristin des Wiederaufbaus, des Wirtschaftswunders, der Krisen und des Strukturwandels. Feuilletonistische Aspekte kamen nicht zu kurz. Die Kulturredakteure hatten in ihr stets eine Mitstreiterin, wenn es mal wieder um den entsprechenden Platz in der Ausgabe ging.
Der fotografische Nachlass
Dass es Bilder von Ruth Gläser wie die aus der Glasfabrik bisweilen zu sehen gibt (es gibt auch zwei, drei Bildbände mit ihren Werken zur Stadtgeschichte), ist vor allem der Fotografin selbst zu verdanken: Sie hat schon vor Jahren ihr Archiv an Negativen der Stadt zum Geschenk gemacht.
Erst seit einigen Monaten wird das weit über 100.000 Negative starke Archiv digitalisiert und für künftige Nutzungen vorbereitet. Vor wenigen Wochen – schon im Krankenbett – gab sie mündlich ihre ohnehin nicht anzuzweifelnde Zustimmung zur öffentlichen Nutzung ihrer Bilder – mit dem Vermerk „Sammlung Ruth Gläser“.
Sie wollte auch ihre funktionsfähige Dunkelkammer – seit Jahren nicht mehr benutzt – dem Stadtarchiv schenken, als Anschauungs- und auch Lehr-und Lernstück für junge Leute. Das Stadtarchiv lehnte ab: „Kein Platz.“
Alt-Oberbürgermeister und Ehrenbürger Friedhelm van den Mond (90) erinnert sich: „Als ich 1979 Oberbürgermeister geworden war, häuften sich Presse- und Fotoanfragen. Was tun? Ich ging in ein stadtbekanntes Fotogeschäft und kam mit Bildern zurück, die Ruth Gläser zufällig sah, die die Hände über dem Kopf zusammenschlug. Dann haben wir zusammengesessen und uns unterhalten. Dabei hat sie fotografiert wie aus dem Handgelenk und ohne jede Anweisung, ohne irgendeinen Umstand. So entstand das offizielle OB-Bild.“
So arbeitete Ruth Gläser, mit ganz kleinem Fotogepäck – unverkennbar in der Haltung am „Tatort“: fester Stand, aufmerksamer Blick, Leica in der Hand. Dabei war sie immer „Grande Dame“, mindestens seit den 70ern. Sie hatte aber auch eine Art der Empathie, die sie ziemlich einzigartig machte. Kürzlich erschienen in der Zeitschrift „Schichtwechsel“ der Geschichtswerkstatt Oberhausen Gläser-Bilder zum Thema „Frauenarbeit in der Glasfabrik“: Das war und ist heute noch einzigartig, wie sie mit der Kamera die Frauen gewissermaßen adelte, die bei der Arbeit am Glas Würde, Stolz und Schönheit ausstrahlten.