Andrea Birkenstock ist Mitbegründerin der Frauenberatungsstelle. Seit 25 Jahren setzt sie sich für Gleichberechtigung ein.
Früher, sagt Andrea Birkenstock, da habe sie die Welt retten wollen. Schon in der Schule war sie politisch engagiert, als Studentin gehörte sie zu jenen Gruppen, die sich lautstark in den Kampf um Frauenrechte einmischten. „Alle Frauen sind gleich” sei eine ihrer Maximen gewesen, „Alle Frauen sollen das gleiche erreichen können” eine andere. Klar, dass sie sich als Ort für ein Praktikum ein Frauenhaus aussuchte, das in Oberhausen. Was sie dort erlebte, schreckte sie nicht ab. Es bestärkte sie in ihrem Wunsch, Frauen aus der Opferrolle zu befreien. Und dies sollte eine Aufgabe fürs Leben werden.
Durch das Praktikum lernte Andrea Birkenstock auch die Frauen des Trägervereins „Frauen helfen Frauen” kennen. Sie war jung, sie wollte etwas verändern, etwas tun – und war plötzlich mittendrin, als es hieß, dass eine Frauenberatungsstelle gegründet werden soll. 25 Jahre sind seitdem vergangen und Andrea Birkenstock inzwischen Diplom-Pädagogin, Therapeutin und Heilpraktikerin. In der Frauenberatungsstelle arbeitet sie immer noch – als einzige Vollzeitkraft.
„Ich würde mich immer noch als Feministin bezeichnen”, sagt die 51-Jährige. Auf die vielen Vorurteile könne sie indes gut und gerne verzichten. „Ich habe nichts gegen Männer”, sagt sie – bestimmt nicht zum ersten Mal. Und: „Natürlich habe ich auch eine lila Latzhose getragen.” Das sei nunmal so, dass eine neue Gruppe eigene Rituale für sich sucht, „aber diese Klischees sind alle so langweilig”.
Mit Angriffen und Vorurteilen kann Andrea Birkenstock inzwischen souverän umgehen, doch manchmal ärgert sie sich immer noch. Zum Beispiel, wenn behauptet wird, dass Männer und Frauen inzwischen gleichberechtigt sind: „Das ist nicht so.” Immer noch seien Frauen viel zu wenig berufstätig – „und Geld ist Macht.” Vor allem die schlechte Situation bei der Kinderbetreuung sei Schuld daran.
Man müsse sich immer noch für die Gleichberechtigung einsetzen, sagt Andrea Birkenstock, auf allen Ebenen. „Weil es immer noch Frauen gibt, die Angst davor haben, vergewaltigt zu werden.” Dass jede Vierte eine Gewalterfahrung in ihrem Leben macht, spreche für sich. Und auch wenn die Autonomie der Frau gestiegen sei, so seien doch auch die Ansprüche an sie deutlich höher als noch vor ein paar Jahren. „Zu wenig gesunden Egoismus” bescheinigt sie dem weiblichen Geschlecht. Sich für die Familie aufzuopfern sei der falsche Weg. Den Kindern, auch wenn sie längst volljährig sind, alles hinterherzutragen, mache längerfristig nicht glücklich. „Überbehütung” nennt Birkenstock diese Falle, in die viele Frauen tappten. Um dann, nachdem die Kinder sich abgenabelt haben, ganz leer und ohne eigenes Leben dazustehen.
Auch wenn Andrea Birkenstock selbst keine Kinder hat, sie spricht aus Erfahrung. Tagtäglich berät sie Frauen in völlig unterschiedlichen Lebenssituationen. Zu Unrecht behauptet sie, nicht mehr an vorderster Front der Frauenbewegung zu stehen. „Ich führe keinen Kampf mehr”, sagt Birkenstock. „Ich diskutiere auch nicht mehr den Feminismus.” Sie wolle einfach nur Frauen unterstützen. Und dabei können auch kleine Schritte etwas bewirken, das habe sie inzwischen eingesehen: „Vom Weltretten bin ich schon lange abgerückt.” Den jungen Mädchen von Heute wünscht sie trotzdem „viel Mut”.