Saporishja/Oberhausen. Russische Truppen rücken auf Oberhausens ukrainische Partnerstadt Saporishja zu. Raketen schlagen ein. Wie sich Menschen gegenseitig Mut machen.

Die Lage in der Region der ukrainischen Partnerstadt Saporishja ist nach jüngsten Berichten aus der Ukraine dramatisch. Die russischen Truppen rücken offenbar näher. Für Saporishja geht es in diesen Tagen vor allem auch darum, möglichst nicht in die Reichweite der russischen Raketenwerfer zu kommen.

Vladymyr Goloveshko, seit dem Kriegsbeginn Vertreter des „humanitären Hauptquartiers der regionalen Militärverwaltung von Saporishja“, schreibt regelmäßig Mails an Desbina Kallinikidou vom Oberhausener Büro für Interkultur und skizziert darin die aktuelle Lage und seine Einschätzungen.

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„Die Konfrontation an der Demarkationslinie geht weiter“, heißt es in der jüngsten Mail. „Die ukrainischen Streitkräfte greifen die russischen Besatzer mit Präzisionsangriffen auf Munitionsdepots, militärische Ausrüstung und Arbeitskräfte an.“

20 Raketen abgefeuert

Am Freitag, 22. Juli, hätte die russische Armee ein Gebiet am Stadtrand von Saporishja mit Mehrfachraketenwerfern beschossen. Etwa 20 Raketen seien abgefeuert worden. „Die meisten Granaten fielen in den Fluss Dnjepr, einige der Explosionen ereigneten sich in der Nähe der Dörfer Kanevske (28 km von Saporishja) und Malokaterinovka (30 km von Saporishja). Diese Explosionen waren in der Stadt deutlich zu hören“, schreibt Vladymyr Goloveshko.

Ein ukrainischer Soldat geht bei gegenseitigem Beschuss von russischen und ukrainischen Streitkräften an der Frontlinie von Saporishja in Deckung.
Ein ukrainischer Soldat geht bei gegenseitigem Beschuss von russischen und ukrainischen Streitkräften an der Frontlinie von Saporishja in Deckung. © dpa | Celestino Arce Lavin

Aus Sicht des Ukrainers führen die russischen Besatzer diese Angriffe „wahllos“ durch und sie zielten dabei auf die Stadt Saporishja, „um der Zivilbevölkerung und zivilen Einrichtungen größtmöglichen Schaden zuzufügen“. Nur die begrenzte Reichweite der eingesetzten Raketenwerfer verhindere, dass die Stadt direkt getroffen werde.

All diese Angaben und Einschätzungen lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Gleichwohl geben die Berichte aus Saporishja einen detailreichen Einblick in die Lage vor Ort. Die russischen Besatzer hätten am Samstag, 23. Juli, mehrere Raketenangriffe auf die Außenbezirke mit Boden-Luft-Raketensystemen vom Typ S-300 durchgeführt. Diese starken Explosionen seien auch in der ganzen Stadt Saporishja deutlich zu hören gewesen. Die Lage in der Stadt sei gleichwohl stabil, heißt es.

Flashmob auf der Stadtallee

Benzin und Diesel etwa seien wieder an den Tankstellen erhältlich. Auch die Kraftstoffpreise seien leicht gesunken. Am 23. Juli habe in Saporishja ein Flashmob stattgefunden, ein sportlicher Lauf auf der zentralen Stadtallee zur Unterstützung des ukrainischen Militärs der Garnison in Mariupol, heißt es weiter. Ziel sei es, die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft auf die Soldaten der ukrainischen Streitkräfte zu lenken, die sich im Werk Asowstahl in der besetzten Stadt Mariupol „heldenhaft“ verteidigt hätten und derzeit von den russischen Besatzern gefangen gehalten würden.

An diesem Flashmob hätten Sportler und Einwohner von Saporishja sowie Angehörige des (wegen seiner Kontakte zu rechtsextremen Gruppen umstrittenen, Anm. d. Red.) Asowschen Regiments teilgenommen, insgesamt etwa 200 Menschen. Solche Flashmobs zur Unterstützung der ukrainischen Kriegsgefangenen seien auch in anderen großen Städten der Ukraine sowie in Warschau (Polen) und Toronto (Kanada) gestartet worden.

Vladymyr Goloveshko.
Vladymyr Goloveshko. © Handout | Stadt Saporishja

Einen besonderen, ebenfalls nicht unabhängig überprüfbaren Sachverhalt schildert Vladymyr Goloveshko ebenfalls: Die russischen Streitkräfte hätten militärische Ausrüstung, Waffen und Munition in den „Maschinenräumen“ des Kernkraftwerks Saporishja untergebracht, schreibt der Ukrainer. Das Atomkraftwerk in der Stadt Energodar befinde sich unter ihrer Kontrolle. Jede unbeabsichtigte Detonation von Munition oder die Nichteinhaltung von Vorschriften zur Munitionslagerung könne nun „zu einer schrecklichen nuklearen Tragödie führen“.

Dies habe bereits die besondere Aufmerksamkeit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) auf sich gezogen. Aus diesem Grund habe der Direktor der IAEO, Rafael Mariano Grossi, erneut an die Führung der russischen Armee appelliert, internationalen Experten der IAEO Zugang zum Atomkraftwerk Saporishja zu gewähren.