Oberhausen. Warme Wohnungen für Privatleute im kalten Winter? Der Unternehmerverband setzt sich dafür ein, erst einmal Gas an Betriebe zu geben. Die Gründe.
Die Chefs der hiesigen industriellen und industrienahen Betriebe reagieren auf den drohenden Gas-Ausfall durch die russischen Lieferanten überaus nervös. „Vor allem für die produzierenden Firmen ist das ein Riesenproblem, sie sind total verunsichert. Die derzeitigen Füllstände der Gasspeicher sind nicht gerade beruhigend“, bewertet Wolfgang Schmitz, Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbandes, im Gespräch mit der Redaktion die Lage. „80 Prozent aller Unternehmen erwarten erhebliche wirtschaftliche Einschnitte, 20 Prozent sehen sogar ihre Existenz bedroht.“
Konkrete Folgen sind bereits erkennbar: Die ersten Unternehmen haben wegen der stark steigenden Energiepreise bereits begonnen, Investitionen in Zukunftsprojekte zu reduzieren, wie etwa in Digitalisierung und für Industrie 4.0. Schmitz hält dies zwar für nachvollziehbar, sieht aber die Gefahr, dass Deutschland dadurch wirtschaftlich über längere Zeit in der Konkurrenz zu anderen Staaten zurückfällt. Heike Zeitel, Regionalgeschäftsführerin des Unternehmerverbandes für Oberhausen, blickt mit Sorge auf die schon durch die Pandemie arg gebeutelte Wirtschaft, deren Widerstandskraft und Rücklagen schon durch Corona gelitten haben. „Wir erleben hier gerade die Krise auf der Krise.“
Der in Duisburg sitzende Unternehmerverband, der neben Mülheim auch Oberhausen betreut, blickt deshalb mit Wohlwollen auf Vorstöße von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Er überlegt, den in den Notverordnungen bei Gasknappheit geregelten Vorrang für warme Wohnungen privater Bürger zu kippen. „Die Verwendung von Gas zum Heizen ist eigentlich für Deutschland das geringste Problem. Die Produktion in den Betrieben ist in Gefahr – und damit auch zahlreiche Arbeitsplätze“, warnt Schmitz.
Gasknappheit gefährdet Existenz von Produktionsbetrieben
Die Interessenorganisation der regionalen Wirtschaft plädiert deshalb dafür, zunächst Gas an die Unternehmen zu geben, deren Existenz ansonsten gefährdet wäre. „Natürlich kann man durch Kurzarbeit über eine gewisse Zeit eine Krise nochmals überbrücken, doch dann kommt man an den Abbau von Arbeitsplätzen und Entlassungen nicht mehr vorbei.“ Bei längeren Produktionsausfällen könnten Arbeitskräfte finanziell von den Unternehmen nicht mehr gehalten werden.
Als besonders gefährdet gelten Branchen der Chemie, der Metall- und Stahlindustrie. Ein Gas-Ausfall kann für einige Produktionsstätten erhebliche Langfristfolgen haben. „Wer Hochtemperatur-Produktionsstätten betreibt wie die Stahlindustrie mit ihren Hochöfen, die Glasindustrie mit ihren Schmelzöfen oder auch die Aluhütten, der kann die nicht einfach abschalten und schnell wieder hochfahren. Das wäre eine langfristige Angelegenheit“, schildert Christian Kleff, Leiter der Kommunikation des Verbandes.
Deutschland droht negativer Langzeiteffekt für die Wirtschaft
„Wenn Deutschland keinen anhaltenden negativen Langzeiteffekt für die Wirtschaft haben will, dann muss die Industrie vorrangig versorgt werden. Dabei will ich auch nicht, dass Oma und Opa in einer kalten Wohnung sitzen“, beteuert Hauptgeschäftsführer Schmitz. Alle Bürger müssten in Deutschland mithelfen, Energie zu sparen. „Wenn Wohnungsunternehmen die nächtliche Heiztemperatur herunterfahren, ist das nicht schlimm. Genauso wenig, wenn man nur drei Minuten statt sechs Minuten warm duscht.“ Die hohen Preise würden auch schon dafür sorgen, dass die Bürger ihr Verbrauchsverhalten ändern.
Der Unternehmerverband geht davon aus, dass Deutschland selbst eine tiefe Gaskrise durchhalten und verkraften kann, wenn alle mithelfen würden. Dazu gehört auch, dass alle Branchen systematisch weniger Gas verbrauchen und Kohle- wie Atomkraftwerke für eine Überbrückungszeit weiterlaufen.
Mit Blick auf die hohen Teuerungsraten sieht Schmitz nicht nur die Betriebe selbst unter hohem Druck, sondern viele Menschen, die zur ganz normalen Mittelschicht zählen. Selbst für diese Familien und Paare wird es schwer, die hohen Energiepreise zu schultern. „Ich sehe die Gefahr von sozialen Verwerfungen.“ Trotzdem hält er die aktuelle Lohnforderung der IG Metall von acht Prozent bei einer Inflationsrate von 7,6 Prozent für einen schweren wirtschaftlichen Fehler. „Ein solch großes Lohnplus würde viele Betriebe der Metall- und Elektroindustrie, die einen hohen Personalkostenanteil haben, überfordern. Und niemandem ist damit geholfen, wenn Arbeitsplätze verloren gehen würden. Wir müssen den Spagat schaffen, den Mitarbeitern zu helfen und den Betrieben genügend Luft zu erhalten, dass sie überleben können.“
Statt Corona-Prämie nun eine Gasmangel-Lohnprämie?
Dabei sieht der Unternehmerverband durchaus auch die Politik in der Pflicht – nicht nur durch eine weiterhin großzügige Kurzarbeiter-Regelung. „Helfen würde uns die Möglichkeit einer einmaligen Prämienzahlung an Arbeitnehmer wie bei Corona, die steuer- und abgabenfrei ist. Dazu benötigt Kanzler Olaf Scholz keine Runden Tische, sondern kann dies per Gesetz festlegen.“