Oberhausen. Das Oberhausener Bertha-von-Suttner-Gymnasium lud zum Polittalk. Schüler brillierten mit Kenntnissen, Politiker vor der Landtagswahl eher nicht.

Jugendliche interessieren sich nicht für Politik? Wenn dem so ist, dann liegt es wohl an der Politik. Und nicht an den Themen. Denn der Polittalk des Oberhausener Bertha-von-Suttner-Gymnasiums hätte kenntnisreicher und drängender kaum sein können. Die 16- und 17-jährigen Schülerinnen und Schüler forderten Antworten auf Fragen nach Gleichstellung, Ukraine-Krieg und Klimaschutz. Überzeugend geben konnten Vertreter von CDU, FDP, SPD, Grüne und Linke diese nur selten. Einen klaren Gewinner gab es vor der Landtagswahl am 15. Mai nicht.

Der Polittalk ist so etwas wie der Projekt-Klassiker am „Bertha“. Vor 20 Jahren wurde er geschaffen, und hat an seinem Wirken, junge Menschen mit der Politik in Kontakt bringen, nichts eingebüßt. Auch am Donnerstag saßen also fünf geladene Politikerinnen und Politiker auf der Bühne der Aula. Auch für sie ein lohnenswerter Termin: Sie können prüfen, ob ihre Positionen bei der nächsten Generation ankommen. Die AfD war nicht dabei, da die übrigen Oberhausener Kandidaten im Vorfeld beschlossen hatten, nicht an Diskussionen mit der AfD teilzunehmen.

Die Aula des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums war gut besucht.
Die Aula des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums war gut besucht. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

An Zündstoff fehlte es ohnehin nicht. Na klar: Die Raumnot an Schulen durfte nicht fehlen. Am „Bertha“ werden Schülerinnen und Schüler teilweise in Containern unterrichtet, ein seit 2015 geforderter Neubau ist immer noch nicht realisiert. Wieso, weshalb, warum? Wie in so vielen Fragen verwies Bürgermeister Werner Nakot (CDU) auf die angeblichen Erfolge der Landesregierung, die für die Schüler wenig überzeugend waren. Den Neubau gibt es nicht – oder?

Erst Slam-Poesie, dann Politik

Es war viel los am „Bertha“ in dieser Woche. Einen Tag vor der Diskussion, also am Mittwoch, war der bekannte Slam-Poet „Quichotte“ zu Gast. Schülerinnen und Schüler des Europa-Projektkurses der 11. Klasse erarbeiteten mit ihm ein Stück mit dem Titel „What about EU and YOU?“ Was hat die EU mit unserem Alltag zu tun?

Die im Rahmen der „Europa-Woche NRW“ geförderte Aufführung fand in der Aula vor 100 Schülerinnen und Schülern statt. Der Projektkurs findet bereits im fünften Jahr in Folge statt.

Viel interessanter war da das Thema Gleichbehandlung. Die Schüler zeigten eindrucksvoll ihr Gespür für Ungerechtigkeit, prangerten an, dass zu wenige Frauen in den Parteien CDU und FDP zu Wort kommen. Oder fragten, warum ukrainische Geflüchtete weniger Hürden nehmen müssen, um einen Job zu bekommen, als afghanische und syrische Geflüchtete. Die Kandidaten brachte das teilweise ins Schwitzen.

Die Ergebnisse der Probe-Wahl gibt es kommende Woche. So haben sich die einzelnen Kandidaten geschlagen:

Werner Nakot (CDU).
Werner Nakot (CDU). © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Werner Nakot (CDU): Der Bürgermeister war mal Kriminalbeamter. Jetzt im Ruhestand fällt ihm auf, wie wenige Radwege es in Oberhausen gibt. Obwohl ihm die Polittalkpraxis fehlt – es war sein erster Auftritt im „Bertha“ – wusste er zumindest, an die Schüler heranzukommen. Er verteidigte zwar die Bildungspolitik, gestand aber ein, dass beim Thema Gleichbehandlung von Frauen noch Arbeit vor der CDU liege. Dem Vorwurf der Linken-Kandidatin, dass Politik von „alten, weißen Männern“ gemacht werde, trat er entschieden entgegen. So dürfe man nicht über Menschen reden. Das brachte ihm Applaus ein.

Marc-Oliver Hoff (FDP): Bei der zurückliegenden Bundestagswahl hatten überraschend viele junge Wähler die FDP gewählt. Sein Pochen auf die Freiheit des Einzelnen kam gut an – etwa beim Tempolimit. Mit klugen Gegenfragen und Witzen erntete er Lacher, blamierte sich aber auch in der Frage nach Gerechtigkeit für Geflüchtete. Er habe darauf keine Antwort und verstehe den Hintergrund der Frage nicht. Schülervertreter Jason Michalek half ihm: „Der Hintergrund ist nicht sonderlich schwer zu verstehen.“

Maximilian Janetzki (SPD).
Maximilian Janetzki (SPD). © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Maximilian Janetzki (SPD): Der 33-Jährige vertrat den an Corona erkrankten Landtagsabgeordneten Frederick Cordes – eine Freude für ihn, hatte er doch am „Bertha“ einst selbst Unterricht gehabt. Aufgrund seines Alters und Heimvorteils sammelte er Sympathien für seine Partei, wusste aber auch nicht recht, wie er die Ukraine-Politik von Bundeskanzler Scholz erklären sollte.

Norbert Axt (Grüne): Als früherer Lehrer hatte er zunächst einen schweren Stand. Der Grünen-Direktkandidat konnte aber besser erklären, warum schwere Waffen an die Ukraine geliefert werden müssen (zur Selbstverteidigung) und punktete mit seiner Forderung nach pünktlichen Bussen. Er trat allerdings ordentlich ins Fettnäpfchen, als er beim Thema Klimaschutz in Lehrer-Manier die Schüler anging: „Ich will nicht wissen, wie viele von Ihnen mit dem Auto zur Schule gebracht werden.“

Madita Perschul (Linke): Die 18-Jährige trat mit dem schweren Erbe ihrer Krisen-Partei an. Sie setzte wie erwartet auf Attacke und Konfrontation, muss allerdings noch Erfahrung sammeln in Politik-Diskussionen. Linken-Spitzenkandidat Jules El-Khatib hatte vor Wochen an der Gesamtschule Osterfeld ein überragendes Ergebnis bei der Probewahl eingefahren. Für Perschul dürften es wohl ein paar Prozentpunkte weniger werden.