Oberhausen/Bottrop. Vor über 40 Jahren beginnt diese Jagdgeschichte, die im Grafenwald ein Ende findet: mit den Treibern unterwegs. Wo Leucht-Warnwesten über Olivtönen getragen werden, weil Sicherheit vorgeht - und waldfarbige Kleidung eben Tradition ist.

Mit einem Schrecken beginnt in den frühen 60er Jahren meine Jagdgeschichte. Ich ging in den Keller, um etwas heraufzuholen. Dort hatten sie ihn aufgehängt, einen riesigen Hasen, Geschenk meines Förster-Onkels Günther. Einen toten Hasen hatte ich, typisch Stadtkind, noch nie gesehen. Es kam mir vor, als wäre er größer als ich und ich schrie. Wie konnten sie mich nur ohne Vorwarnung mit diesem Monster konfrontieren?

Doch sie versprachen, dass ein Wildbraten etwas ganz Feines wär. Weil ich meinen Onkel mochte, hörte ich ihm zu, als er erklärte, dass die Jagd sehr sinnvoll, absolut notwendig wär, um den Wald zu erhalten, um Tiere zu schützen und dass, wer dagegen sei, von Natur nichts verstehe. Obwohl ich ihm glaubte, zog ich es beim Mittagessen vor, lieber den Hasen nicht zu probieren.

Nie mehr dachte ich – typisch Stadtmensch – ernsthaft übers Jagen nach. Mein Onkel kam nie darauf, mich zu fragen, ob ich mal Lust hätte, auf die Jagd zu gehen. Er ging vom für Städter typischen Desinteresse aus.

Einladung zum Ausprobieren

Nicht so Hubert Filarsky, Obmann für das jagdliche Brauchtum und Sprecher der Jagdhornbläsergruppe der Kreisjägerschaft Oberhausen. Anlässlich der Hubertus-Messe kamen wir ins Gespräch. Jagen, erklärte er, sei kein Hobby, sondern Passion. Es sei eine Besonderheit der Bläsergruppe, dass nur aktive Jäger – auch Frauen – Mitglieder seien. Wenn es mich interessiere, wie sie durch Signale die Jagd begleiten, könnte ich einmal teilnehmen.

Dies abzulehnen, wäre schon allein wegen meines Förster-Onkels nicht fair, ganz abgesehen von der Chance, etwas Neues zu erleben. Also: Auf, auf ins Geschehen!

Dietrich Seekamp, ebenfalls Mitglied der Bläsergruppe und Pächter von 110 Hektar Bottroper Grafenwald, hat zur Treibjagd in der Hohen Heide eingeladen. Er leitet die Jagd, 30 Jäger – Männer und Frauen – begrüßen ihn am Treffpunkt und bedanken sich bei ihm. Jäger sind eben sehr höfliche Leute.

„Ein paar Tage Freizeit”, wird Seekamp später sagen, habe ihn die Vorbereitung des Ereignisses schon gekostet. Ich begutachte die Outfits: hohe Stiefel, Gummischoner über den Hosen, Hüte und – was ich nicht erwartete – Leucht-Warnwesten über den in Olivtönen gehaltenen Jacken. Sicherheit, lerne ich, gehe eben vor und waldfarbige Kleidung sei halt Tradition.

Hopp! Hopp! Hopp!

Tradition auch das Blasen der Hörnertruppe zum Aufbruch. Mit Pkw geht's zum ersten Waldstück. Die Hunde sind schon heiß auf ihren Job, zerren an den Leinen, wollen los. Eine kurze Erklärung der Strategie: „Treiber hier lang, Jäger stehen dort.” Am Waldrand hat jeder nun seine Position. Ich – einzige Treiberin ohne Gewehr – soll mich stets auf gleicher Höhe mit meinen Nachbarn bewegen. Filarsky bläst an und es geht los. Durch Dornenbüsche, über Gräben – die Hunde werden angespornt: „Hopp! Hopp! Hopp!” Oder: „Such voran!” Erstaunlich, jeder von ihnen hält die Spur. Schüsse fallen. Die Hunde bringen den Führern die Beute. Waidmannsheil! Hasen, Kaninchen und ein Fasan sind erlegt, das Waldstück durchkämmt. Weiter geht's zum nächsten Revier.

„Die Treiberin soll den Hasen mitnehmen!” Schon allein, um mich nützlich zu machen, muss es sein, ich gehorche. Ich packe die beiden noch warmen Läufe. Er ist ziemlich schwer und baumelt ein wenig. Doch so ein Riesenmonster wie der damals im Keller ist er nicht – oder liegt's nur an den veränderten Proportionen?

Mittags haben wir schon ordentlich Beute. Während des Schüsseltreibens, der Pause an der Jagdhütte mit Erbsensuppe und Kuchen, wird das Wild diskret schon mal aufgebrochen. Gestärkt geht's weiter bis zum Anbruch der Dunkelheit. Dann heißt es: Strecke legen – ohne Waffen. Auf Tannengrün liegt sie nun aus, die reichliche Beute. Die Bläser würdigen die Hasen, dann die Kaninchen im Walzertakt, am Schluss den Fasan. Halali! Die Jagd ist vorbei. Hut ab zum Dank! Das Wild wird miteinander gerecht geteilt.