Oberhausen. Mehrere hundert Oberhausener haben gegen den Krieg in der Ukraine demonstriert. Es nahm eine Generation teil, die in Frieden aufgewachsen ist.

Am Montagabend ist Tim Tzscheppan eine gefragte Person. Immer wieder wird er angesprochen, muss organisieren und Ansagen machen. Mit seiner gelben Warnweste läuft er an der Spitze einer Demonstration, die er als Oberhausener Juso-Vorsitzender ins Leben gerufen hat. Gemeinsam hat die Jugendorganisation der SPD mit der Jungen Union (CDU), den Jungen Liberalen (FDP) und der Grünen Jugend (Grüne) zu der Kundgebung gegen den Krieg in der Ukraine aufgerufen. Das Motto: „We Stand with Ukraine! Für Frieden in Europa“.

Das unabhängige demokratische Land wehrt sich seit dem vergangenen Donnerstag gegen einen rücksichtslosen Angriffskrieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Als Tim Tzscheppan davon am vergangenen Donnerstag erfährt, sei er entsetzt gewesen: „Man sieht die Bilder aus der Ukraine und merkt, dass sich die Welt verändert.“ Der Nachwuchspolitiker ist 26 Jahre alt, stammt aus einer Generation, die nur Frieden in Europa kennt. In seinem Umfeld seien „alle schockiert“, erzählt er nun, egal, ob politisch interessiert oder nicht.

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Aber es ist nicht nur Schock, denn so ein Krieg macht die eigenen Gedanken unberechenbar. Tzscheppan berichtet von einem „Mischmasch der Gefühle“ – es sei Angst und Hilflosigkeit dabei, aber auch Entschlossenheit, den Menschen in der Ukraine beizustehen.

„Ich finde, es ist Wahnsinn, was wir in unserer Generation erleben müssen“

Genau das wollen viele Oberhausener an diesem Abend tun, sich solidarisch mit der Ukraine zeigen. Die Demonstration beginnt mit einer Kundgebung auf dem Saporishja-Platz, benannt nach Oberhausens Partnerstadt im Südosten der Ukraine. Der Bundestagsabgeordnete Dirk Vöpel (SPD) ist vor Ort, auch Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU) ergreift das Mikrofon. „Wir sind heute hier, um ein Zeichen zu setzen“, sagt er. Immer wieder gibt es Applaus.

Zu sehen sind Banner und Plakate, auf ihnen steht „Putin, fahr zur Hölle“ oder „Stop Putin, Stop War!“. Auch die Landesfarben der Ukraine sind überall vertreten: Menschen tragen blau-gelbe Herzen auf der Brust, halten Luftballons in der Hand oder wehen mit Fahnen. Laut Polizei sind rund 500 Menschen zur Auftaktkundgebung gekommen, andere Beobachter zählen m späteren Verlauf des Demonstrationszuges sogar bis zu 1500 Teilnehmer.

Nach einer ersten Kundgebung auf dem Saporishja-Platz zogen die Demonstrierenden weiter zum Friedensplatz.
Nach einer ersten Kundgebung auf dem Saporishja-Platz zogen die Demonstrierenden weiter zum Friedensplatz. © FUNKE Foto Services | Lukas Claus

Als sich der Protestzug in Bewegung setzt, laufen die Jugendorganisationen der Parteien vorneweg. Parteigrenzen hätten an diesem Tag keine Bedeutung, erzählt Kathrin Lösken von der Jungen Union. Ihr erstes Gefühl, als sie vom Krieg hörte: Unglauben. Es habe ihr schwer gefallen zu realisieren, was gerade in Osteuropa passiert. „Ich finde, es ist Wahnsinn, was wir in unserer Generation erleben müssen“, sagt die 27-Jährige. Von den Menschenmengen, die an diesem Abend durch die Stadt ziehen, sei sie tief beeindruckt. „Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich das sehe.“ Es bleibe aber ein Gefühl der Ungewissheit – was in diesem Krieg noch passieren wird, ist kaum vorherzusagen.

Ukrainer: Meine Seele brennt

Von so einem Gefühl spricht auch Dustin Ottersbach, 23 Jahre alt und Schatzmeister der Jungen Liberalen. Es gebe ein „Hin und Her der Nachrichten“, sagt er. So ist es auch an diesem Tag: Einerseits kommt es zu einem ersten Treffen zwischen Vertretern beider Länder, andererseits laufen die Angriffe auf die Ukraine weiter. Über die Demonstration sagt Ottersbach: „Es erfüllt mich mit Hoffnung“.

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Begleitet von Musik ziehen die Menschen weiter durch die Oberhausener Innenstadt. Auch Louisa Baumann von der Grünen Jugend ist dabei: Sie freue sich wahnsinnig über die vielen Leute, die gekommen sind. Da seien Menschen dabei, die sonst nicht auf Demonstrationen in Oberhausen zu finden seien. Mit Blick auf die aktuelle Lage sagt die 25-Jährige: „Wir leben in einer Welt, die gerade ein bisschen aus den Fugen gerät.“

Der Demonstrationszug endet am Friedensplatz, die Menschen versammeln sich dort um eine kleine Treppe. Es ist dunkel geworden, Sterne sind am Himmel zu erkennen. Während aus einer Musikbox „Wind of Change“ von den Scorpions läuft, entzünden die Teilnehmer die Lichter ihrer Handys. Wie schon zum Auftakt sprechen verschiedene Vertreter der Parteien, auch Tzscheppan hält eine Rede. Er sagt zu den Menschen: „Ihr habt gezeigt, dass Putin uns nicht spalten kann.“

Nächste Kundgebung am Donnerstag geplant

An diesem Donnerstag (3. März) ist ab 18 Uhr eine weitere Friedenskundgebung auf dem Friedensplatz in der Oberhausener Innenstadt geplant. Die Linke hat dazu aufgerufen, teilnehmen wird auch die Linken-Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler. Anschließend findet ab 19.30 Uhr eine Diskussionsveranstaltung unter dem Motto „Die Waffen nieder – Nein zum Krieg!“ in der Fabrik K14 (Lothringer Straße 64, 46045 Oberhausen) statt. Es gilt die 3G-Regel. Eine Teilnahme ist auch online möglich.

Während der Demonstration am Montag waren offenbar auch Mitglieder der jungen Alternativen (AfD) vor Ort. Vor der Abschlusskundgebung erklärte Juso-Chef Tim Tzscheppan jedoch, dass diese Personen nicht willkommen seien – genauso wie Vertreter der AfD. Es folgten „Nazis raus“-Rufe.

Die letzten Worte hat jedoch ein Mann aus der Ukraine – sein Name: Danylo Cherkashenko. Er wurde in Charkiw geboren und ist dort aufgewachsen – die zweitgrößte Stadt des Landes wurde am Dienstag massiv angegriffen. Seit mehreren Jahren lebt er aber nun in Deutschland, mittlerweile in Oberhausen. Die Ukrainer würden jetzt für ganz Europa kämpfen, spricht Cherkashenko in das Mikrofon, und bedankt sich für die Gastfreundschaft in Deutschland und Oberhausen. Er sagt aber auch: „Meine Seele brennt.“