Oberhausen. Die Polizei liest Chats mutmaßlicher Krimineller: über 90.000 Datensätze, die zu einem spektakulären Fahndungserfolg führen. Ein Arbeitseinblick.

Erstmals hat sich jetzt der Leiter der federführenden Ermittlungskommission (EK) „Revival“ ausführlich zu einem spektakulären Fahndungserfolg der Polizei Oberhausen im Dezember 2021 geäußert. Damals hatten die Oberhausener Ermittler eine mutmaßliche, international operierende albanische Marihuana-Bande auffliegen lassen und 18 Tatverdächtige festgenommen – ein Fahndungserfolg dank digitaler Verbrecherjagd, wie der Leiter der Kommission, Michael Wlodarczak, erklärt.

Die Entschlüsselung von sogenannten Encrochat-Nachrichten gilt als eine Zeitenwende in der europäischen Polizeigeschichte: Im Jahr 2020 gelang es einer Spezialeinheit der französischen Gendarmerie, den Server des Unternehmens Encrochat in Nordfrankreich zu knacken. Encrochat – das war ein Anbieter von verschlüsselten Nachrichten via Handy, der zunehmend von kriminellen genutzt wurde, eine Art WhatsApp für Straftäter. Für ihre geheime Kommunikation nutzten die Verbrecher verschlüsselte Spezial-Smartphones – sogenannte Kryptohandys, deren Technik die Kriminellen bis dahin voll vertrauten. Doch von diesem Zeitpunkt an las die Polizei mit, ohne dass die Straftäter das zunächst wussten. Die französische Polizei stellte ihre Encrochat-Erkenntnisse anderen europäischen Polizeibehörden zur Verfügung.

Auch die Oberhausener Ermittlungskommission „Revival“ hat auf diese Weise von dem Coup der französischen Kolleginnen und Kollegen profitieren können. „Wir hatten damals die albanische Tätergruppe bereits längere Zeit im Visier“, sagt Michael Wlodarczak, Leiter des Ermittlungsteams. „Doch die Ermittlungen gegen die Drahtzieher drohten, im Sande zu verlaufen – wir kamen nicht weiter.“

Über 90.000 Datensätze auszuwerten – eine große Herausforderung für die Fahnder

Die Encrochat-Auswertungen der französischen Ermittlungsbehörden seien da wie gerufen gekommen und hätten neuen Schwung in die Ermittlungsarbeit gebracht. Eine Chance, aber auch eine echte Herausforderung für die Oberhausener Fahnder: „Es gab über 90.000 Datensätze, sprich Nachrichten, die gelesen oder ins Deutsche übersetzt werden mussten“, berichtet Michael Wlodarczak. „Eine Menge Arbeit für die Ermittler vom Kriminalkommissariat 13. Die Tatverdächtigen hätten sich sehr konspirativ verhalten und es sei sehr schwer gewesen, an sie heranzukommen. „Doch mit den Daten aus den Chats ist es uns gelungen, das Puzzle nach und nach zusammenzusetzen.“

Umfangreiche Spurensicherung

Zur akribischen Ermittlungsarbeit hat auch die genaue polizeiliche Spurensicherung gehört: Zwei Tage hat es im Dezember 2021 gedauert, bis die über 1500 sichergestellten Hanf-Pflanzen und die dazugehörigen Geräte alle abgebaut und transportbereit waren.

Während der gesamten Zeit bewachten Einsatzkräfte der Polizei die Hanf-Plantagen.

Mit bemerkenswertem Ergebnis: Laut Polizei Oberhausen haben die beiden Hauptakteure der Bande regelmäßig Lieferungen von Marihuana in einer Größenordnung von mehr als 100 Kilogramm aus Albanien und den Niederlanden organisiert. Weitere Täter aus dem Bereich Oberhausen, Essen und Bottrop beteiligten sich am Vertrieb. Verdeckte Ermittlungen folgten, so dass die Spur zu Cannabis-Plantagen in Nordrhein-Westfalen und Hessen führte.

Zugriff am Morgen des 9. Dezembers 2021 – mehrere hundert Polizisten im Einsatz

Am Morgen des 9. Dezembers 2021 griffen die Fahnder dann zu: Mehrere hundert Polizeikräfte vollstreckten die von der Staatsanwaltschaft Duisburg erwirkten Haftbefehle und Durchsuchungsbeschlüsse. Drei Hochleistungshanfplantagen mit insgesamt mehr als 1500 Pflanzen wurden sichergestellt.

Von den seinerzeit 18 festgenommenen Verdächtigen befinden sich derzeit elf in Untersuchungshaft. Sie sitzen in unterschiedlichen Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen ein. Der Oberhausener Kriminalist Michael Wlodarczak: „Dieser Fahndungserfolg war eine Teamleistung. Wir waren zum Schluss sieben Kolleginnen und Kollegen, die daran gearbeitet haben – unterstützt von der ganzen Dienststelle.“