Oberhausen. Die Oberhausenerin Sigrid Fischer-Woynack schrieb schon mehrere Kinderbücher. Nun hat die 92-Jährige ihre leidvollen Kriegserinnerungen notiert.
„Es gibt Dinge im Leben, denen kann man nicht ausweichen. So wie an jenem Tag, es war Donnerstag, der 12. April 1945, als sich alles ändern sollte.“ Mit diesen Worten beginnt die Schilderung von Sigrid Fischer-Woynack (Jahrgang 1929) über jenen Luftangriff, den sie als damals 16-Jährige kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges im baden-württembergischen Biberach erlebte. Erinnerungen, die die heute 92-jährige Schmachtendorferin in einer Tatsachenerzählung unter dem Titel „Wir waren jung und es war Krieg“ zu Papier gebracht hat.
„Jedes Wort ist wahr, ich habe nichts weggelassen oder hinzugedichtet“, betont Sigrid Fischer-Woynack. „Dabei war ich oft fix und fertig, als ich über bestimmte Erlebnisse geschrieben habe.“ Die gebürtige Duisburgerin hatte sich im Januar 1941 für die Kinderlandverschickung (KLV) gemeldet, bei der damals Schulkinder sowie Mütter mit Kleinkindern aus den vom Luftkrieg bedrohten deutschen Städten in weniger gefährdete Gebiete untergebracht wurden.
Luftangriff kostete 57 Menschen das Leben
Während es dabei für Sigrid Fischer-Woynack auch nach Prag ging, blieb sie von Oktober 1943 bis November 1945 in Biberach. Der Luftangriff am 12. April 1945, kurz vor dem Ende des Weltkriegs, kostete 57 Menschen das Leben. „Es war schrecklich. Wir waren geschockt und verzweifelt“, erinnert sich Sigrid Fischer-Woynack, die damals seit über einem Jahr nichts von ihrer Familie gehört hatte.
Nach diesem traumatischen Ereignis kehrte sie nach Duisburg zurück, wo sie ihre Mutter und ihren Bruder wiederfand, die nach einer Odyssee von Sachsen zurück ins Ruhrgebiet gekommen waren. Ihr Vater kehrte später aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft heim. „Es war alles zerstört. Kaum ein Stein stand mehr auf dem anderen“, berichtet Sigrid Fischer-Woynack. „Und trotzdem war ich glücklich. Glücklich darüber, dass dieser schreckliche Krieg endlich vorbei war.“
Erstes Kinderbuch: „Die mexikanische Großmutter“
Gesprochen wurde über die Ereignisse jedoch lange Zeit nicht. „Es ist schwer, Worte dafür zu finden. Und nach dem Krieg wollten wir alles, nur nicht über die Vergangenheit reden.“ Nach Gymnasium und Handelsschule, in der Sigrid Fischer-Woynack Stenografie und Schreibmaschine lernte, heiratete sie 1953 und zog mit ihrem Ehemann in dessen Geburtshaus nach Schmachtendorf. Dort lebt sie bis heute.
Ihre Leidenschaft, Texte zu schreiben, hat sie dabei schon früh entdeckt. „Meine Deutschlehrerin hat mir bereits gesagt, ich solle unbedingt schreiben. Meine Fantasie war immer sehr groß.“ Doch erst in den 80er Jahren veröffentlichte sie mit „Die mexikanische Großmutter“ ihr erstes von insgesamt sieben Kinderbüchern. Nicht ihr einziges künstlerisches Talent.
Auch als Malerin und Hobby-Schauspielerin aktiv
Als Malerin von Aquarellen und Porträts von Kindern der Dritten Welt präsentierte Sigrid Fischer-Woynack ihre Werke gleich in mehreren Ausstellungen. Daneben war sie jahrzehntelang im Theater-Studio Oberhausen als Hobby-Schauspielerin aktiv. Auch verfasste sie selbst Theaterstücke, wie etwa „Mord im Hause Zuflucht“, das in Aachen mehrfach vor ausverkauftem Haus aufgeführt wurde. „Leider hat die Corona-Pandemie dann weitere Aufführungen verhindert. Aber über die positiven Reaktionen habe ich mich sehr gefreut.“
Dass sie nun ihre Kriegserinnerungen aufgeschrieben hat, lag nicht zuletzt an ihren drei Enkelkindern. „Sie haben gesagt: ‚Du erzählst doch immer von früher, schreib es auf‘. Und einmal angefangen, konnte ich nicht mehr aufhören.“ Noch hat Sigrid Fischer-Woynack zwar keinen Verlag für ihre Tatsachenerzählung gefunden. Aber an Energie und Lebensfreude hat es der 92-Jährige noch nie gemangelt. „Ich kann es selbst nicht fassen, wie alt ich schon bin. Aber es ist auch nur eine Zahl und ich fühle mich wesentlich jünger, als ich tatsächlich bin.“
Vater mit Fußballfragen gelöchert
Sigrid Fischer-Woynack trägt normalerweise keinen Doppelnamen und heißt einfach Woynack. Fischer-Woynack ist ihr Autorinnen-Name. „Ich wollte meinem Bruder eine Freude bereiten”, erzählt sie. Der war an Leukämie erkrankt. Deswegen habe sie seinen Nachnamen ihrem vorgestellt.2012 hatte die Oberhausenerin im Karl-Maria-Laufen-Verlag das Jugendbuch „Die geheimnisvollen Fußballschuhe“ veröffentlicht. Das Buch erzählt die Geschichte von Tim, der Fußballschuhe geschenkt bekommt, die magisch zu sein scheinen. „Von Fußball hatte ich nicht so viel Ahnung, so dass ich meinen Vater ständig mit Fragen löchern musste“, erzählt die 92-Jährige ein, für die das Lesen und Schreiben zum Leben dazugehört.