Oberhausen. Von Klimaschutz und ökologischer Verkehrswende reden alle – doch wenn es konkret wird, wird es schwierig: Sollen 500 City-Parkplätze wegfallen?

Wie schwierig es ist, die Stadt der Zukunft zu entwerfen, zeigt sich in einer der dichtbesiedelten Stadt-Regionen des Ruhrgebiets – im Zentrum von Alt-Oberhausen, wo der öffentliche Raum äußerst knapp ist.

Viele Jahre lang haben sich die Fachleute des Kasseler Ingenieurbüros IKS Mobilitätsplanung im Auftrag der Stadtverwaltung bemüht, ein Konzept zu entwerfen, das die Mobilität der Bürger für kurze Wege in den Quartieren der Innenstadt, rund um die Marienkirche und in Lirich verbessert. Insbesondere Fußgänger und Radler stehen dabei im Mittelpunkt. Erreicht werden soll, dass sich die Bürger in der Innenstadt wohler fühlen sowie mehr zu Fuß, mit dem Rad oder dem Stoag-Bus unterwegs sind – und insgesamt der Schutz vor Verkehrsunfällen steigt.

Der Oberhausener SPD-Ratsherr Ulrich Real. 
Der Oberhausener SPD-Ratsherr Ulrich Real.  © Unbekannt | SPD Oberhausen

Auf 145 Seiten legen die hessischen Fachleute ihre Analyse und ihr Maßnahmenbündel der Politik vor. Doch dort stieß der Papier-Wust nicht auf einhellige Begeisterung – im Gegenteil: Im Planungsausschuss sahen sich die Politiker nicht in der Lage, innerhalb von nur zehn Tagen Beratungsvorlauf über die einschneidenden Projektideen der Kasseler zu entscheiden – und setzten das Konzept von der Tagesordnung des Rates am nächsten Montag. Denn dort sollten die Lokalpolitiker bereits alle Verkehrsideen der nächsten ein bis zwei Jahre durchwinken.

Revolutionärer Einschnitt für die Oberhausener Verkehrspolitik

Tatsächlich kann man in der Kasseler Konzeption, die noch von der früheren Umweltdezernentin Sabine Lauxen (Grüne) beauftragt wurde, durchaus einen nahezu revolutionären Einschnitt in die seit Jahrzehnten selbstverständliche Verkehrsbetrachtung der Stadt sehen: Das Auto steht künftig nicht mehr im Mittelpunkt.

Breitere freie Bürgersteige, mehr Radwege, komfortablere barrierefreie Bus-Haltestellen, mehr Ladepunkte für E-Bikes, mehr Radabstellplätze, freiere Sicht für alle an Einmündungen – das erreicht man nur über eine Umverteilung des öffentlichen Raums: Parkverbote auf Gehwegen in den großen Straßen Hermann-Albertz-Straße (Wegfall von 110 Parkplätzen), Grenzstraße (minus 200 Parkplätze), Helmholtzstraße (minus 90 Parkplätze) und Havensteinstraße (minus 65), Parkverbote in der Nähe von Einmündungen, Verengungen am Beginn der Seitenstraßen – insgesamt würden so fast 500 Parkplätze wegfallen.

Stimmen Sie hier ab: 500 Parkplätze sollen in Oberhausen wegfallen – Richtig so?

Vom Concordia-Kreisverkehr aus fotografiert: Die Unterführung der Bahn auf der Concordiastraße in Oberhausen. Hier schlägt das Kasseler Ingenieurbüro vor, die Straße zu verengen – und Fußgängern wie Radlern mehr Platz einzuräumen auf eigenen Wegen und Bahnen mit Sicherheitsabstand zu den fahrenden Autos.
Vom Concordia-Kreisverkehr aus fotografiert: Die Unterführung der Bahn auf der Concordiastraße in Oberhausen. Hier schlägt das Kasseler Ingenieurbüro vor, die Straße zu verengen – und Fußgängern wie Radlern mehr Platz einzuräumen auf eigenen Wegen und Bahnen mit Sicherheitsabstand zu den fahrenden Autos. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Alle Einbahnstraßen sollen zudem für in falscher Richtung Radelnde freigegeben, die Benutzungspflicht von Radwegen aufgehoben werden. Wo Autos viel Platz einnehmen, etwa an den Bahn-Unterführungen Concordiastraße zum Concordia-Kreisverkehr oder Buschhausener Straße in Hauptbahnhofsnähe, sollen Straßen schmaler werden – zugunsten von gesicherten Radfahrbahnen und breiteren Bürgersteigen. Die Planer empfehlen auch, dass Autos nicht mehr an so vielen Stellen die Marktstraße kreuzen und damit Fußgänger gefährden: Die Schlingensief-Straße und die Stöckmannstraße sehen sie künftig als Sackgassen, auf dem Altmarkt dürfen nur noch Autos durch den Biergarten des Kult-Bistros Gdanska fahren.

Das sagen die politischen Parteien zum Konzept für Fußgänger und Radler

Noch sind das alles Pläne, aber durchaus nachvollziehbar ist es, dass die Politik darüber erst einmal in Ruhe diskutieren will. Die Grünen und die Linken sind grundsätzlich für das Konzept einer Fußgänger- und Radler-Orientierung; SPD und CDU irgendwie auch, verlangen aber erhebliche Änderungen; die FDP fordert noch massivere Reparaturen. Und die AfD will das Konzept am liebsten in die blaue Papiertonne werfen.

Denis Osmann, CDU. 
Denis Osmann, CDU.  © CDU | Kurt Michelis

Linken-Fraktionsvizegeschäftsführer Michael Hake sieht in den Plänen der Kasseler Fachleute ein „sehr gutes Konzept, um die Verkehrswende einzuleiten“. Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Stefanie Schadt wirft den großen Parteien CDU und SPD reine Lippenbekenntnisse vor: „Ist alles, was dem Auto dient, erhaltenswert? Sind Parkplätze für Autofahrer wichtiger als gefährliche Stellen für Fußgänger und Radler zu beseitigen?“

Das wollen die großen Parteien SPD und CDU im Rat

SPD und CDU wollen zwar die Lebensqualität von Fußgängern und Radfahrern im Oberhausener Zentrum erhöhen, befürchten aber zu starke Einschnitte für Pendler, Gewerbetreibende und Anwohner. SPD-Ratsherr Ulrich Real: „Wenn so viele Parkplätze wegfallen, benötigen wir Alternativen, etwa Quartier-Parkhäuser. Und die müssen zuerst errichtet werden.“

Auch CDU-Planungspolitiker Denis Osmann verlangt, dass nicht der erste Schritt vor dem zweiten gemacht werden darf. „Die Gewerbetreibenden dort sind schon durch die Parkgebühren genug gebeutelt, jetzt können wir ihnen und den Anwohnern nicht auch noch Parkplätze wegnehmen.“ Auch den Vorschlag der Planer, Autos durch den Biergarten des Gdanska zu erlauben und die Straßen rechts und links neben dem Altmarkt abzusperren, empfinden SPD und CDU als unausgegoren.

Nur noch hier dürfen die Autos in U-Form am Oberhausener Altmarkt in der Innenstadt vorbeifahren – direkt am Gdanska vorbei. Die Straßen rechts und links neben den Altmarkt würden nach den Plänen der Kasseler für den Autoverkehr gesperrt werden.
Nur noch hier dürfen die Autos in U-Form am Oberhausener Altmarkt in der Innenstadt vorbeifahren – direkt am Gdanska vorbei. Die Straßen rechts und links neben den Altmarkt würden nach den Plänen der Kasseler für den Autoverkehr gesperrt werden. © FUNKE/Fotoservices | Gerd Wallhorn

Der Oberhausener FDP-Vorsitzende Roman Müller-Böhm betrachtet das Konzept als ideologiegetrieben. „Grundsätzlich muss man die Lage in der Innenstadt verbessern, aber man sollte nicht versuchen, Autofahrer systematisch aus Alt-Oberhausen herauszubekommen.“ In dem Konzept gebe es zudem keine Ideen für den größten Wunsch der Bürger vor Ort, den öffentlichen Nahverkehr zu verbessern.

Der Oberhausener FDP-Vorsitzende Roman Müller-Böhm.
Der Oberhausener FDP-Vorsitzende Roman Müller-Böhm. © FUNKE/Fotoservices | Gerd Wallhorn

Und die AfD verweist auf erhebliche Nachteile für Pendler, wenn der Plan der Kasseler verwirklicht werden würde. Mit solchen Konzepten sollten Autofahrer um jeden Preis in einen „Umweltverbund“ (Fuß, Rad, ÖPNV) gedrängt werden. „Die Menschen fahren garantiert nicht mit dem Auto, weil es ihnen Spaß macht. Die Verkehrsplaner möchten erklären, wie eine Schichtarbeiterin morgens um 6 Uhr ihren Arbeitsplatz in einem Gewerbegebiet in einer Nachbarstadt erreichen soll. Zu Fuß oder mit dem Rad?“