Oberhausen. Forschungsteams aus Oberhausen und Bonn entwickeln einen Mikroplastikfilter für Waschmaschinen. Abgeschaut haben sie die Technik bei Fischen.
Das dürfte viele überraschen: Beim Wäschewaschen können mehrere Hundert Milligramm Mikroplastik pro Kilogramm in die Umwelt gelangen – und das bei jeder Wäsche. Diese winzigen Partikel landen dann unter anderem im Boden, in Gewässern und schließlich auch in Organismen – zum Beispiel in Fischen. Das macht sich nun ein Team von Forscherinnen und Forschern zunutze, um eben dieses Mikroplastik aus der Wäsche herauszufiltern und abzufangen.
Im Projekt „Fish Flow“ entwickeln Wissenschaftler in Oberhausen und Bonn einen bionischen Mikroplastikfilter für Waschmaschinen. „Bionisch“ heißt: Sie orientieren sich an etwas, das in der Natur vorkommt, und bauen es technisch nach. In diesem Fall also: Fischkiemen. Auf diese Weise sollen rund 90 Prozent weniger synthetische Mikrofasern aus der Wäsche in die Umwelt gelangen.
Prototyp misst etwa 20 bis 30 Zentimeter und ist trichterförmig
Denn die winzigen Plastikteile bringen mehrere Probleme mit sich. Das Gravierendste für Projektleiterin Ilka Gehrke vom Fraunhofer Umsicht in Oberhausen: „Das Zeug baut sich schlicht und einfach nicht ab.“ Folglich würden sich immer mehr dieser Partikel in der Umwelt ansammeln. „Es muss unbedingt vorbeugend etwas getan werden.“
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Der Prototyp des Fish-Flow-Teams misst etwa 20 bis 30 Zentimeter und ist trichterförmig. Er orientiert sich an der Anatomie von sogenannten Suspensionsfressern, dazu zählen Fische wie Makrelen, Heringe und Sardinen. Sie schwimmen mit geöffnetem Mund durchs Wasser, um Nahrung aufzunehmen. Das Mikroplastik – Partikel, kleiner als fünf Millimeter – fischen die Kiemen des Tieres dabei mit heraus.
Forscher leisten mit Fischkiemen-Filter Pionierarbeit
Diese Methode, mit der die Fische die kleinen Plastikfasern unfreiwilligerweise aus dem Wasser sieben, übertragen die Forscher nun auf die Technik. „Stellen Sie sich einen Filter mit ganz vielen senkrechten Schlitzen vor“, erklärt die Projektleiterin. „Da, wo der Trichter zusammenläuft, werden die Schlitze immer schmaler.“ Die großen Partikel bleiben am Anfang hängen, die kleineren am Ende, so das Prinzip.
Ein Filter wie dieser, der sich Fischkiemen zum Vorbild nehme, „das ist Pionierarbeit“, ist Gehrke überzeugt. Bislang gebe es auf dem Markt nur ein Produkt, in dem ein Filter, der polymere Mikrofasern zurückhält, verbaut sei. Die meisten Maschinen sind also gar nicht mit einer solchen Technologie ausgestattet. Folglich können auch die meisten Menschen gar nicht verhindern, dass sie beim Waschen die Umwelt mit Kleinstpartikeln aus Kunststoff verschmutzen.
Dass das ein Problem ist, hat auch Frankreich erkannt, das ab 2025 Mikrofaserfilter für alle neuen Waschmaschinen zur Pflicht macht. Bis dahin soll auch das Produkt des Fish-Flow-Teams fertig sein. Das Projekt endet im September 2022. Wenn der Prototyp bis dahin gute Arbeit leistet, könne man „damit rechnen, dass er in ein bis zwei Jahren in Produktion geht“, schätzt die Projektleiterin. Der Mikrofaserfilter könnte dann nicht nur in neue Waschmaschinen verbaut, sondern auch alte Geräte damit aufgerüstet werden.
Tipps für nachhaltiges Waschen
Bis die Filtertechnik auf dem Markt ist, können Verbraucherinnen und Verbraucher andere Maßnahmen ergreifen, um möglichst nachhaltig zu waschen. Wer die Wäsche nicht allzu stark beanspruchen und den Abrieb reduzieren wolle, könne mit geringer Schleuderzahl waschen und „die Waschmaschine möglichst nicht vollstopfen“, erklärt Ilka Gehrke. „Aber die Effekte sind da nicht allzu groß.“
Zusätzlich helfe beim Kleidungskauf ein Blick auf das Etikett des Kleidungsstücks. Hinter den Begriffen Polyester, Polyamid, Polyacryl und Nylon etwa verbergen sich Kunststofffasern. Oft werden sie auch mit Naturfasern wie Baumwolle gemischt. Wer also gar nicht erst Kleidung mit Mikroplastikanteil kauft, der gibt bei der Wäsche auch weniger synthetische Fasern ins Abwasser ab.
Da der Fischkiemen-Filter einen Beitrag zum Umweltschutz leisten soll, legen die Forschenden von „Fish Flow“ auch bei der Produktion selbst Wert auf Nachhaltigkeit, betont Ilka Gehrke. Das Bundesforschungsministerium fördert das Projekt für ein Jahr mit rund 500.000 Euro.
Vier Kilogramm Mikroplastik pro Person
„Fish Flow“ ist ein Projekt der Universität Bonn, des Fraunhofer Umsicht in Oberhausen und der Firma Hengst, die Filtertechnologien unter anderem für die Automobilindustrie herstellt. In Bonn finden die biologischen Untersuchungen statt. Dort wird auch der Prototyp entwickelt. Oberhausen übernimmt den Part der Simulation und der Versuche. Nach Schätzungen des Instituts Fraunhofer Umsicht setzt jede in Deutschland lebende Person im Jahr rund vier Kilogramm Mikroplastik frei. Eine Quelle ist die Waschmaschine, aber auch der Reifenabrieb beim Autofahren oder Sport auf Kunstrasen oder Granulat.