Oberhausen. Auf 200 Plattenhüllen zeigt die Kabinettsschau im Schloss Oberhausen, wie sich die Comic-Zeichner für Rockstars und Indie-Bands begeisterten.
Der Glamour der sexy Seventies versprüht immer noch sein schweres Patschuli-Aroma. Er lässt nicht nur ABBA als Avatare auferstehen, sondern auch das Publikum in die Erstbesichtigung der „Vinyl!“-Ausstellung strömen. Dabei füllt diese Schau von Comic-LP-Covern nur einen einzigen Raum der Ludwiggalerie. Doch den ließ der Sammler und Gast-Kurator Eckart Sackmann in eine nostalgische Rockdisco verwandeln.
In gedämpfter Lautstärke, wie sie einem Museum wohl angemessen ist, improvisiert hier Jimi Hendrix zu „Purple Haze“, und die bewegten Blubberbilder von „Ed’s Amazing Liquid Lightshow“ visualisieren dazu den Purpurdunst. Schließlich ging’s zum Ausgang der 1960er richtig los mit der „lauten Literatur“, wie der Kenner und Mitbegründer des Erlanger Comic-Salons die „neunte Kunst“ nennt. Ganz frühe Schallplatten, etwa mit Hörspielfassungen von Superhelden-Comics, lässt Eckart Sackmann für seine Sammlung nicht gelten.
Für ihn beginnt die Zeichenkunst zur grellen Rock-Vermarktung mit jenem Auftrag, den Janis Joplin 1967 dem derben Underground-Genie Robert Crumb erteilte: Song für Song illustrierte er die sieben Titel des Albums „Cheap Thrills“ – und hätte alleine für das Bildchen zu „Summertime“ wohl heute Ärger mit den Hütern der Political Correctness.
Auch „Wir sind Helden“ verneigt sich vor Hergé
In der „St. Petersburger Hängung“ dieser 200-Alben-Schau ist dieses Kleinod noch nicht einmal besonders hervorgehoben: Die größten Namen der vor allem in Frankreich und Belgien hoch verehrten „Bande dessinée“ hängen hier dicht an dicht. Und sie zeichneten beileibe nicht nur für die Größten der heroischen Rock-Jahrzehnte.
Im Katalogband steckt die komplette Sammlung
„Vinyl! Die Comic-Cover“ bleibt bis zum 8. Mai in der Ludwiggalerie zu sehen – von nächster Woche an umgeben von der Doppel-Ausstellung für Rudolf Holtappel und Walter Kurowski. Der Eintritt kostet 8 Euro, ermäßigt 4 Euro, als Familienticket 12 Euro. Online informiert ludwiggalerie.de
Der Katalog, erschienen im Verlag Comicplus, präsentiert auf 112 Seiten alle 350 Comic-Cover der Sammlung Sackmann und kostet in der Ausstellung 20 Euro.
Denn wer kennt schon dänische Bands – außer Volbeat? „Gasolin“ waren in den frühen ‘70ern in ihrer Heimat groß – und doch überrascht, dass der weltberühmte Hergé ihnen den Nachdruck einer „Tim und Struppi“-Szene in Klappcover-Größe gestattete. Den bezaubernden Zeichenstil der „Ligne claire“ adaptierten die Indie-Popper von „Wir sind Helden“ 33 Jahre später kongenial für ihr Album „Von hier an blind“. Doch sämtlichen verschlungenen Comic-Pfaden konnte auch ein Kenner wie Sackmann nicht mit einer Einraumschau nachgehen.
Sein überraschend schlichtes Ordnungsprinzip sind die Nationalitäten der Zeichner. Mit der Folge, dass der damals 27-jährige David Bowie mit seinem Album „Diamond Dogs“ bei den Belgiern landet: Guy Peellaerts zeigt in Airbrush-Kunst den androgynen Sänger als Chimäre aus Mensch und Hund – und musste das tierische Gemächt auf der LP-Rückseite wegretuschieren. Bowie hatte ganz andere Sorgen: Er hätte dieses dystopische Album gerne als Musical-Soundtrack für „1984“ herausgegeben. Doch die Witwe von Romancier George Orwell legte ihr Veto ein.
Erzählenswerte Anekdoten hängen an allen Alben
So hängen an fast jedem „Comic“-Album erzählenswerte Anekdoten, für die selbst dem 112-seitigen Bildband der Platz fehlt. Dem 71-jährigen Sammler geht’s mit „Vinyl!“ vor allem darum, ein Lebensgefühl wieder zu erwecken: als die teure Langspielplatte noch der Tonträger schlechthin war. Im Zeitalter der zu 70 Prozent gestreamten Popmusik, bedauert Eckart Sackmann, „gibt es nichts, woran man sich gedanklich festhalten kann“. Die nicht nur in Zeitschriften wie „Mint“ dokumentierte Renaissance des LP-Kults – auf preislich so hohem Niveau wie im Aufwand für die gehaltvolle Ausstattung – erwähnte der Comic-Enthusiast nicht.
Er machte aber deutlich, dass ein grandios gezeichnetes Cover längst nicht immer auch grandiosen Inhalt ankündigt: „Die Musik entsprach häufig nicht meinem Geschmack.“ In einem speziellen Fall fehlte die Musik sogar zur Gänze. Das gilt für die allerliebste „Abbey Road“-Parodie der Ärzte: Bela, Farin, Rod und ein Pferd mit Hut schreiten über Londons berühmtesten Zebrastreifen – doch dieses „Cover“ war nur ein Werbe-Gimmick des Ehapa-Verlages, gedruckt in Mini-Auflage.
Nur die fetten Marshall-Boxen fehlen
Für Eckart Sackmann, der betont, „es gibt hierzulande noch keine Sammler-Szene“, kommt derlei wohl einem Ideal nahe: pure grafische Kunst – ohne irritierenden Lärm nach Noten. Den psychedelischen Soundtrack zur Ausstellung prägen denn auch in den Sixties gestartete Bands von den Rolling Stones bis zu Pink Floyd – und nicht etwa der etwas dünnflüssige Jazz-Pop von „Carmel“, nur weil Serge Clerk das Trio so gekonnt zu Comic-Figuren stilisierte. Eckart Sackmann wünschte sich sogar fette Marshall-Boxen in der Mitte des Ausstellungsraumes. Er fand leider keinen Leihgeber. Schicke Schallplatten lassen sich doch leichter aufstöbern.