Oberhausen. Eine neue Beratungsstelle der Diakonie verhilft obdachlosen Frauen wieder zu einer eigenen Wohnung. Rund 200 Betroffene allein in Oberhausen.
Tannenbaumkauf und Festtagsbraten: davon kann Ute nur träumen. Die 68-Jährige lebt auf der Straße, zieht tagsüber mit Sack und Pack durch Oberhausen. Ihr sehnlicher Wunsch nach einer eigenen Wohnung könnte sich aber auch für Ute bald erfüllen – dank der neuen Fachberatungsstelle für Frauen in Wohnungsnot der Diakonie an der Elsässer Straße 18. Dort beraten nun die Sozialarbeiterinnen Sarah Knappmann und Kristin Neumann die knapp 200 Frauen ohne festen Wohnsitz in Oberhausen.
Nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. hat sich der Anteil der obdachlosen Frauen in Deutschland innerhalb der letzten 20 Jahre nahezu verdoppelt. Offiziell gibt es aktuell etwa 60.000 Betroffene. Doch die Dunkelziffer ist groß. Auch in Oberhausen steigen die Zahlen stetig. Auffällig ist, dass immer mehr alleinerziehende Mütter und ihre Kinder in Wohnungsnot geraten. Entsprechend sank das Durchschnittsalter der Hauptgruppe der betroffenen Frauen auf 30 bis 39 Jahre. Auch diese Fakten überzeugten den Landschaftsverband Rheinland und die Stadt Oberhausen letztlich, die Finanzierung der neuen Beratungsstelle zu übernehmen.
Kaum im Straßenbild sichtbar
Frank Bremkamp, Leiter des Bereichs Wohnungslosenhilfe bei der Diakonie: „Obdachlose Frauen sieht man eher selten im Straßenbild, sie sind besser vernetzt und kommen lange Zeit bei der Familie, Freunden oder Bekannten unter.“ Dieses Phänomen wird in Fachkreisen „Couching“ genannt und endet immer wieder auch in Beziehungssituationen, aus denen die Frauen geflüchtet waren: „Gewalt spielt da eine große Rolle.“
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Diese Fälle sind bekannt. Die knappen Notfallplätze in den chronisch unterfinanzierten Frauenhäusern auch. Doch was bislang kaum in die Öffentlichkeit drang: Oft genug war es die ganz normale Trennung vom ganz normalen Partner, die die Frauen ins Elend stürzte. „Denn viele hatten zum Beispiel ihre eigene Wohnung aufgegeben, um zu ihrem neuen Freund zu ziehen“, erzählt Knappmann. Sie hätten einfach nicht daran gedacht, dafür zu sorgen, ebenfalls im Mietvertrag aufgenommen zu werden. „Ging dann die Partnerschaft in die Brüche, mussten sie die Wohnung räumen und standen ohne festen Wohnsitz da.“
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Ein wachsendes Problem stellen aber auch die knappen Altersrenten vieler Frauen da. „Stirbt der Ehemann, reicht das Geld oft nicht mehr, um die gemeinsame Wohnung weiter zu finanzieren“, weiß Neumann. Trauer oder Depression führten in solchen Situationen auch in Oberhausen immer wieder dazu, dass die Hinterbliebene erst die vielen Mahnbriefe nicht mehr öffnet – „und am Ende vor der Zwangsräumung steht“.
Keine Meldeadresse, keine Sozialleistungen
Wer aber einmal ohne festen Wohnsitz ist, hat auch keine Meldeadresse mehr für die sonst möglichen Sozialleistungen. „Und verliert darüber hinaus auch noch seine Krankenversicherung“, führt Knappmann aus. Ein Teufelskreis, aus dem sie und ihre Kollegin den Betroffenen heraushelfen wollen. Indem sie ihnen über „Lore“ wieder zu einer Meldeanschrift verhelfen und damit auch zur Rückkehr in den Krankenschutz. Indem sie gemeinsam mit den Frauen die Wohnungsanzeigen in Zeitung und Internet durchforsten, Mails und Briefe aufsetzen.
Männer müssen draußen bleiben
Die neue Fachberatungsstelle der Diakonie für Frauen in Wohnungsnot ist montags, dienstags, donnerstags und freitags von 8.30 bis 12 Uhr sowie mittwochs von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Telefonisch erreichbar sind die Mitarbeiterinnen unter 0208-30201425.Das Angebot richtet sich an Frauen, die bereits wohnungslos sind, Angst haben, ihre Wohnung zu verlieren, die eine geeignete neue Wohnperspektive suchen oder die sich einfach mal in Ruhe in einem geschützten Raum unterhalten wollen. Männern ist der Zutritt verboten.
Die Beratungsstelle soll sich als feste Anlaufstelle für Frauen in Not etablieren. Es gibt dort eine kleine Küche, in der die Frauen sich eine warme Mahlzeit zubereiten können, eine Kleiderkammer, eine Dusche und Waschbecken. Waschmaschine und Trockner stehen bereit. „Lore“ soll ein Ort sein, an dem die Frauen auch einfach mal zur Ruhe kommen können, sich austauschen und gegenseitig unterstützen können. „Es kommen immer mehr Betroffene, die wir in der Wohnungslosenhilfe an der Grenzstraße noch nie gesehen hatten“, freuen sich die beiden Sozialarbeiterinnen.
Auch Ute konnten sie übrigens schon weiterhelfen, zunächst mit der Unterbringung in einer vollstationären Maßnahme. Später aber vielleicht auch mit der so lange herbeigesehnten Wohnung.