Oberhausen. Nach dem Umzug sucht ein Oberhausener für seine kranke Frau einen neuen Hausarzt – doch zehn Praxen erteilen ihm eine Abfuhr. Darf das sein?
Damit hat Hubertus Prinz (72) nicht gerechnet: Gerade erst war er mit seiner Frau zurück nach Oberhausen gezogen. Die 71-Jährige ist seit einem Jahr schwer krank und dringend auf ihre Medikamente angewiesen. Doch der Oberhausener konnte trotz langer Suche einfach keinen neuen Hausarzt finden. Die Tabletten drohten auszugehen, in seiner Not alarmierte er den ärztlichen Notdienst.
Viele Jahre lebte das Ehepaar in Schleswig-Holstein – und war dort mit der medizinischen Versorgung bestens zufrieden. „Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass sich ausgerechnet das nach unserem Rückzug ins Ruhrgebiet ändern könnte“, erzählt der Oberhausener. Vor einem Jahr wurde bei seiner Frau eine Motoneuron-Erkrankung festgestellt. „Dabei handelt es sich um eine seltene Krankheit des motorischen Nervensystems, Symptome sind eine fortschreitende Muskelschwäche, aber eben auch teils starke Schmerzen.“ Gegen die Schmerzen erhält die 71-Jährige Medikamente, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. „Das verschreibt kein Arzt mal eben so.“
Also telefonierte sich Prinz seit Anfang November die Finger wund – und war geschockt. „Ich habe zehn Arztpraxen angerufen und überall die gleiche Antwort erhalten: Aufgrund der aktuellen Situation könnte man keine neuen Patienten aufnehmen.“ Zwischenzeitlich aber hatte sich der Zustand seiner Frau derartig verschlechtert, dass der Oberhausener mehrfach auch den ärztlichen Notdienst einschaltete. „Ich musste jedes Mal die Krankenakten vorlegen und erst lange erklären, was sie denn hat, doch dann erhielten wir zumindest die nötigsten Medikamente.“ Denn die drohten ebenfalls auszugehen.
Ehemalige Hausärztin der Mutter nahm das Ehepaar an
Die Situation änderte sich erst jetzt, als Hubertus Prinz auf die Idee kam, die ehemalige Hausärztin seiner Mutter einzuschalten. „Sie hat sich unsere Geschichte angehört und uns als Patienten sofort angenommen, wir sind ihr so unendlich dankbar dafür!“ Doch in seine Erleichterung mischt sich auch ein bitterer Beigeschmack: „Meine Frau ist unheilbar krank, sie sitzt im Rollstuhl und trotzdem sind wir von so vielen anderen Praxen einfach abgewiesen worden, ohne auch nur ein einziges Mal einen Hinweis zu erhalten, an wen wir uns denn sonst wenden könnten.“ Der Oberhausener meint: „Die haben doch einen Eid geleistet, dieses Verhalten ist doch damit gar nicht vereinbar.“
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Hat er damit recht? Wir geben diese Frage an die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein weiter. „Grundsätzlich ist Vertragsärzten eine Ablehnung von gesetzlich versicherten Patienten nur in Ausnahmefällen möglich, zum Beispiel wenn ein gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient vorliegt, aber auch, wenn der Arzt die Versorgungskapazität seiner Praxis als ausgeschöpft ansieht“, sagt KV-Sprecher Christopher Schneider.
Eine Ausnahme bilden lebensbedrohliche Notfälle – hier darf kein Arzt eine Akut-Behandlung ablehnen. Die Frage der Dringlichkeit eines Arzttermins aber schätzt der Mediziner selbst ein. „Sollte ein niedergelassener Arzt tatsächlich einmal signalisieren, über keine weiteren Kapazitäten für neue Patienten zu verfügen, gelingt es nach unseren Erfahrungen meist immer durch kollegialen Austausch, die Versorgung in umliegenden Praxen sicherzustellen.“
In ähnlichen Fällen hilft die KV-Kreisstelle Oberhausen weiter
Bleibt dies allerdings aus, könnten sich Patienten auch an die für Oberhausen zuständige Kreisstelle wenden, um sich eine Alternativpraxis vermitteln zu lassen (Kontakt: telefonisch unter 0201-3841-6111 oder per Mail unter kreis.oberhausen@kvno.de). Das hatte auch Dr. Stephan Becker, Vorsitzender der Kreisstelle Oberhausen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, auf Nachfrage sofort angeboten.
Auch die Termin-Servicestelle kann unterstützen
Patienten, die keinen Hausarzt finden, können sich aber auch unter 116 117 telefonisch an die Termin-Servicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein wenden, um sich dort einen Behandlungstermin bei einer lokalen Praxis vermitteln zu lassen.
Ein Recht auf einen bestimmten Arzt in direkter Nähe oder einen sofortigen Arzttermin gibt es im vertragsärztlichen Bereich allerdings nicht. Die Arbeitsbelastung der niedergelassenen Haus- und Fachärzte ist durch die Pandemie aktuell extrem hoch.
Eine Behandlungspflicht gilt nach Angaben der Unabhängigen Patientenberatung übrigens nur für Vertragsärzte und Kassenpatienten – und nicht für Privatärzte ohne Kassenzulassung oder Privatpatienten. Hier greift die Vertragsautonomie: Ärzte können also selbst entscheiden, mit wem sie einen Behandlungsvertrag abschließen möchten. Ausgenommen davon bleibt aber immer der Notfall.