Oberhausen. Die Stadt Oberhausen hat die Chance, die wirtschaftlich gut aufgestellte Abfall- und Kanal-Firma WBO komplett zu kaufen – relativ günstig.
Seit 25 Jahren räumen die über 400 Beschäftigten der Wirtschaftsbetriebe Oberhausen (WBO) für die Bürger den Hausmüll, Papier- und Plastikabfall weg, putzen die Straßen und Fußgängerzonen, verlegen neue Abwasserkanäle. Doch im Jubiläumsjahr der 51-Prozent-Tochter der Stadt Oberhausen überlegen Rathaus-Führung und Ratspolitiker, ob sie nicht das gesamte Unternehmen kaufen, also auch noch die restlichen 49 Prozent erwerben sollen. Diese Anteile befinden sich noch in den Händen der gut verdienenden Entsorgungsfirma Remondis aus Lünen.
Entstanden im Feuereifer der neoliberalen Bewegung der 90er Jahre, sollten die Wirtschaftsbetriebe in den gemeinsamen Händen von Stadt und Privatunternehmer seit 1996 professionelle Effizienz mit sorgfältiger kommunaler Daseinsvorsorge kombinieren – das Ideale aus zwei Welten. Weitgehend finanziert wird die umfangreiche Dienstleistungspalette von Gebühren der Oberhausener Bürgerschaft.
Bisher ist diese Combo von außen betrachtet auch recht erfolgreich: Von Anfang an schrieb sie schwarze Zahlen, recht zuverlässig erwirtschaftet das Public-Privat-Partnership-Unternehmen (PPP) in den vergangenen Jahren rund vier Millionen Euro jährlich Gewinn. Den Ertrag teilen sich die beiden WBO-Eigentümer brüderlich. Die zwei Millionen Euro verwendet die Stadt dafür, dass die Defizite der städtischen Verkehrsbetriebe Stoag gedrückt werden, damit der Kämmerer nicht noch mehr Millionen für Busse und Bahnen ausgeben muss. So weit so gut?
Bei der letzten Vertragsverlängerung von Remondis mit der Stadt Oberhausen hat sich die frühere Kommunalspitze des damaligen Oberbürgermeisters Klaus Wehling (SPD) zusammen mit der Politik jedenfalls ausbedungen, im Jahre 2022 die WBO komplett übernehmen zu dürfen. Eine Entscheidung darüber muss die Politik bis spätestens Mitte des nächsten Jahres treffen. Als feste Kaufsumme für die 49-Prozent-Anteile vertraglich festgelegt wurde eine Million Euro.
Ist das wirklich ein einfaches Rechenspiel?
Angesichts der munteren Verdienstmaschine WBO auf den ersten Blick ein einfaches Rechenspiel: Während jetzt zwei Millionen Euro in die Taschen der privaten Eigentümer verschwinden, könnte die Stadt diesen Betrag zusätzlich Jahr für Jahr kassieren. Schon im ersten Jahr hätte sich der Kaufpreis bezahlt gemacht. Neben dem attraktiven Kaufpreis winken auch noch Effizienzgewinne: Wo sich heute noch der Eigenbetrieb Servicebetriebe Oberhausen (SBO), die frühere OGM GmbH, mit den Wirtschaftsbetrieben streiten, wo wer für Bürgersteig, Sandkasten-Umrandung und Rändern von Straßenbegleitgrün zuständig ist, könnte man künftig alles aus einer Hand organisieren. Ein besserer Service für Bürger also?
Kein Wunder, dass sich nicht nur die großen Fraktionen brennend dafür interessieren, ob sich so ein Kauf auch in der Realität für die Stadt auszahlen würde. Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU) lässt derzeit mit Fachleuten und Spezialberatern verschiedene Szenarien prüfen. Denn einfach ist die komplexe Geschichte nicht: Steuer- und Gebührenrecht, Abgabenberechnungen und Wirtschaftlichkeit müssen beachtet werden.
Denn würden die Remondis-Experten ausscheiden, würde auch erhebliches Wissen aus der Entsorgungsbranche verloren gehen. Verschiedene Freiheiten, wie lockerere und billigere Entlohnungen von Zeitarbeitskräften sowie Einkaufsroutinen, wären in Gefahr. Auch maßgeblich von Remondis an Land gezogene Verträge mit Gewerbetreibenden, wie die Müllbeseitigung für das Einkaufszentrum Centro, stünden auf der Kippe. Und würde es den WBO auch künftig gelingen, unter scharfer Konkurrenz der Wettbewerber die Ausschreibungen für die Abholung von blauen und gelben Tonnen zu gewinnen? Effizienzen gingen womöglich verloren: Die heute gemeinsam mit Remondis genutzte WBO-Werkstatt müsste die Stadt wohl alleine betreiben.
Löst sich der Gewinn der Wirtschaftsbetriebe Oberhausen (WBO) in Luft auf?
Mit anderen Worten: Es kann durchaus sein, dass der heutige Gewinn von vier Millionen Euro sich ein großes Stück weit in Luft auflöst. Und dann fehlt plötzlich der Stadt Geld für die Stoag – und der Haushalt würde belastet.
CDU und SPD schauen jedenfalls wohlwollend auf die Kaufabsichten der Stadt, wollen die Materie unabhängig durchprüfen lassen. „Das ist kein Selbstläufer, die Stadt muss darauf achten, dass auch die Gebührenfrage für die Bürger vernünftig gelöst ist“, meint CDU-Fraktionsgeschäftsführer Christian Benter. Und SPD-Amtskollege Joachim Bäumer: „Wir hegen gewisse Sympathien für die Überlegung, die WBO komplett zu übernehmen. Man hätte dann kürzere Wege und könnte Effizienzgewinne erzielen.“
Für eine Entscheidung haben die Stadtspitze und die Politik noch ein paar Monate Zeit. Derweil rührt die Remondis-Gruppe die Werbetrommel für diese besondere Partnerschaft mit sicheren Gewinnen: „Oberhausen profitiert von der absoluten Verlässlichkeit und Wirtschaftlichkeit der WBO. Wir überprüfen und optimieren ständig unsere Geschäftsprozesse in enger Zusammenarbeit mit dem kommunalen Partner und unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“, meint der von Remondis entsandte Co-Geschäftsführer Karsten Woidtke. „Das ist ein Erfolgsmodell.“
Doch von schönen Worten und bunten Bildern wollen sich die Oberhausener Polit-Verantwortlichen nach eigenen Aussagen nicht blenden lassen: Nur die Fakten der Gutachter und der eigenen Experten sollen zählen.
Meilensteine der WBO-Firmengeschichte
Von der Gründung 1996 bis zum heutigen Tag blicken die Wirtschaftsbetriebe Oberhausen (WBO) nach Einschätzung der Geschäftsführer Andreas Kußel (Stadt Oberhausen) und Karsten Woidtke (Remondis) auf zahlreiche Meilensteine in ihrer Unternehmensgeschichte zurück. Mit dem Bau des zentralen Betriebshofs an der Buschhausener Straße 2001 bündelte die WBO ihre Aktivitäten an einem Standort. 2005 entstand der WBO-Wertstoffhof, der seitdem jährlich von über 60.000 Bürgern besucht wird. Die Aufgaben der WBO sind seit 2006 auf die Bereiche Entsorgung, Stadtreinigung, Stadtentwässerung sowie Kanal- und Straßenbau konzentriert. Bereits 1998 nutzten die Spezialisten für Kanalplanung ein digitales Kanalinformationssystem. 2007 folgte das geografische Informationssystem (GIS). Darin hinterlegt sind das gesamte Kanal- und Straßennetz mit Katasterplänen und Videoaufnahmen aus Kanaluntersuchungen. 2019 führte die WBO ein Identifikationssystem für die Restmüll- und Biotonnen ein – für eine effizientere Verwaltung der über 50.000 Abfallbehälter im Stadtgebiet.