Oberhausen. Medizin orientiert sich an Männern. Die Frauengesundheitstage sollen aufklären. Corona verhindert das diesmal. Eine Perspektive gibt es dennoch.

Sie gehören in Oberhausen längst zu den Höhepunkten des Jahres und locken bis zu 200 Gäste an: die Frauengesundheitstage. Umso schwerer fiel es den Mitgliedern des Arbeitskreises Frauen und Gesundheit deshalb jetzt, die Veranstaltung erstmals komplett abzusagen. Die Corona-Pandemie hat ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Dafür starten sie jetzt gleich mit den Planungen fürs kommende Jahr durch. Denn sie wissen nur zu gut: Gerade im Hinblick auf das Thema Frauengesundheit läuft auch in Oberhausen noch immer viel zu viel schief.

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Dr. Christine Gathmann, im Arbeitskreis aktiv und außerdem für Pro Familia in Oberhausen als Gynäkologin tätig, sagt: „Die Medizin orientiert sich bis heute fast ausschließlich an Männern.“ Die Dosierung von Medikamenten wird auf Männer abgestimmt. Die Sicherheit bei Autounfällen mit einem Dummy im Durchschnittsmänner-Format getestet. Erkrankungen von Frauen auch von Oberhausener Hausärzten und selbst Hausärztinnen noch immer viel zu schnell als „psychosomatisch“ abgetan. „Geht ein Mann zum Arzt, steht gleich fest – der hat etwas Ernstes“, erzählt Gathmann. Bei einer Frau dagegen falle selbst bei chronischen Bauchschmerzen schnell die Diagnose: „Überfordert.“ Das ausgerechnet Bauchschmerzen bei Frauen aber auf eine Herzerkrankung hinweisen können oder anhaltende Zahnschmerzen sogar auf einen akuten Infarkt – das sei selbst bei so manchem Fachmediziner noch nicht angekommen.

Mit dem „Mythos Mutter“ aufgeräumt

Also betreiben die Mitglieder des Arbeitskreises vor allem eines: „Aufklärung“, fasst es Ute Schroer-Wülbeck vom Evangelischen Familien- und Erwachsenenbildungswerk Oberhausen, zusammen. Und dies bereits seit dem Jahr 2000 – immer im Rahmen der Frauengesundheitstage. „Damals starteten wir mit einer Veranstaltung rund ums Thema Brustkrebs durch“, sagt Schroer-Wülbeck. 150 Frauen strömten in die Aula des Heinrich-Heine-Gymnasiums. Danach fiel die Entscheidung: „Wir machen weiter“, erinnert sich Barbara Deckers-Strehl von der Katholischen Erwachsenen- und Familienbildung Oberhausen. Mit „Frauenherzen schlagen anders“, warfen die Arbeitskreis-Mitglieder später einen Blick auf die so ganz anderen gesundheitlichen Symptome von Frauen. Sie räumten mit dem „Mythos Mutter“ auf und zogen das Thema „Depression und Angst“ ans Licht der Öffentlichkeit. Ihre Themen läuteten sie mit Kinofilmen und Humor ein. Die Gästeliste war lang und illuster. Eine der letzten Veranstaltungen mit Fernsehmoderatorin Christine Westermann sollte alle Besucherrekorde brechen.

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Dann kam Corona. „Und mit der Pandemie ein Rückfall in alte Rollenbilder“, meint nicht nur Nicole Tewes von der Gleichstellungsstelle der Stadt. Wer kümmerte sich im Homeoffice um die Kinder und mutierte zur Hilfslehrerin? „Die Frauen natürlich.“ Eine hohe Belastung. „Frauen sind in dieser Pandemie zu lange mit allem alleine gelassen worden“, ärgert sich Serap Tanis vom Zentrum für Integration und Bildung (ZIB) / Die Kurbel.

Nach dem ersten Kind ist alles anders

Ein Erfahrungswert des Arbeitskreises Frauen und Gesundheit: In der Regel leben junge Paare heute viel gleichberechtigter miteinander.Auch die Hausarbeit wird gerecht aufgeteilt. Allerdings kippt dieses Verhältnis in den Beziehungen, sobald ein Kind geboren wird. „Dann kehren die alten Rollenmuster zurück“, sagt Dr. Christine Gathmann.

Genau dies soll deshalb das Thema der nächsten Frauengesundheitstage werden: Die Einsamkeit der Frauen und wie sie wieder zurück ins Leben finden. „Wir wollen für möglichst viele Oberhausenerinnen ein Sprungbrett sein“, sagt Tanis. Die Vorarbeiten laufen bereits. Eines steht schon jetzt fest: „Die Frauengesundheitstage 2022 sollen wieder ein echter Knaller werden.“