Oberhausen. Diese Frage spaltet Ärzte und Eltern in Oberhausen: Die Kinder gegen Covid-19 impfen lassen oder nicht? Hier sind Argumente dafür – und dagegen.
Kinder gegen Covid-19 impfen lassen oder lieber nicht? Diese Frage beschäftigt seit gut einer Woche viele Eltern und Kinderärzte auch in Oberhausen. Denn seit dem 7. Juni ist diese Impfung für Kinder ab zwölf Jahren möglich. Die Meinungen aber gehen auseinander.
Während sich etliche Eltern auf unserer Facebook-Seite für die Impfung aussprechen, wollen sich einige Mediziner lieber an die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) halten und nur vorerkrankte Kinder impfen. Auch Dr. Hassan Issa, Chefarzt der Klinik für Kinder und Jugendliche am Evangelischen Krankenhaus Oberhausen (EKO), hält die Studienlage bislang noch für zu dünn. Andererseits kann Issa aber auch die Eltern verstehen, die ihre Kinder sofort schützen wollen. „Denn Covid-19 kann auch für junge Menschen schwere Folgen haben.“
Die Ärzte des EKO haben es hautnah mitbekommen. Ihre Klinik hatte Anfang 2021 einen traurigen Rekord zu verzeichnen: Bundesweit waren dort kurzfristig die meisten Kinder mit PIMS in Behandlung. 15 kleine Patienten hatten stationär aufgenommen werden müssen. Dazu kamen vier weitere, die zuvor daheim eine leichte Corona-Infektion durchgemacht hatten, als Folge aber plötzlich ebenfalls Entzündungsreaktionen im gesamten Körper entwickelten. „Die Pädiatrische Inflammatorische Multisystem-Erkrankung, kurz PIMS, ist eine schwere Folgeerkrankung einer Corona-Infektion, die durch Gefäßentzündungen zu Hautausschlägen, Bauchschmerzen und Herzproblemen führen kann“, erläutert Issa.
Auch Kinder leiden unter dem Long-Covid-Syndrom
Damit nicht genug: Auch Kinder und Jugendliche können unter einem Long-Covid-Syndrom leiden, selbst dann, wenn sie von der Infektion zuvor kaum etwas mitbekommen haben. Experten schätzen, dass sich bis zu 20 Prozent aller Infizierten auch noch Wochen und teils Monate nach ihrer Erkrankung mit Kopfschmerzen, Müdigkeit, Gliederschmerzen, Atemproblemen, Gedächtnisverlust oder Konzentrationsstörungen herumplagen. „Mit der Inzidenz steigen auch diese Spätfolgen entsprechend an“, sagt Issa. Pro Woche behandelt die Kinderklinik am EKO noch immer rund vier solcher Fälle. Doch Issa weiß, bei den Abwägungen für oder gegen eine Impfung geht es nicht nur um die körperliche Gesundheit. „Kinder und Jugendliche haben auch psychisch viel mitgemacht und sehnen sich nach einem normalen Alltag.“
Unsere Oberhausener Leserin Nadine Zannoni ist sich jedenfalls schon jetzt sicher: „Sobald es geht, lasse ich meine Kinder impfen.“ Auch für Stefan Bongert gibt es keinen Zweifel: „Wir lassen unseren Sohn impfen, weil er an einer Muskelerkrankung leidet, die einen bösen Verlauf einer Infektion zur Folge hätte.“
Termine im Impfzentrum vereinbaren
Da die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) den Impfstoff von Biontech generell für alle Kinder ab zwölf Jahren freigegeben hat, treffen jetzt Eltern und Kinder gemeinsam die letzte Entscheidung.Nicht alle Kinderärzte aber ziehen da mit, sie impfen überwiegend Kinder mit schweren Vorerkrankungen. Sobald genügend Impfstoff vorhanden ist, könnten allerdings alle Impfwilligen auch ab diesem Alter einfach einen Termin im Impfzentrum vereinbaren.
Damit dürfte sein Sohn zu den Kindern mit schweren Vorerkrankungen zählen, für die die Stiko die Impfung auch ausdrücklich empfiehlt. „In diesen Fällen ist das natürlich sinnvoll, um schwere Verläufe zu verhindern“, bestätigt Issa. Noch keinen Anlass sieht er aber für eine generelle Impfung aller Kinder ab zwölf Jahren. „Bei einem Großteil der Kinder verläuft Covid mild.“ Zwar habe sich der einzige bislang von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) für Kinder ab zwölf Jahren zugelassene Impfstoff von Biontech als gut verträglich erwiesen. Die Sicherheitsüberprüfung ende aber nun einmal nicht mit der Zulassung. Es müsse auch danach untersucht werden, ob einzelne – selten auftretende – medizinische Ereignisse mit der Impfung in Zusammenhang stehen könnten.
92 Fälle von Herzmuskel- oder Herzbeutelentzündungen
So listet etwa das Paul-Ehrlich-Institut, das Arzneimittel erforscht und bewertet, deutschlandweit 92 Fälle von Herzmuskel- oder Herzbeutelentzündungen bei Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen nach einer Covid-19-Impfung auf. Mit Stand 31. Mai 2021 traten 69 Fälle nach der Impfung mit dem Biontech-Impfstoff auf, der in Deutschland mit bis dahin rund 40 Millionen Impfungen am häufigsten verimpft wurde. Sieben Fälle sind nach einer Impfung mit Moderna aufgetreten (knapp vier Millionen Impfungen), 14 Fälle nach Astrazeneca (bezogen auf rund neun Millionen Impfungen). Betroffen waren überwiegend junge Männer. Auch die US-amerikanische Gesundheitsbehörde CDC untersucht derzeit einen möglichen Zusammenhang, spricht aber von einem sehr seltenen Auftreten und milden Verläufen.
Der Verband der forschenden Pharmaunternehmen (vfa) weist darauf hin, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studien, die die Grundlage für alle Impfzulassungen sind, auch nach der Ermittlung der Wirksamkeit und Verträglichkeit weiter regelmäßig auf mögliche Nebenwirkungen untersucht werden müssen. Üblicherweise laufen diese Kontrollen über zwei Jahre. Dieser Zeitraum aber ist noch für keinen der in Deutschland zugelassenen Impfstoffe erreicht – weder bei Erwachsenen noch bei Kindern.
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