Oberhausen. Dank des digitalen Einsatzes auf vielen Kanälen ist das Oberhausener Buchgeschäft „Zweitbuch“ für den Buchhandlungspreis nominiert.
„Vorsicht Buch!“, ruft eines der schönen Plakate in der sonst so zurückhaltend-elegant eingerichteten „Zweitbuch“-Handlung: „Es macht eine Bettdecke zur Räuberhöhle.“ Nein, Lars Baumann musste sich auch nicht während der Monate des Lockdowns bibbernd und bangend die Decke über den Kopf ziehen. An der Schmachtendorfer Straße 155 herrscht nicht nur an den Markttagen Kommen und Gehen.
Der Eine lässt sich noch ausführlich am offenen Fenster beraten, die nächste Kundin freut’s, wieder an den Regalreihen entlang zu flanieren. Und der Buchhändler? Er genießt hörbar und sichtlich den direkten Kundenkontakt – obwohl das kleine „Zweitbuch“-Team gerade dank seiner Bemühungen in den diversen sozialen Medien wieder auf die Nominiertenliste des Deutschen Buchhandlungspreises vorgerückt ist. Bereits 2019 hatte Kulturstaatsministerin Monika Grütters das zehnjährige Bestehen des Ladens mit dem Understatement-Namen mit Urkunde plus Preisgeld versüßt.
„Manchmal wurde es ziemlich einsam“, sagt der 53-jährige Buchhändler rückblickend – und sieht vor allem große Unterschiede zwischen dem ersten 2020er Lockdown für sechs Wochen und den nur kurz unterbrochenen sechs Monaten seit Dezember. „Er hat alle mürbe gemacht.“ Baumann erkannt auch an sich selbst „eine gewisse Abnutzung“ – zumal er den Kolleginnen tunlichst „aus dem Weg ging“: Um kein Infektionsrisiko einzugehen, war man stets alleine im Geschäft. Auch die Verlagsvertreter schauten nicht mehr persönlich vorbei, sondern hielten allein digital Kontakt.
Anfangs nervös durchs Geschäft gelaufen
Wo bleibt das Positive? „Schon im ersten Lockdown“, erzählt Lars Baumann, „sind mir die vielen Initiativen aufgefallen: Unterstützt Eure lokalen Händler!“ Auch „Zweitbuch“ habe sich in diesen Wochen neue Kunden erschlossen. „Das Gute: Sie sind geblieben“ – zumal der übermächtig scheinende Riese Amazon zwischenzeitlich die Auslieferung von Büchern komplett gestoppt hatte. „Für uns eine Riesenchance.“ Der Buchhändler, der schon vorher den Online-Handel im Blick hatte und für den Facebook kein Fremdwort war, verstärkte also das digitale Marketing.
Statt im Laden den großen Büchertisch abzuräumen und Stühle aufzustellen für seine Stammkunden ging auch der eloquente Buchhändler unter die Fünf-Minuten Filmemacher. „Anfangs bin ich nervös durchs Geschäft gelaufen“, erzählt Lars Baumann – sah aber schnell ein, dass ruhige Bilder hier besser sind als hektisch bewegte. Trotzdem erlaubte sich der Rockfan eine kleine Hommage an die Großmutter aller Musik-Videos: Er ließ wie im Film zu Bob Dylans „Subterranean Homesick Blues“ einen Stapel Blätter mit Slogans zu Boden rieseln.
Ein erster „Langfilm“ mit gesammelten Lieblingsbüchern brachte es auf stolze 47 Minuten. „Es macht mir selbst wahnsinnig Spaß“, sagt Baumann. „Es wäre schade, diese Kanäle wieder versiegen zu lassen.“ Zudem erreiche „Zweitbuch“ via Facebook, Instagram oder Youtube ganz unterschiedliche Zielgruppen. Nur für TikTok fühlt sich der 53-jährige „zu alt“.
Guter Lesestoff kann nicht knapp werden
Einen der einst volltönend als „Bazooka“ angekündigten Hilfsfonds hat der Buchhändler nicht in Anspruch genommen – „zu heikel“. Als vorsichtiger Kaufmann sieht er die aktuelle Öffnung noch nicht als Dauerzustand. „Eine vierte Welle wäre fatal.“ Lars Baumann hat deshalb durchaus Verständnis dafür, dass NRW, anders als die große Mehrzahl der Bundesländer, die Buchhandlungen nicht als Grundversorger privilegiert hatte: „Wir sind nun mal das am dichtesten bevölkerte Land – Ruhr York – und sollten einfach vorsichtig sein.“
Guter Lesestoff könnte so oder so nicht knapp werden. Wie im Filmgeschäft erkennt auch der Buchhändler bei den Blockbustern „eine gewisse Zurückhaltung“ und weiß auch, das manche Indie-Verlage ihr Programm verkleinerten. „Doch die Fülle ist immer noch riesengroß.“ 2022, schätzt Baumann, werde es wieder über 80.000 Neuerscheinungen geben – und er verweist auf den geschätzten, alten Begriff der Sortiments-Buchhandlung: „Wir sortieren für unsere Leser aus.“ Der erklärte Literaturfreund, der seine Kunden gerne für Werke aus unabhängigen Verlagen – Häusern namens Cass, Lilienfeld oder Mandelbaum – begeistert, weiß alle Vielleser zu beruhigen: „Die Qualität hat nicht gelitten.“