Oberhausen. Über den Wolken: Zwei Klienten vom Alsbachtal Oberhausen sind im A320-Simulator im Flughafen Essen/Mülheim ihrer großen Passion nachgegangen.
Nach 30 Minuten im Simulator am Flughafen Essen/Mülheim hat Uwe Benkel den Airbus A320 sicher auf die Landebahn in Thessaloniki heruntergebracht. „Besser hätte der erste Flug gar nicht laufen können“, gibt es von Fluglehrer Mehmet Tural lobende Worte für den gelungenen Jungfernflug des Oberhauseners nach Griechenland. Der fragt direkt bei Markus Giesbers, seinem Betreuer vom Verein für körper- und mehrfachbehinderte Menschen Alsbachtal, nach: „Hast du die Landung auf Video aufgenommen?“ Natürlich ist alles im Kasten, genauso wie der Start der nächsten Reise in 10.000 Metern Höhe.
Die führt von Philadelphia Richtung New York. Thomas Walsch sitzt nun auf dem Kapitänsstuhl und hat genau aufgepasst, welche Knöpfe man drücken muss, um den Flieger in die Lüfte zu bekommen. Wie sein Freund Uwe Benkel, mit dem er gemeinsam in Schmachtendorf lebt, ist der Oberhausener vom Fliegen fasziniert. Nicht zuletzt dank einer besonderen Geburtstagsüberraschung im September 2019. „Wir sind nach Griechenland geflogen und der Pilot hat mir per Durchsage zum Geburtstag gratuliert“, berichtet Thomas Walsch stolz.
Corona-Pandemie hatte für Verzögerungen gesorgt
Die Leidenschaft zum Fliegen lässt sich auch bei Uwe Benkel in der Wohnung absehen. Modellflugzeuge, Bücher über das Fliegen oder die passende Mütze von Eurowings. „Die beiden kennen sich richtig gut aus“, weiß Markus Giesbers um die Passion seiner beiden Schützlinge. Eigentlich arbeitet Uwe Benkel bei der Lebenshilfe Königshardt in der Metallbearbeitung. „Aber heute hat man gesehen: die eigentliche Berufung scheint über den Wolken zu liegen.“
Schon seit Wochen haben sich die beiden Männer und ihr Betreuer Markus Giesbers auf diesen Tag gefreut. Dabei musste der Termin im Flugsimulator am Flughafen Essen/Mülheim schon einmal verschoben werden. Der Grund, wie könnte es auch anders sein: die Corona-Pandemie. „Das ist natürlich ein Thema, dass uns beim Alsbachtal schon lange begleitet und uns buchstäblich auf den Boden hat stehen lassen“, so Giesbers.
Hoffnung auf wieder mehr Normalität ist groß
Denn seit dem zweiten Lockdown im November 2020 mussten viele Aktivitäten bei der gemeinnützigen Institution ruhen. „Vor allem in Sachen Ausflüge war leider kaum etwas möglich“, meint Giesbers. Deshalb fielen Kinobesuche, Minigolf spielen, Kegeln oder Proben der Theatergruppe ins Wasser. „Da war alternativ immer nur der Spaziergang möglich. Aber auf Dauer scharrt man mit den Hufen und will wieder mehr erleben.“
Einer der letzten Ausflüge vor dem erneuten Lockdown ging beim Alsbachtal im vergangenen September zum Düsseldorfer Flughafen. „Ein richtig schönes Erlebnis“, erinnert sich Uwe Benkel gerne zurück, der wie Thomas Walsch vor kurzem zum zweiten Mal geimpft wurde. „Gerade durchs Impfen hoffen wir natürlich, dass jetzt schnell wieder mehr möglich ist und die Normalität zurückkehrt“, sagt Betreuer Markus Giesbers, der trotz der schwierigen Monate gemerkt hat, mit welcher „Akzeptanz und mit welchem Verständnis“ die körperlich- und geistig behinderten Menschen im Alsbachtal dieser Zeit entgegengetreten sind.
Über den Wolken, wo die Freiheit grenzenlos ist
Simulator am Flughafen Essen/Mülheim
Der Flugsimulator am Flughafen Essen/Mülheim befindet sich direkt im Flughafengebäude, mit freiem Blick auf das Vorfeld und die Startbahn. Terminvereinbarungen für einen Flug im Airbus A320 sind nach aktuellem Beschluss wieder jederzeit möglich, allerdings unter Einhaltung der Corona-Auflagen. So dürfen maximal fünf Personen aus maximal zwei Haushalten teilnehmen. Zudem bestehen eine Schnelltestpflicht (ausgenommen sind Kinder unter sechs, vollständig geimpfte oder nachweislich genesene Menschen) und eine Maskenpflicht in allen Räumlichkeiten. Mehr Informationen gibt es unter www.aerotask.de oder 0212/64 54 30 83.
„Ich habe da nie ein Hadern mit der Corona-Pandemie gespürt. Natürlich wurde immer wieder nachgefragt, wann ist wieder mehr möglich. Aber alle haben verstanden, dass es notwendig ist, die Lage mit der nötigen Ruhe zu akzeptieren.“ Giesbers merkt zudem, dass die Skepsis immer mehr der Zuversicht und Vorfreude gewichen ist – für das, was an Normalität in kleinen Schritten zurückkommt.
Den Anfang dazu machte ein kurzer Trip Richtung Thessaloniki und New York. Zwei Städte, denen man nicht allzu häufig innerhalb eines Tages einen Besuch abstattet. Für die drei Besucher vom Alsbachtal war es in jedem Fall ein ganz besonderer Ausflug, der schnell wiederholt werden soll. Möglicherweise dann nicht mehr in einem Simulator, sondern in einem echten Flugzeug. Über den Wolken, wo die Freiheit bekanntlich grenzenlos ist.