Oberhausen. Auf der sanierten Bebelstraße verblüfft eine erstaunlich breite Fahrradspur die Oberhausener. Sie diskutieren über Sinn und Unsinn des Radweges.
Als Bernd Fürten, 59, mit seinem Fahrrad auf der Bebelstraße vor einer roten Ampel hält, ist er sich nicht sicher, ob er sich jetzt noch auf dem Radweg befindet oder im Autoverkehr gelandet ist. Hinter ihm hupt ein Auto, dann hält ein Polizist auf einem Motorrad neben ihm. „Ist das hier ein Radweg“, ruft Fürten. Der Polizist zuckt mit den Schultern, zeigt in die Richtung, aus der er gekommen ist, und antwortet: „Dahinten pinseln die noch.“
Der frisch auf die sanierte Bebelstraße aufgetragene, recht breite Radweg ist für die Oberhausener offenbar noch keine Selbstverständlichkeit. Er erstreckt sich von der Concordiastraße bis zur einen Kilometer entfernten Roonstraße; Anfang und Ende sind eindeutig markiert. Die Bebelstraße verbindet Oberhausen mit Duisburg und Mülheim. Die ehemals vierspurige Straße teilt sich nun auf: Zwei Spuren – auf beiden Seiten eine – wurden in Radwege umgewandelt. Auf dem Asphalt verdeutlichen das Fahrradsymbole sowie rote und weiße Streifen. Doch was halten Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger davon?
Umfrage an der Bebelstraße: Wie stehen Oberhausener zum neuen Fahrradweg?
Radler Fürten überrascht mit seiner Meinung: „Die Stadt hätte sich das Geld sparen können.“ Die Neuerungen seien viel zu verwirrend. Er zeigt auf den alten Fahrradweg, der über den Bürgersteig verläuft: „Wieso reicht der alte Weg nicht?“ Fürten ist Industriereiniger, lebt in Duisburg und muss jeden Tag mit dem Fahrrad über die Bebelstraße fahren. „Ich fühle mich viel sicherer, wenn ich auf dem alten Radweg fahre.“
Die, die noch pinseln, sind zwei Arbeiter in orangenen Warnjacken. Einer heißt Axel Graeber und verstreicht zähe, rote Paste mit einem Spachtel auf der Fahrbahn. „Das ist Kaltplastik“, sagt er. „Wir können ihn nur auftragen, wenn es nicht regnet.“ Deshalb könne er noch nicht sagen, wann sie ihre Arbeiten abschließen werden. „Wir müssen ja noch auf der gesamten Strecke rote Streifen aufmalen.“
Der neue Radweg führt zu Stau, erzählt eine Anwohnerin
Tim Uder, 41, steht vor der Reha-Klinik an der Bebelstraße. Er kann die Kritik an dem Radweg nicht nachvollziehen. „Viele meckern nur, um zu meckern.“ Seit seiner Behandlung in der Klinik ist er schon oft mit dem Fahrrad über den neuen Radweg gefahren. „Die Oberfläche des alten Weges war viel zu huckelig“, sagt er. „Die vielen roten Markierungen auf dem Neuen zeigen, wo Gefahrenpunkte sind. Ich finde gut, dass der Radweg so übersichtlich ist.“
Die Anwohnerin Ursula Talg, 66, beobachtet vor Ort das Verhalten der Autofahrer und Radler: „Für viele ist der Radweg ungewohnt, die nutzen noch den alten.“ Problematisch sei, dass für Autos jetzt zwei Fahrbahnen fehlten. „Gerade im Feierabendverkehr knubbelt es sich. Ich will nicht wissen, wie viel Stau hier ist, wenn alle wieder aus dem Home-Office kommen.“
„Der Radweg ist gefühlt breiter als die Autospur – Irgendwann reicht’s auch!“
Jens Donsbach, 55, Trainer im Berufstrainingszentrum Rhein-Ruhr, formuliert skeptisch: „Der Radweg ist ja jetzt gefühlt breiter als die Autospur.“ Das sei auf der Teutoburger Straße auch so. „Irgendwann reicht’s auch.“ Als Autofahrer fände er das zu unübersichtlich. „Wenn ich abbiege, weiß ich nicht mehr, ob ich auf der richtigen Spur bin. Das nervt.“
Oberhausener radeln zu wenig
Mit einem Radverkehrsanteil von 6,5 Prozent liegt Oberhausen deutlich unter dem bundesweiten Schnitt von etwa 10 Prozent. Zum Vergleich: Spitzenreiter ist der Autoverkehr mit einem Anteil von rund 57 Prozent.
Der Regionalverband Ruhr (RVR) möchte langfristig im sogenannten „Modal Split“ bei Autos, öffentlichem Nahverkehr, Radfahrern und Fußgängern jeweils einen Anteil von 25 Prozent im Gesamtverkehrsaufkommen erreichen.
Dorothee Jankowski, 57, arbeitet in einer Tankstelle an der Bebelstraße: „Gegen den Klimawandel braucht man mehr Fahrradfahrer.“ Daher gefalle ihr der neue Radweg. Ähnlich sieht es auch Gabriele Sassenberg, 67: „Ein schöner Radweg ist auch psychologisch ein Argument, aufs Rad umzusteigen.“
Vor der Tankstelle fährt Fatima Rama ihr Kind im Kinderwagen über den Bürgersteig. „Ich bin wirklich froh, dass die Radfahrer jetzt nicht mehr so oft auf dem Bürgersteig fahren“, meint sie. „Kinder springen von einer Ecke in die andere Ecke. Ich hatte oft Angst, dass sie mit Radfahrern zusammenprallen. Es ist besser, wenn Radfahrer einen breiten Streifen auf der Fahrbahn haben.“