Oberhausen. Niedergelassene Ärzte in Oberhausen schlagen Alarm: So geht es aus ihrer Sicht in der Corona-Krise nicht weiter. Die Politik soll gegensteuern.

Die niedergelassenen Ärzte in Oberhausen fordern in einem Brandbrief an die Politik mehr Respekt für ihre tägliche Arbeit in der Corona-Krise. Die Stimmung in den Arztpraxen brodele, heißt es in dem mehrseitigen Schreiben an Politiker auf Stadt-, Landes- und Bundesebene.

„Insgesamt hat sich bei uns niedergelassenen Ärzten der Eindruck verfestigt, dass große Teile von Politik und Medien uns tiefes Misstrauen (oft garniert mit Sozialneid) entgegenbringen. In der Folge tun wir uns schwer, Menschen und Instanzen zu vertrauen, die uns misstrauen“, heißt es in dem am Montag veröffentlichten, detailreichen Protestschreiben.

Die Unterzeichner des Brandbriefs

Folgende wichtige Oberhausener Ärzte-Vertreter haben den Brandbrief an die Politik persönlich unterschrieben:

Dr. Stephan Becker, Vorsitzender der Kreisstelle Oberhausen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO).

Dr. Peter Kaup, Vorsitzender der Kreisstelle Oberhausen der Ärztekammer Nordrhein (ÄkNo);

Dr. Achim Horstmann, Vorsitzender Kreisstelle Oberhausen Hausärzteverband Nordrhein;

Dr. Tilmann Kornadt und Mahmoud Maysami, Vorsitzende QualiNetO.

Die Ärzteschaft führt ein aus ihrer Sicht prägnantes Beispiel dafür an: Gewürdigt werde nicht die gute Arbeit in den Praxen, sondern: „Geschaut wurde auf die Verwendung der am Abend eines langen Impftages übrig gebliebenen vielleicht vier Impfstoffdosen. Vorgaben und Verhaltensweisen von Politik und Medien haben hier eine Blockwartmentalität befördert, die nur als unwürdig bezeichnet werden kann.“

Zu viel Bürokratie, zu wenig Anerkennung

In beispielloser Weise seien die Praxen mit einer Flut von Vorschriften konfrontiert worden, die alles viel zu kleinteilig regeln – von den Testungen bis zur Impf-Priorisierung. Dabei seien die Zehntausende Impfungen, die Praxisärzte und ihr Personal in mobilen Teams (zusätzlich zur Arbeit in den Praxen) unter zeitweise sehr ungünstigen Bedingungen erledigt hätten, kaum gewürdigt worden: „Milliarden öffentlicher Gelder flossen in die Krankenhäuser. Die Praxen wurden nicht nur nicht berücksichtigt, sondern mit zusätzlichen Anforderungen belegt, die private Investitionen forderten.“ Die niedergelassenen Ärzte loben allerdings die konkrete Zusammenarbeit verschiedener Organisationen in Oberhausen selbst - sie sei „überwiegend freundschaftlich und respektvoll“.

Dr. Stephan Becker zählt als Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung in Oberhausen zu den Unterzeichnern des Brandbriefs.
Dr. Stephan Becker zählt als Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung in Oberhausen zu den Unterzeichnern des Brandbriefs. © FFS | Christoph Wojtyczka

Mit Blick auf die Gesamtsituation stellen sie an die Bundes- und Landespolitik mehrere Forderungen: „Zunächst wünschen wir uns mehr Freiheiten bei unseren ärztlichen Handlungen im Zuge der Corona-Pandemie.“ Das gelte sowohl in Bezug auf die Diagnostik als auch auf das Impfgeschehen und die Therapie sowie die Begleitung von Patienten, die sehr lange unter den Folgen einer Corona-Erkrankung leiden. Das bedeute zugleich den Verzicht auf manche Detailvorschriften und Kontrollen.

Mehr Impftempo nötig

Die Impfungen müssen nach Ansicht der Oberhausener Ärtzevertreter rasch in die Arztpraxen verlagert werden, da Schnelligkeit und Masse vor Pingeligkeit gehen müsse. Die Beschränkung der Impfpraxen auf wenige Fachgruppen müsse dabei entfallen. In den Praxen müsse von der starren Priorisierung abgewichen werden können. Das Dokumentations- und Meldewesen sei drastisch zu vereinfachen und großzügiger zu handhaben. Die Ärzteschaft unterstreicht: „Es ist wichtiger, möglichst viele Personen täglich zu impfen, als diese Leistung taggleich zu melden.“

Zudem müsse der hohe bürokratische Aufwand bei den für Bürger kostenfreien PoC-Testungen zurückgenommen werden. „Meldungen sollten nur dann erfolgen, wenn ein Test positiv ausfällt.“ Ein einziges Formular sei dafür ja wohl ausreichend – und nicht wie jetzt mehrere.

Von den Politikern fordern die Mediziner mehr Einsicht und das Eingeständnis, dass bisher vieles nicht gut gelaufen sei: „Statt die eigenen Verhältnisse endlos schön zu reden, lohnt gelegentlich ein Blick auf andere Länder. Im Eingeständnis, dass wir Deutsche hier nicht alles am besten hinbekommen haben, zeigen sich Demut und Größe. Und es ermöglich einen neuen Kurs. Diesen wünschen wir uns. Wir möchten aktiv etwas ändern, damit die körperliche und seelische Gesundheit unserer Patientinnen und Patienten und der Bevölkerung nicht nur in unserer Stadt schneller gesichert wird und so ein Leben ohne die pandemiebedingten Einschränkungen wieder möglich wird.“