Oberhausen. Der Kampf um den Corona-Impfstoff läuft auf Hochtouren. Verlierer sind bereits jetzt auch schwerkranke Kinder in Oberhausen.

Kinder sind die Vergessenen der Pandemie, darin sind sich auch in Oberhausen immer mehr Kinderärzte einig. Während die Impfstoff-Entwicklung für Erwachsene auf Hochtouren läuft, ist ein geeigneter Impfkandidat für unter 16-Jährige nicht in Sicht - mit möglicherweise fatalen Folgen.

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15 Kinder mit Covid-19 mussten bislang stationär im Evangelischen Krankenhaus Oberhausen behandelt werden. Dazu kommen weitere vier Kinder, die zuvor daheim eine leichte Corona-Infektion durchgemacht hatten, als Folge aber plötzlich Entzündungsreaktionen im gesamten Körper entwickelten. „Diese Kinder wurden stationär mit der Pädiatrischen Inflammatorischen Multisystem-Erkrankung, kurz PIMS, aufgenommen“, sagt Dr. Eva Hahn, leitende Oberärztin der Klinik für Kinder und Jugendliche am EKO. Erstmals aufgefallen war diese Spätfolge zu Beginn der Corona-Pandemie in Italien und Spanien. Die kleinen Patienten hatten Symptome wie entzündete Blutgefäße, Fieber und Hautausschlag gezeigt. Auch die vier Kinder in Oberhausen erkrankten schwer. „Sie bekamen hohes Fieber, Bauschmerzen und Herzprobleme, alle vier sind bis zum jetzigen Zeitpunkt noch in ambulanter Behandlung.“

Die Folgen einer Corona-Infektion sind nicht absehbar

Sorgen macht sich die Oberärztin aber vor allem auch, wenn sie an Kinder mit Vorerkrankungen denkt. „In der Klinik für Kinder und Jugendliche behandeln wir beispielsweise Kinder mit dem Diabetes-Typ-1 und -2 und anderen selteneren Diabetesformen.“ Darüber hinaus würden im EKO auch Kinder mit angeborenem Herzfehler ärztlich versorgt. Beide Erkrankungen erhöhen bei Erwachsenen das Risiko für einen schweren Verlauf. Und bei Kindern?

„In Bezug auf Diabetes-Erkrankungen stimmt diese Aussage so nicht“, kann Hahn beruhigen. Kinder, die an Diabetes-Typ-1 erkrankt sind und eine gute Stoffwechseleinstellung haben, scheinen – im Gegensatz zu älteren Typ-2-Diabetikern – „kein erhöhtes Risiko für eine schwere Covid-19-Erkrankung zu haben“. Für eine entsprechende Beurteilung bei Herzerkrankungen sei die aktuelle Datenlage aber noch zu dünn. Als Risikofaktor auch im Kindesalter erweist sich nach Angaben von Oberhausener Kinderärzten allerdings in jedem Fall Asthma oder eine Lungenerkrankung.

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Hahn schließt sich deshalb der dringenden Forderung des deutschen Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte an, die Entwicklung eines geeigneten Impfstoffes für Kinder zu beschleunigen. Für die Oberärztin ist klar: „Wenn es einen geeigneten Impfstoff gibt, dann sollten schwerkranke Kinder zuerst geimpft werden.“

Eine Impfung für Kinder hätte aber noch einen weiteren Vorteil: Sie könnte helfen, Kitas und Schulen dauerhaft wieder zu öffnen. „Kinder und Jugendliche haben es in der Pandemie besonders schwer, dass sie nun auch beim Impfen hintanstehen – und die Schulen deswegen weiter dicht bleiben – ist daher doppelt bitter“, sagte Thomas Fischbach, Präsident des deutschen Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, jetzt der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Fischbach forderte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) außerdem dazu auf, eine Freigabe des bereits verfügbaren Impfstoffs von Biontech für 16- und 17-Jährige zu veranlassen. Denn dieser Impfstoff würde auch schwerkranken Jugendlichen noch immer vorenthalten.

So weit sind die Corona-Impfstoffe für Kinder und Jugendliche heute

Für Minderjährige kann ein Impfstoff nur zugelassen werden, wenn er mit ihnen erprobt wurde, heißt es auf der Homepage des Verbandes der forschenden Pharma-Unternehmen in Deutschland (vfa). Bislang gebe es in der EU nur für einen Impfstoff (Biontech/Pfizer) eine Zulassung ab 16 Jahren. Für jüngere Minderjährige ist noch kein Impfstoff zugelassen.

Biontech hatte in der Phase III-Studie zur Erprobung des Impfstoffs von vornherein Teilnehmer ab 16 Jahren untersucht. In die Studie wurden außerdem ab Mitte Oktober 2020 noch zwölf- bis unter 16-jährige Teilnehmer einbezogen. „Sobald tragfähige Ergebnisse für diese Altersgruppe verfügbar sind, kann für diese Altersgruppe eine Zulassungserweiterung beantragt werden“, erläutert der Pharma-Verband.

Zehn Kinder verstorben

Die englische Zeitung Guardian berichtet, dass aktuell in Großbritannien wöchentlich bis zu hundert Kinder ins Krankenhaus kommen, die nach einer Covid-19-Infektion am Pädiatrischen Inflammatorischen Multisystem-Syndrom (PIMS) erkrankt sind. Die Kinder sind durchschnittlich elf Jahre alt.

In Deutschland sind nach Angaben des Robert-Koch-Instituts bislang zehn Kinder im Alter bis 14 Jahren an Covid-19 verstorben. Dazu kommen 79 Todesfälle unter den 15- bis 34-Jährigen. Die Altersgruppe der 15- bis 18-Jährigen hat das RKI nicht separat erfasst.

Impfstoffhersteller Moderna hat ebenfalls eine Studie mit Jugendlichen ab zwölf und bis unter 18 Jahren gestartet. Auch die Firma Janssen führt mit ihrem Impfstoff seit August 2020 eine Phase II-Studie mit Teilnehmern ab zwölf Jahren durch. Ergebnisse stehen noch aus.

Für die Impfstoffe von Biontech, Moderna, Astra-Zeneca und Janssen sind immerhin bereits pädiatrische Entwicklungspläne von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) verabschiedet worden. Diese verpflichten die vier Hersteller, ihre Impfstoffe für Kinder von Geburt an bis unter 18 Jahren zu erproben. Hört sich gut an. Fakt ist aber: Die Ergebnisse werden wohl erst bis Juli 2024 oder Dezember 2024 vorliegen. Dazu kommt: Für den Start der pädiatrischen Studien von Astra-Zeneca und die Studien mit Kindern unter zwölf Jahren der übrigen Hersteller gibt es noch gar keine Termine.