Oberhausen. Der Leiter der Neuapostolischen Kirche Westdeutschland, Rainer Storck, wurde in Oberhausen früh geimpft, obwohl er erst 63 Jahre alt ist.
Ein Mitglied der Neuapostolischen Kirche brachte es jetzt ans Licht: Auch in Oberhausen gab es bei einem Impftermin im Seniorenheim „Gute Hoffnung“ Führungskräfte, die früher geimpft worden sind als es in der Impf-Prioritätenliste vorgesehen ist.
Konkret handelt sich dabei um den Leiter der Neuapostolischen Gebietskirche Westdeutschland, Rainer Storck (63 Jahre alt) aus Rheinberg und dessen Ehefrau. Über diesen Fall berichtete auch die ZDF-Sendung Frontal 21 am Dienstagabend. In den frühzeitigen Impfgenuss kamen neben Strock nach Angaben des Gemeindemitglieds, das seinen Namen in der Öffentlichkeit nicht lesen will, aber auch weitere Mitglieder der Neuapostolischen Kirche: der Bezirksvorsteher des Bezirks Ruhr-Emscher sowie der Vorsteher der Gemeinde Oberhausen-Sterkrade.
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In die von der Bundesregierung per Verordnung geregelte erste Impfgruppe gehörte keiner davon. Denn dies sind erst einmal nur Menschen ab 80 Jahren. Zuerst sollten diejenigen eine Spritze bekommen, die in Pflegeheimen leben, und alle, die sie betreuen. Entsprechend starteten auch in Oberhausen im Januar die Impfungen in den Altenheimen. Die Senioren in der Sterkrader Einrichtung „Gute Hoffnung“ waren gleich am 1. Januar 2021 ganz vorne mit dabei. Einrichtungsleiter Stefan Welbers, der alle Oberhausener Altenheime auch im Krisenstab der Stadt vertritt, bestätigt die von dem Gemeindemitglied erhobenen Vorwürfe im Großen und Ganzen.
Einrichtungsleiter selbst rief die Seelsorger an
Er selbst sei es sogar gewesen, der die Seelsorger angerufen und zur unverhofften Impfung eingeladen hatte. „Unser ganzes Team stand an diesem Tag seit 6 Uhr früh unter einem extremen Stress“, erzählt Welbers rückblickend. Im Laufe des Vormittags, so gegen 10.30 Uhr, hätte ihn der Impfarzt darüber informiert, dass voraussichtlich noch Impfstoff übrigbleiben würde. „Damals ging man ja noch davon aus, dass aus einer Biontech-Ampulle nur fünf Impfdosen angefertigt werden können.“ Inzwischen seien sechs mögliche Impfdosen aus einem Behältnis offiziell anerkannt und würden auch so von den Impfteams eingeplant. Einmal verdünnt halte sich der Impfstoff aber höchstens sechs Stunden lang.
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„Mir blieb damit rund eine Stunde, um Impfwillige für die restlichen paar Dosen zu finden“, erzählt Welbers. Ein Senior aus dem betreuten Wohnen nebenan habe sich spontan bereiterklärt. „Von dem Mann hatten wir bereits einen Anamnesebogen erhalten, und wir wussten deshalb, dass er keine Vorerkrankungen hat, die gegen eine Impfung sprechen würden.“
Denn viel Zeit für lange Aufklärungsgespräche habe man einfach nicht mehr gehabt. Ein Polizist, der den Impftransport begleitet hatte, habe ebenfalls eine Impfdosis erhalten. „Dann fielen mir die drei Seelsorger ein, die in unserem Haus so häufig ein- und ausgehen – und doch auch einen engen Kontakt zu den Bewohnern haben.“
Die drei Geistlichen lehnten zunächst ab
Alle drei hätten zunächst abgelehnt und erst auf seine eindringliche Versicherung hin, sie würden niemandem etwas wegnehmen, das Angebot schließlich doch angenommen. Welbers betont: „Zu diesem Zeitpunkt konnte niemand ahnen, dass der Impfstoff durch die Lieferverzögerungen wenig später so knapp werden würde. Wir sind davon ausgegangen, dass alle – wie von der Bundesregierung angekündigt – nun zügig ihre Impfungen bekommen würden.“
Landrat, Bürgermeister und Führungskräfte der Feuerwehr
Auch der Bürgermeister von Hennef, Mario Dahm (SPD), 31 Jahre alt, ließ sich am 1. Januar 2021 in einem Seniorenheim gegen Corona impfen. Gleiches gilt für seinen Vorgänger als Bürgermeister, Klaus Pipke. Der 54-Jährige ist heute Chef des Deutschen Roten Kreuzes in Hennef.
Leitende Beamte der Feuerwehr in Hamburg wurden ebenfalls geimpft, unter anderem der Chef der Feuerwehrakademie und der Vorsitzende des Deutschen Roten Kreuzes im Stadtteil Harburg (gleich gemeinsam mit seiner Ehefrau). Auch der Landrat von Wittenberg, Jürgen Dannenberg, und sein Stellvertreter sollen schon geimpft worden sein. In allen Fällen gab es später Kritik an dem Verhalten in der Öffentlichkeit.
Das Gemeindemitglied, das die Vorgänge öffentlich gemacht hat, hält dagegen: „Man mag es schlicht nicht fassen, dass die überzähligen Impfdosen nicht lieber umgehend betagten Kirchenmitgliedern aus Oberhausen oder dem Bezirk Ruhr-Emscher angeboten wurden – wo bleibt denn da die Vorbildfunktion?“
Welbers räumt ein: Mit dem Wissen von heute hätten alle Beteiligten sicherlich anders gehandelt. „Aber in diesem Moment ging es wirklich ums unverzügliche Impfen oder Wegschmeißen.“ Rainer Storck hat sich auf der Homepage der Neuapostolischen Kirche inzwischen ebenfalls entschuldigt.