Fastenbrechen der alevitischen Gemeinde in Oberhausen: Eine zusätzliche Fastenzeit erinnert die Aleviten an die Ermordung der für sie wichtigen zwölf Imame: In diesem Jahr fiel diese Zeit in die christliche Weihnachtszeit.

Bei den Aleviten ist wirklich jeder willkommen. Das sagen die Mitglieder der Oberhausener Gemeinde nicht nur, sie meinen es auch so. Das merkt man sofort, wenn man die neuen Räume des Alevitischen Kulturvereins an der Rombacher Straße 17 betritt. Besonders am Sonntag: Da kamen kurz vor dem gemeinsamen Fastenbrechen noch einmal alle zusammen.

Im Zentrum des Glaubens steht der Mensch

Doch einen Schritt zurück: Wer sind die Aleviten überhaupt? Neben den Schiiten und den Sunniten handelt es sich um eine weitere, türkischstämmige Gruppe des Islam, die sich in einigen Punkten sehr deutlich von den anderen unterscheidet. „Mann und Frau sind bei uns absolut gleichgestellt”, erzählt mir Vorstandsmitglied Ertekin Aksünger beim Gang durch die neuen Räumlichkeiten. In der Tat: Kopftücher sieht man praktisch keine. Der Grund: „Bei uns steht der Mensch im Zentrum des Glaubens”, fügt der Geistliche des Vereins, Ali Celik, hinzu. Deshalb auch die liberale Einstellung, dass jeder willkommen ist, ganz gleich, welcher Religion er angehört. Auch äußerlich sind Unterschiede zu anderen islamischen Gruppierungen zu erkennen: Wer hätte in dem schlichten Gebäude eine Gemeinde erwartet? „Wir brauchen keine Moschee, wir können überall beten, denn Gott ist immer im Herzen”, sagt der Geistliche Ali Celik.

Auch die zwölftägige Fastenzeit ist eine Eigenheit der Aleviten. In diesem Jahr fiel sie direkt mit dem christlichen Weihnachtsfest zusammen. Vom 17. bis 28. Dezember durfte kein Fleisch gegessen werden und auch nur wenig Wasser getrunken werden. Diese Fastenzeit ist aber nicht mit dem Ramadan zu verwechseln. „Es ist eine Trauerzeit, die auf die Ermordung der zwölf Imame im Jahr 680 zurückgeht”, sagt Ertekin Aksünger. Besonders wichtig ist die Verehrung des Imams Ali, des Schwiegersohns des Propheten Mohammed. Deshalb auch der Name: Aleviten. Diese Verehrung Alis unterscheidet die Aleviten auch wieder von Schiiten und Sunniten.

Predigt auf Türkisch und auf Deutsch

Lebendige Gemeinde

Die Alevitische Kulturgemeinde Oberhausen gibt es seit 1993.

Sie ist gerade von der Marktstraße an die Rombacher Straße 17 umgezogen. Um die 150 Mitglieder zählt die Gemeinde derzeit – die minderjährigen Kinder der Familien nicht mitgezählt. Nach dem Fastenbrechen am Dienstag, 29. Dezember, wird auch eine Silvesterparty veranstaltet. Außerdem werden regelmäßig Kurse angeboten. Ein Frauenchor trifft sich regelmäßig an jedem Sonntag, die Jugendlichen können das Saiteninstrument Saz lernen oder im Bandraum Musik machen.

Der Sonntag ist der elfte Tag der Fastenzeit. Pünktlich um 17 Uhr bittet Ali Celik alle, sich zu setzen und ruhig zu werden. Zum Gebet werden beide Daumen auf den Tisch gelegt, der Geistliche spricht ein kurzes Gebet, in das die Gemeinde zwischendurch murmelnd einfällt. Dann darf gegessen werden: Zuerst eine Gemüsesuppe, dann Gemüse mit Kartoffeln und Reis. Kein Fleisch. Serviert wird das Essen von den Jugendlichen der Alevitischen Gemeinde. Nach dem Essen predigt der Geistliche auf Türkisch die Geschichte eines der Propheten und redet danach allen auf Deutsch ins Gewissen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.” Es klingt ein bisschen, als würde er das deutsche Grundgesetz und das internationale Völkerrecht predigen.

Egal ob Alt oder Jung – alle Generationen sind hier vertreten. Und so empfangen die Jugendlichen der Alevitischen Gemeinde am frühen Abend dann auch gleichaltrige Gäste aus Wuppertal. Was sie gemeinsam vorhaben? „Wir unterhalten uns”, sagt Eren Gökdemir (17) einfach. Das geht bestens im neuen Jugendraum, den sich die Jugendlichen mit gemütlichen Kissen selbst eingerichtet haben. Auch hier ist selbstverständlich jeder willkommen.