Oberhausen. Auch die Werkschau des Stadtkünstlers Walter Kurowski in der Panoramagalerie kann nur online eröffnen. Einiges ist dennoch zu sehen

Du hast keine Chance, nutze sie: Zu der für Sonntag angekündigten, aber vom Lockdown blockierten Eröffnung der ersten umfassenden Werkschau von Walter „Kuro“ Kurowski passt der alte Sponti-Spruch unbedingt. Schließlich bietet die Panoramagalerie im Kleinen Schloss mit ihrer schön geschwungenen Glasfront zum Kaisergarten die Chance, zumindest einige Aspekte aus dem reichen Schaffen von Oberhausens Stadtkünstler quasi als „Schaufenster-Ausstellung“ zu präsentieren.

Aus einer großen Wohnung voller Kunst im einstigen Osterfelder Postgebäude stammt der rund 3000 Werke umfassende Nachlass, den die Stadt 2017, kurz vor Kuros Tod, erworben hatte – und den Kerrin Postert als Kustodin im Archiv der Ludwiggalerie erschließt. Auch die Schau mit dem Dreiklang „Künstler, Karikaturist, Kulturlegende“ im Titel ist das Werk der 30-jährigen Kunsthistorikerin. Was also wählte sie für die Schauseite des weit geschwungenen Panorama-Raumes? Natürlich einige großformatige Naturstudien in Mischtechnik als Gruß in den Kaisergarten, dazu einen Pulk dahinjagender „Windsbräute“, denn diese illustrieren trefflich Kuros Faible für Aktzeichnungen.

Kuro wusste, wie er die Richtigen ärgert

Der zeitlebens politisch links engagierte Maler, Zeichner und Musiker ist „nach draußen“ mit vier seiner farbenfrohen Wimmel-Plakate vertreten – darunter auch jenes Poster, das ihm in Jahrzehnten als Karikaturist eine von zwei Niederlagen vor Gericht eingetragen hatte: Die Deutsche Bank verklagte den aus Kettwig stammenden Oberhausener, weil er ihren Frankfurter Hochhaus-Klotz in eine gigantische, rollende Profitkasse verwandelt hatte. Kuro wusste eben, wie er die Richtigen ärgern konnte.

Als Karikaturist von Wucht und Wirkung finden Kerrin Postert und Christine Vogt, die Direktorin der Ludwiggalerie, den Stadtkünstler (der einzige, den man in Oberhausen so nennt) in seiner Wahlheimat sogar unterschätzt. Ob es die großen Themen der Bundespolitik waren oder jene wöchentlich für die WAZ aufgespießten Ereignisse, die Oberhausen bewegten: Dem Meister des politischen Wimmelbildes hat die Kuratorin eigens den Kabinett-Raum neben dem Museumsshop eingerichtet. Überlebt hat sich eigentlich nur sein seit den 1920ern überliefertes Bild vom feisten Kapitalisten mit Specknacken – oder gerne auch als gieriges Krokodil mit Melone und Zigarre. Die heutigen Bosse sind doch stets schick und schlank.

Kämpferisch nicht nur in der kleinen Form

Sei’s drum, Kuro schätzte das Kämpferische nicht nur in der kleinen Form: Auch etliche seiner detailreichen Gemälde sind farbenglühende Protestnoten gegen die De-Industrialisierung im Revier: Da stolziert ein „Rostgockel“ über abendroter Brache, verwandelt sich das Geländer der Rheinbrücke mit den aufmarschierenden Hoesch-Arbeitern in das Todesantlitz aus Edvard Munchs „Der Schrei“.

Wie charmant und souverän sich Walter Kurowski durch die Kunstgeschichte zitierte, zeigt die Werkschau mit einer Auswahl seiner Programmblätter für das Jazzkarussell. Denn Kuro porträtierte nicht nur sämtliche eingeladenen Musiker, mit denen er am Kontrabass jammte, sondern schuf ebenso regelmäßig ein Reklame-Blatt für seinen treuen Sponsor: Mit berühmten Nackten von Michelangelos David bis zu Manets Schönheit beim „Frühstück im Grünen“ zeigte der virtuose Zeichner, dass sich diese Nudisten im „Hero – Hera“-Modehaus hätten einkleiden können.

Unbekümmert um seinen eigenen Nachruhm

Selbst das allererste Litho des erst 16-jährigen Folkwang-Studenten – es zeigt ein Fachwerk-Idyll aus dem Ruhrtal – belegt frühe Meisterschaft. Mit seinen großen Blättern von 1962, die Illustrationen und Gedicht-Verse von Puschkin und Tolstoi mit Feinsinn für Proportionen ineinander verzahnen „hat sich Kuro früh gefunden“, meint Kerrin Postert, „und blieb doch total vielfältig“.

Nur um seinen eigenen Nachruhm scheint der zeitlebens Umtriebige unbekümmert gewesen zu sein. Anders als beim wohlgeordneten Nachlass des Fotografen Rudolf Holtappel, den die Stadt ebenfalls vor vier Jahren erworben hatte, gab's für die Kuro-Kustodin ein kreatives Durcheinander zu ordnen. Und während seines 78-jährigen Lebens hatte der Künstler auch nur einen einzigen Karikaturen-Band selbst herausgegeben.

So ist denn das druckfrische Werk „Künstler, Karikaturist, Kulturlegende“ noch mehr als ein schön gestalteter Ausstellungskatalog: 120 Seiten mit Bildern einer gekonnt komprimierten Werkschau folgt hier nämlich auf weiteren 30 Seiten eine illustrierte Werkliste mit weiteren Gemälden, Zeichnungen und Plakaten. Christine Vogt versteht sie als ausdrückliche Einladung an andere Ausstellungshäuser: „Wir wollen gerne ausleihen!“ Schließlich provozieren wenige so gekonnt und ohne Talmi wie Kuro.

Info: Auch der Musiker Kuro bleibt unvergessen

„Wir hatten ein besonders schönes Begleitprogramm“, sagt Kerrin Postert bedauernd. Doch wer weiß: Noch sind’s einige Wochen bis zu den auf ludwiggalerie.de angekündigten Highlights, für dessen erstes am 11. März Kuros Tochter, die Jazzsängerin Eva Kurowski, sorgen soll – mit einer Lesung aus ihren Kindheits-Memoiren „Gott schmiert keine Stullen“. Und zum krönenden Ausklang wollen am 10. April Maria und Czeslaw Golebiewski im Gdanska einen „Kuro-Raum“ eröffnen.

Die Wirtsleute vom Altmarkt lieferten mit „Kuro im Gdanska“ auch einen liebevollen Essay für den Katalog, damit neben dem Zeichner und Maler auch der Musiker und Lebenskünstler nicht zu kurz kommt. Der 160-seitige Band zur Werkschau ist im Buchhandel für 29,80 Euro erhältlich und dürfte die Vorfreude auf die Ausstellung (die am Sonntag nur virtuell eröffnen darf) beträchtlich steigern.