Oberhausen. In Oberhausen versterben auffallend viele Menschen an oder mit einer Corona-Infektion – in Bottrop sind es deutlich weniger. Warum?
Das heimtückische Coronavirus gibt Stadtlenkern, Politikern und Fachleuten immer noch große Rätsel auf. So wünschen sich zwar die meisten Menschen verständlicherweise Erklärungen für negative oder positive Corona-Trends – doch in Wahrheit verläuft die Erforschung von Ursachen bemerkenswerter Phänomene in vielen Fällen ins Leere.
So ist nicht nur Lesern aufgefallen, dass Oberhausen nach einem drastischen Anstieg der Corona-Neuinfektionszahlen im Herbst bis hoch auf den Sieben-Tages-Inzidenzwert von 342 kurz vor Weihnachten nun sehr viele betroffene Patienten hat, die an oder mit Corona versterben. Während die Nachbarstadt Bottrop nur 29 Corona-Tote meldet, so sind es in Oberhausen bereits 161 (Meldestand: 10. Januar 2021 laut Landeszentrum Gesundheit NRW) – eine ziemlich traurige Zahl.
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Michael Jehn, Leiter des städtischen Krisenstabs, schaut mit den Fachleuten der Runde aus Feuerwehrleuten, Altenheimbetreibern, Krankenhaus-Leitern, Ärzten und Katastrophenschützern betrübt auf die negative Statistik. Noch im Frühjahr war Oberhausen bekanntlich (fast) ein Corona-Paradies – mit NRW-weit auffallend niedrigen Corona-Infektionszahlen. Ab Oktober war dies aus bisher unerfindlichen Gründen damit vorbei – Oberhausen setzte sich in NRW sogar zeitweise an die Spitze der Negativliste aller Landkreise und Großstädte.
Eine Erklärung dafür hat niemand, nachvollziehbare Hotspots gab es schon sehr schnell keine, fast gleichmäßig verlief die Entwicklung nach oben im gesamten Stadtgebiet. Genauso unerklärlich ist die hohe Todeszahl im Vergleich zu Bottrop. Nach Auffassung des Krisenstabes befindet sich tatsächlich Bottrop in einer Sondersituation. „In Oberhausen ist die Zahl der Sterbefälle im Verhältnis zur Einwohnerzahl im Vergleich mit anderen Städten wie Mülheim und Duisburg auf einem gleichen Niveau“, sagt Jehn.
So liegt diese Quote (Corona-Tote zu Einwohnerzahl; Stand: 8. Januar) in Oberhausen bei 0,074 Prozent, in Mülheim bei 0,077 Prozent und in Duisburg bei 0,079 Prozent. In Herne beträgt sie 0,061 Prozent, in Gladbeck (derzeit mit einer extrem hohen Inzidenzzahl von 363,7) exakt 0,058 Prozent, in Essen bei 0,043 Prozent – und in Bottrop äußerst niedrig bei 0,0230.
Weniger schwere Ausbrüche in den Altenheimen
Fragt man in Bottrop nach, so kann sich dort ebenfalls kein Verantwortlicher so richtig erklären, warum Bottrop relativ geringe Todeszahlen hat. „Es gibt keinen erkennbaren Grund dafür, dass in der Nachbarstadt Gladbeck die Zahl der Neuinfektionen so extrem hoch war, aber bei uns nicht. Wir haben einfach Glück gehabt, dass es nicht so schwere Ausbrüche in unseren Altenheimen gegeben hat. Letztendlich ist keiner gefeit davor, dass plötzlich die Corona-Zahlen nach oben gehen“, heißt es in Bottrop.
Stefan Welbers, Leiter des Sterkrader Altenheimes „Gute Hoffnung“ mit 80 Bewohnern und Sprecher aller 26 Oberhausener Altenheimbetreiber im Krisenstab, hält die Ausbreitung des Virus an bestimmten Orten für unkalkulierbar. „Überall gelten die gleichen Hygienekonzepte, überall werden die auch sehr strikt angewendet. Wir haben lange Zeit hier im Heim Glück gehabt und hatten keinen einzigen Corona-Fall – und plötzlich Mitte Dezember drei Infektionen“, meint Welbers. „Dass die Sterbezahlen in Oberhausen so hoch sind, kann man nicht erklären, sie sind aber leider für ganz Deutschland recht typisch.“ Zeitweise, kurz vor Heiligabend, waren allerdings Corona-Ausbrüche in 19 der 26 Oberhausener Altenpflegeheime zu beobachten.
Hohes Risiko für über 80-Jährige
Krisenstabsleiter Jehn verweist darauf, dass nach wie vor über 80-Jährige das höchste Risiko haben, an Corona zu versterben. Denn diese Altersgruppe verzeichnet von Beginn an die höchsten Todeszahlen: Jetzt sind es nach den Zahlen des Robert-Koch-Instituts (Stand: 8. Januar) 41 Männer und 71 Frauen in Oberhausen – das sind 112 von 157 Corona-Toten, die in Oberhausen ihren Wohnort hatten. Das ist ein Anteil von über 70 Prozent. 37 der an Corona verstorbenen Einwohner waren zwischen 60 und 79 Jahre alt (24 Prozent).
„Erst wenn es uns gelingt, die Risikogruppe älterer Bürger besser zu schützen, wird auch die Zahl der Todesfälle dauerhaft sinken“, prophezeit Jehn. „Deswegen beginnen wir ja auch mit den älteren Menschen mit den Impfungen.“ Am Sonntag werden insgesamt 2000 Oberhausener geimpft sein – allen voran die Altenheimbewohner und die Altenpfleger.
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