Oberhausen. Als Oberbürgermeister lenkt Daniel Schranz Oberhausen durch die Coronakrise. Doch was macht die Pandemie mit ihm persönlich? Ein Porträt.
Wann er zum ersten Mal vom Coronavirus gehört hat, weiß Daniel Schranz schon gar nicht mehr. Da gab es irgendwann Meldungen über eine neuartige Lungenkrankheit in China. Aber als Gefahr hat Oberhausens Oberbürgermeister das Virus zunächst nicht gesehen. „Das schwappt bestimmt nicht nach Europa“, hoffte er damals.
Rund ein Jahr später hat sich das Bild gewandelt. Corona ist allgegenwärtig; das Virus bestimmt unseren Alltag, versetzt Menschen in Angst und tiefe Trauer. Fast 150 Menschen sind in Oberhausen seit Ausbruch der Pandemie verstorben, Ausgangsbeschränkungen und Lockdown zehren am Nervenkostüm aller. Das Corona-Jahr 2020 hat auch Daniel Schranz tief bewegt.
Wir treffen das Oberhausener Stadtoberhaupt noch im alten Jahr zu einem Spaziergang im Revierpark in seinem Heimat-Stadtteil Osterfeld. Hier ist er oft unterwegs, mal mit seiner Frau, mal gemeinsam mit den drei Kindern. Hier schöpft er Kraft und findet einen Ausgleich zum stressigen Alltag. Hier fühlt er sich wohl und zu Hause. „2020? Kannse doch knicken!“ Zwei Osterfelderinnen kreuzen mit ihren Nordic-Walking-Stöcken unseren Weg, grüßen herzlich und legen für ein bisschen Smalltalk mit dem Oberbürgermeister ein kurzes Päuschen ein.
Mindesabstand und FFP2-Maske
Schranz wirkt gelöst, aber auch sehr achtsam. Er wahrt den Mindestabstand, bedeckt Mund und Nase auch im Freien mit einer FFP2-Maske, wenn sich andere Menschen nähern. „Das belastet schon sehr“, sagt er. Er vermisse es, anderen Menschen nah zu kommen, sich mit Freunden zu treffen, gesellige Abende mit ihnen zu verbringen. Diese Möglichkeit hat ihm das Coronavirus derzeit genauso genommen wie allen anderen.
Wobei seine Zeit für Privates in den vergangenen Monaten der Pandemie ohnehin immer weniger geworden ist. Neben seinen Amtsgeschäften hat er es sich zur Aufgabe gemacht, „die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Coronavirus aufzusaugen“, wie er sagt. Er hört den Podcast des Berliner Virologen Christian Drosten, er liest die epidemiologischen Bulletins des Robert-Koch-Instituts und die Berichte der Wissenschafts-Akademie Leopoldina. „Manchmal habe ich das Gefühl, nichts anderes mehr zu tun.“
Corona-Einschläge kommen immer näher
Corona ist allgegenwärtig. Und die „Einschläge“, wie Schranz sagt, kommen immer näher. Anfangs war die Gefahr abstrakt und weit weg. Mittlerweile haben entfernte Familienmitglieder eine Infektion durchgemacht. Auch in der Klasse seines achtjährigen Sohnes gab es einen Corona-Fall. In der Folge hat sich die Familie immer weiter eingeschränkt, Kontakt zu seinen Eltern und Schwiegereltern hält Schranz in der Regel nur noch telefonisch oder winkend aus der Ferne.
Er wisse, dass die immer strenger werdenden Regeln den Menschen viel abverlangen. Deshalb möchte er mit gutem Beispiel voran gehen. „Ich bin davon überzeugt, dass wir das Coronavirus nur dann bezwingen können, wenn wir ganz diszipliniert unsere Kontakte einschränken. Das Virus überträgt sich von Mensch zu Mensch.“
Es ist schwer, in Schranz‘ persönliche Gefühlslage vorzudringen. Er wirkt weder abweisend noch kühl, doch lässt er sich auch nicht all zu sehr in seine emotionalen Karten schauen. Auch in der Politik schätzt er die nüchternen Charaktere. Nicht verblüffend ist es da, dass er Bundeskanzlerin Angela Merkel so sehr lobt.
Emotionale Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel
Eine ungewohnt emotionale Bundeskanzlerin erlebte Schranz am 9. Dezember vor dem heimischen Fernseher. Im Bundestag hatte Merkel betont, wie sehr es ihr Leid tue, wenn Menschen unter den Kontaktbeschränkungen litten. Doch es gebe nun einmal keine andere Lösung. „Das unterschreibe ich voll und ganz“, sagt Oberhausens Oberbürgermeister.
Aber fährt nicht auch ein Stadtoberhaupt mal aus der Haut? Hat auch er nicht manchmal das Gefühl, als breche alles über ihn herein? Selbstverständlich gebe es auch solche Momente, sagt Schranz. 2020 hatte es in sich: Corona, Kommunalwahl und große Herausforderungen wie die Rekommunalisierung der Gebäudemanagement-Tochter OGM. Dazu dürfe er als Verwaltungs-Chef nie den Überblick verlieren, er müsse Prioritäten setzen und die Richtung weisen. „Eine ganz ordentliche Frequenz“, meint Schranz bewusst untertreibend zu den turbulenten Geschehnissen in diesem Jahr – und lacht dabei.
Christlicher Glaube gibt Zuversicht
"Ich blicke zuversichtlich ins neue Jahr", sagt Schranz. Doch woher nimmt er diese Zuversicht? Er verlasse sich auf drei Stützen: die Hoffnung auf die Wissenschaft, seinen christlichen Glauben als „Fundament, auf dem ich mich bewege“, und die Erfahrung der großen Solidarität, die er während der Corona-Krise erlebt habe. „Es mag abgedroschen klingen, aber im Krisenmodus wird deutlich, wie sehr wir alle zusammenhalten können.“ Stadt und Verwaltung täten alles dafür, Oberhausen aus der Krise zu führen.
Im Kommunalwahlkampf hatte Schranz klare Kante gegen Politiker am rechten Rand gezeigt und öffentliche Diskussionen mit Vertretern der AfD kategorisch ausgeschlossen. Wie hält er es mit Corona-Leugnern? „Ich weigere mich, das Spiel derer mitzuspielen, denen es um etwas ganz anderes als das Virus geht – nämlich darum, das Vertrauen in den Staat und die Gesellschaft zu erschüttern“, sagt der Christdemokrat. Er werde sich jeder Kritik stellen und die Corona-Maßnahmen jederzeit verteidigen. Er wolle aber nicht missionarisch wirken auf Menschen, die ohnehin nicht offen für einen ehrlichen Dialog seien.
Schranz hofft und wünscht sich sehr, dass die Corona-Krise im Laufe dieses Jahres überstanden sein wird. Was bleibt? „Die Erkenntnis, dass unsere Welt weitaus zerbrechlicher ist als wir alle wohl immer gedacht haben.“
>>> Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU) <<<
Oberbürgermeister Daniel Schranz wurde am 15. Oktober 1974 im Marienviertel geboren. Er hat sein Abitur am Heinrich-Heine-Gymnasium abgelegt und in Düsseldorf Neuere Geschichte, Wirtschaftsgeschichte und Politologie studiert.
2015 wurde Schranz zum ersten Oberhausener CDU-Oberbürgermeister nach rund 60 Jahren SPD-Hoheit gewählt. Im ersten Wahlgang holte er mit 52,5 Prozent die erforderliche Mehrheit, sein Konkurrent, Kämmerer und Kulturdezernent Apostolos Tsalastras, kam auf 37,7 Prozent.
Bei der Kommunalwahl 2020 wurde Schranz wiedergewählt, verfehlte mit 45,5 Prozent der Stimmen aber die absolute Mehrheit im ersten Wahlgang - und musste in die Stichwahl. Mit 62,1 Prozent der Stimmen ging er aus dieser als klarer Sieger hervor.
Seit 20 Jahren lebt Daniel Schranz mit seiner Frau und den 15, 14 und 8 Jahren alten Kindern in Osterfeld. Mit seiner Familie macht er regelmäßig Urlaub auf der Ostsee-Halbinsel Darß. Er mag trockenen englischen Humor und lacht auch gerne über Loriot. „Und wenn‘s angebracht ist, auch mal über mich selbst.“