Oberhausen. Die ersten 180 Senioren in Oberhausen wurden am Sonntag gegen das Coronavirus geimpft. Die Vorbereitungen der Massen-Impfungen sind immens.

Es ist nur ein kleiner Piks, die Corona-Impfung. Aber der organisatorische Aufwand dafür, die 180 ersten Dosen des Corona-Impfstoffs von Biontech/Pfizer zu verabreichen, war am Sonntag enorm. Im Seniorenheim Haus Abendfrieden an der Dieckerstraße im Schladviertel lief die Oberhausener Impfaktion an. Das mobile Impfteam der "Gesundheitspraxis", einer Hausarztpraxis aus der Nachbarschaft, ferner die Heimleitung und Mitarbeiter des Corona-Krisenstabs im Rathaus hatten vor und während der Weihnachtsfeiertage die Voraussetzungen dafür geschaffen.

+++ Sie möchten keine Nachrichten aus Oberhausen verpassen? Dann bestellen Sie hier den kostenlosen WAZ-Newsletter +++

Auf Umwegen war der Impfstoff am frühen Morgen, um 6.15 Uhr, aus Belgien von einer deutschen Spedition angeliefert worden. Zwei bis drei Stunden benötigte die ursprünglich auf minus 70 Grad tiefgefrorene Flüssigkeit dann, um auf Zimmertemperatur zu kommen. Zum Impfraum wurde der Speiseraum von Haus Abendfrieden umfunktioniert. Vor dem glitzernden Weihnachtsbaum hatten der niedergelassene Arzt Dr. Heinrich Vogelsang und Mitarbeiter des Heims Platz genommen. Sie hielten in Listen fest, wer gerade die Spritze bekommen hat. Patienten mit schweren allergischen Reaktionen oder solche, die Blutverdünner einnehmen, mussten mit Vorsicht behandelt werden. Dr. Vogelsang leitet die Impfaktion in Oberhausen aus ärztlicher Sicht.

Corona-Impfstoff hält aufgetaut nur wenige Stunden

In einem Nebenraum waren die beiden Arzthelferinnen Daniela Geese und Cordula Scholten mit Vorarbeiten fürs Piksen beschäftigt. In winzigen Fläschchen stand der Impfstoff vor ihnen. Sie gaben Kochsalzlösung hinzu und machten daraus jeweils fünf Impfportionen zu 0,3 Millilitern, die in Einmalspritzen aufgezogen wurden. Aber immer nur in den Mengen, die gerade benötigt wurden. Der Impfstoff hält aufgetaut nur wenige Stunden. "Wir impfen ihn sofort weg und gut is", sagte Dr. Vogelsang.

In der Zwischenzeit brachten Mitarbeiter des Pflegeheims die Bewohner in den Speiseraum, entweder im Rollstuhl oder am Rollator, seltener auch ohne. Ihre drei Ärzte hatte die "Gesundheitspraxis" aufgeboten, um hinter provisorischem Sichtschutz den Stich in den Oberarm zu setzen: Manuel Krey, den Inhaber der Praxis, seine Frau Nadine und Gerrit Holtkamp, dazu die weiteren Arzthelferinnen Almira Dominick und Julija Dulabic. Die Heimbewohner mussten nur einen Oberarm freimachen. Manuel Krey oder einer seiner Kollegen gaben aus einer Spraydose Desinfektionsmittel darauf, ehe sie die Spritze ansetzten.

Heimleiter geht mit gutem Beispiel voran

"Hat überhaupt nicht wehgetan", sagte nach ihrer Impfung Elvira Krapoth. Die 87-Jährige lebt seit zehn Jahren im Haus Abendfrieden und ist bei guter Gesundheit. "Ich habe vor der Impfung auch keine Angst gehabt", sagte sie. Nach dem ersten Durchgang nahm Josef Bergmann, der Leiter von Haus Abendfrieden, selbst hinter dem Sichtschutz Platz und ließ sich die Spritze geben. "Ich wollte mit gutem Beispiel vorangehen, halte es zur Zeit für den einzigen Weg, um das Problem Corona in den Griff zu bekommen", erklärte er anschließend. Nach Angaben von Dr. Vogelsang können wie bei jeder Impfung vorübergehend Müdigkeit oder Kopfschmerzen auftreten und eventuell ein Schmerz an der Einstichstelle.

Komplizierter als das Impfen an sich waren die Vorbereitungen, die dafür getroffen werden mussten. Sie lagen bei Jörg Brandenburg von der Feuerwehr. Zusammen mit Experten aus dem Corona-Krisenstab im Rathaus hatte er vor Weihnachten nach den Vorgaben der Bundesregierung zunächst vier Einrichtungen ausgewählt, in denen zuerst geimpft werden soll. Neben Haus Abendfrieden sind das Haus Bronkhorstfeld in Sterkrade sowie das Pflegeheim Gute Hoffnung leben, ebenfalls in Sterkrade, ferner ein Pflegedienst, der auch eine Beatmungsstation betreibt. Sie alle kommen in den nächsten Tagen zum Zuge.

1800 Impfdosen bis Silvester

"Oberhausen wurden bis einschließlich Silvester 1800 Impfdosen zugesagt", erklärte Beigeordneter Michael Jehn, der Leiter des Corona-Krisenstabs, am Sonntag. Auch er war zum Auftakt der Impfaktion gekommen. Allein im Haus Abendfrieden stehen rund 400 Personen zur Impfung an. Denn zu den Heimbewohnern kommen noch Senioren aus dem Betreuten Wohnen sowie insgesamt über 200 Mitarbeiter. Allein an der Dieckerstraße müssen dafür mehrere Impftage angesetzt werden.

Die Praxis von Manuel Krey ist das mobile Impfteam für Haus Abendfrieden, weil es das Haus auch hausärztlich betreut. Am Tag vor Heiligabend hatte Heimleiter Josef Bergmann den Internisten angerufen und gefragt, ob sein Team die Aufgabe übernehmen würde. Daraufhin trommelte Krey seine Mannschaft zusammen. Er rechnete allein für die Impfung am Sonntag mit sechs Stunden Dauer. Und in drei Wochen muss das Ganze dort wiederholt werden. "Erst sieben bis 14 Tage nach dieser Auffrischung ist eine 90-prozentige Immunisierung erreicht", erklärte Bergmann.

Ganz andere Vorbereitungen waren im Haus Abendfrieden zu treffen. Allein 92 der 172 Heimbewohner sind demenzkrank. Sie konnten die Entscheidung, sich impfen zu lassen, nicht selbst treffen. Die Zustimmung musste folglich vorher eingeholt werden, entweder von gerichtlich bestellten Betreuern oder von Angehörigen mit Vorsorgevollmacht. "Viele Berufsbetreuer waren aber über Weihnachten gar nicht zu erreichen", klagte Bergmann. Weniger als zehn Bewohner hätten die Impfung schließlich abgelehnt. "Aber der Aufwand war enorm". Dafür könnte in etwa vier Wochen, wenn der zweite Durchlauf abgeschlossen ist, im Haus Abendfrieden wieder der ganz normale Alltag einziehen.

>>> Info: Großprojekt Corona-Impfung

Allein für die Menschen, die in Oberhausen in Pflegeheimen leben, und für das Personal sind nach Angaben von Michael Jehn, dem Chef des Oberhausener Corona-Krisenstabs, rund 4500 Impfdosen erforderlich. Hinzu kommen die Beschäftigten von ambulanten Pflegediensten.

In einem zweiten Impfdurchgang ist dann das Personal der Krankenhäuser an der Reihe, außerdem Menschen über 85 Jahre, die noch selbstständig leben. Auch sie werden vorrangig geimpft.