Oberhausen. Das macht Corona tückisch: Viele bemerken nichts, sind aber ansteckend. Und das ist längst nicht alles, erklärt ein Oberhausener Infektiologe.

Es gibt sie tatsächlich: Die kuriosen Fälle, bei denen ein Familienmitglied sich mit dem Coronavirus infiziert und die anderen nicht. Doch wie kommt das? Was macht dieses neuartige Virus so ansteckend? Ein Thema, mit dem sich Dr. Klaus Becker, Infektiologe und Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Ameos Klinikum St. Clemens Oberhausen, fast täglich beschäftigt.

Wie kommt es, dass es selbst in Familien, die in einem Haushalt leben, Mitglieder gibt, die erkranken, und andere, die sich nicht infizieren?

Dr. Becker: Zwischen unterschiedlichen Personen besteht eine individuell unterschiedliche Empfänglichkeit gegenüber Krankheitserregern. Menschen mit Lungenvorerkrankungen, z.B. Raucher, oder abwehrgeschwächte Personen haben ein höheres Infektionsrisiko. Ferner kann bei Familienmitgliedern bereits eine Immunität gegen Sars-CoV-2 vorliegen, da diese die Infektion schon unbemerkt durchgemacht haben. Das ist auch der Grund, dass Familienmitglieder scheinbar nicht betroffen sind, aber in Wahrheit nur keine Beschwerden entwickeln.

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Gleichzeitig gilt Corona als hochansteckend, aber was bedeutet das überhaupt?

Anders als bei den meisten Virusinfektionen, die über den Atemwegstrakt übertragen werden, kommt es bei der Sars-CoV-2-Infektion nicht nur zur Übertragung mittels „Tröpfcheninfektion“ beim Anhusten oder Niesen (also größeren Partikeln, die schnell auf den Boden absinken), sondern auch zur Übertragung durch sehr viel kleinere Aerosole, die bereits beim normalen Atmen und Sprechen entstehen und zudem sehr viel länger in der Raumluft schweben und auch auf Oberflächen verbleiben können. Diese infektiösen Aerosole sind das Hauptproblem der hohen Infektiosität. Dazu kommt auch noch, dass sich ein signifikanter Anteil der Übertragung dieser Infektion bereits ein bis zwei Tage vor Symptombeginn abspielt, so dass das Virus verbreitet wird, bevor es die Betroffenen merken können. Es wird geschätzt, dass nur die Hälfte bis maximal zwei Drittel der Sars-CoV-2-Infizierten überhaupt Symptome ausbilden. Sie sind aber trotzdem Überträger. Und schließlich hält die Ansteckungsfähigkeit noch bis zu zehn Tage nach Symptombeginn an, wahrscheinlich sogar noch länger.

Immer wieder infizieren sich auch Ärzte und Pflegekräfte. Bedeutet das, dass die Schutzausrüstung doch nicht so gut funktioniert wie gedacht?

Jeder Mund-Nasen-Schutz reduziert - abhängig vom Typ - immer nur die Übertragungsrate an infektiösen Partikeln. Auch mit einer medizinischen Schutzmaske kann das Risiko nie völlig auf Null gesenkt werden. Man kann aber auch davon ausgehen, dass sich Ärzte und Pfleger auch in ihrem privaten Bereich infizieren.