Oberhausen. Polizeipräsident Alexander Dierselhuis hat sich nach dem Polizei-Skandal über die Situation in Oberhausen geäußert. Diese Maßnahmen gibt es.
Einige Polizeibeamte der NRW-Polizei, vor allem in Mülheim, haben jahrelang rechtsextreme Bilder und Nachrichten in privaten Chat-Gruppen ausgetauscht. Mehrere Fälle von Rechtsextremismus bei der Polizei kamen in den vergangenen Wochen ans Licht. In Oberhausen gab es auch eine Wohnungsdurchsuchung. Der Beamte war aber nicht bei der Polizei in Oberhausen tätig. Unsere Redaktion sprach mit Polizeipräsident Alexander Dierselhuis über die Lage in der Oberhausener Polizeibehörde.
Herr Dierselhuis, wie haben Sie die Situation wahrgenommen, als die Chatgruppe mit rechten Äußerungen bekannt wurde?
Alexander Dierselhuis: Ich finde es erschreckend, dass Vorfälle wie in den vergangenen Monaten in einer Sicherheitsbehörde möglich sind. In Oberhausen engagieren wir uns sehr stark gegen jedwede Form von Extremismus. Daher bin ich froh, dass wir – zumindest in dem uns bekannten Hellfeld – aktuell kein Problem identifizieren konnten. Für mich als Polizeipräsident ist das trotzdem nicht so einfach: Meine Beamtinnen und Beamten haben bei mir einen großen Vertrauensvorschuss – meiner Meinung nach zurecht. Ich kenne viele persönlich und sehe sie sehr engagiert und mit Herzblut ihrer täglichen Arbeit nachgehen und vertraue deshalb darauf, dass sie auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen. Aber plötzlich sieht man in der Nachbarstadt, dass etwas über Jahre unentdeckt blieb und dann stellt man sich natürlich die Frage: Ist mein Grundvertrauen gerechtfertigt oder kann so etwas auch hier passieren?
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Welche Maßnahmen gibt es in Oberhausen, um Rassismus und Extremismus vorzubeugen?
Es gibt ja die angekündigten Maßnahmen des Innenministeriums. Das ist schon ein großes Paket, das teilweise bereits vor den Vorfällen geschnürt worden ist und nun nochmals vergrößert wurde. Ich selbst habe ein aktuelles Lagebild für Oberhausen erstellen lassen. Außerdem war es mir sehr wichtig, die Botschaft: „Rassismus gehört nicht in mein Team!“ an meine Führungskräfte weiterzugeben, die dies wiederum in ihre Dienststellen getragen haben. Zudem haben wir kurzfristig das Thema unserer jährlich stattfindenden Führungskräftetagung angepasst und werden das Problem Extremismus in diesem Rahmen noch genauer beleuchten. Alle meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen sich intensiv mit dem Thema Rassismus und Extremismus auseinandersetzen.
Wie ist denn die aktuelle Situation in Oberhausen?
Ich habe für das Lagebild dreieinhalb Jahre zurückgeschaut, also von 2017 bis Ende Juni. In dieser Zeit gab es kein einziges Strafverfahren gegen Polizeibeamte des Polizeipräsidiums Oberhausen wegen Straftaten aus dem extremistischen Spektrum. Allerdings gab es drei Beschwerden von Bürgern, die den Polizeibeamten rassistisches Verhalten vorgeworfen haben. Zwei Beschwerden konnten im Gespräch mit den Betroffenen geklärt werden, eine Beschwerde wurde in der weiteren Bearbeitungsstufe im Innenministerium abgewiesen: Die Beamten haben sich korrekt verhalten. Wir betrachteten aber auch Fälle von Körperverletzung im Amt: 14 Strafanzeigen sind in dem Zeitraum erfasst. Aber wie bei jedem Tatverdächtigen gilt natürlich auch hier die Unschuldsvermutung. Von diesen 14 Anzeigen ist es nur ein einziges Mal zu einer Verurteilung gekommen. In zwölf Verfahren war die Staatsanwaltschaft oder das Gericht der Meinung, dass der Polizist unschuldig ist. Ein Verfahren läuft noch. Die potenziellen Opfer waren in drei der 14 Fälle Ausländer. Dies ist also keine überproportional hohe Quote.
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Sie sagen, dass es zu einer Verurteilung gekommen ist. Was war das für ein Fall?
In dem einen Fall hat nicht das Opfer eine Anzeige erstattet, sondern die Kollegen, die am Einsatz beteiligt waren. Es gibt immer die Frage nach einem Schweigekodex unter Polizisten. Hätten die Kollegen in diesem Fall geschwiegen, wäre nichts passiert, weil das Opfer die Sache selbst nicht angezeigt hat. Doch die Kollegen haben es getan und gesagt, dass es eine Gewaltüberreaktion war. Die Person, die kontrolliert wurde, hat massiv Widerstand geleistet und die Polizisten mit Pfefferspray besprüht. Nachdem der Mann gefesselt wurde, hat der verurteilte Beamte nachgetreten. Er war dann von dem vorherigen Kampf, der von Seiten der Polizei rechtmäßig war, so erregt, dass er nicht aufgehört hat, als der Widerstand gebrochen war. Er ist dafür zu Recht verurteilt worden. Das ist der einzige nachweislich rechtswidrige Angriff eines Polizeibeamten in den letzten dreieinhalb Jahren, der durch die Kollegen aufgeklärt wurde.
Welche Schlüsse ziehen Sie aus dem Lagebild?
Nach dem Vorfall in Essen stehe ich trotzdem vor der Frage: Ist das alles? Rein hypothetisch: Sollte es eine Whatsapp-Gruppe mit rechtsextremen Inhalten geben, würde sie bei den Strafverfahren und Beschwerden nicht auftauchen. Deshalb ist es uns wichtig, alle Beamten zu sensibilisieren und öffentlich klar Stellung zu beziehen, dass Rechtsextremismus bei uns keinen Platz hat. Deshalb haben wir eine Social-Media-Kampagne gegen Rassismus gestartet. Die schlimmste Folge nach so einem Fall wäre, dass die Bürger, und in dem Zusammenhang vor allem die migrantische Community, das Vertrauen in die Polizei verlieren.
Sie haben im Juli gesagt, dass es keinen strukturellen Rassismus bei der Polizei geben würde. Würden Sie die Aussage heute nach den Vorfällen in NRW auch noch tätigen?
Die Frage ist natürlich: Was ist struktureller Rassismus? Wo fängt er an und wo hört er auf? Ich kann hier den NRW-Innenminister Herbert Reul sinngemäß zitieren, da er aus meiner Sicht Recht hat: Die Fälle seien zu viele, um noch von Einzelfällen zu sprechen, aber zu wenige, um darin ein strukturelles Problem zu sehen.
Wie stehen Sie zu der geforderten Studie, die rassistische Tendenzen in Polizeibehörden untersuchen soll?
Auch da habe ich meine Meinung nicht geändert. Ich hätte grundsätzlich nichts gegen eine Studie über vorhandenen Rassismus bei der Polizei. Diese Auffassung vertrete ich nicht, weil ich glaube, dass wir ein strukturelles Rassismusproblem haben, sondern weil es die Debatte um wissenschaftlich belegbare Informationen ergänzen würde. Die Studie müsste dann allerdings objektiv und unabhängig sein und der Komplexität des Themas gerecht werden. Sie sollte sich daher nicht nur auf die Untersuchung des Dunkelfeldes beschränken. Mich würde vielmehr interessieren: Warum können sich rechtsextreme Einstellungen auch in Sicherheitsbehörden entwickeln und was können wir tun, um unsere Polizistinnen und Polizisten noch besser davor zu schützen?
Wie würden Sie reagieren, wenn es in Oberhausen einen rechtsextremistischen Fall geben würde?
In Oberhausen habe ich zum Glück bisher keinen solchen Fall gehabt und ich hoffe, dass das auch so bleibt. Unsere Botschaft in den sozialen Medien lautet „Für Rassismus ist kein Platz in unserem Team“. Wenn jemand rassistisch oder extremistisch ist, hat er bei der Polizei nichts zu suchen. Dann muss der Beamte im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten aus dem Dienst entfernt werden.
Seit August 2019 Chef der Polizei
Alexander Dierselhuis (37) leitet seit 1. August 2019 mit der Oberhausener Polizei eine Behörde von fast 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, darunter 400 Polizeibeamte.
Nachdem er sein Jura-Studium in Trier abgeschlossen hatte, arbeitete der gebürtige Neusser als Staatsanwalt in Düsseldorf. Unter anderem leitete Dierselhuis Ermittlungen in Fällen aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität wie Wohnungseinbruchdiebstahl, Menschenhandel und Zuhälterei, Schleusung sowie Rockerkriminalität.
Zum Februar 2018 wurde er in die Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen berufen, in der er sich als Geschäftsführer der Regierungskommission „Mehr Sicherheit für Nordrhein-Westfalen“, auch bekannt als „Bosbach Kommission“, engagierte.