Im Advent 2007 erlebte Laura Wien den Schock ihres Lebens: „Ihr Kind hat Leukämie.” Die Mutter und ihr Sohn kämpften – mit Erfolg. Denn jetzt, zwei Jahre nach dem Unglück, braucht Lars nicht einmal mehr seine Chemotabletten einzunehmen. Sogar in den Kindergarten geht er wieder.
„Es ist für mich wie ein Wunder”, sagt Laura Wien (23). Wenn sie ihren Sohn Lars (5) so anschaut, ist sie froh, dass er ihr nicht genommen wurde wie all die anderen Kinder ihren Eltern. Leukämie hatte ihr Sohn. „Mindestens 16 Kinder sind in der Zeit gestorben, in der wir im Klinikum Essen in Behandlung waren”, erinnert sich Laura Wien. Irgendwann habe sie aufgehört zu zählen.
Auch Elisabeth (6), „die Lisi, die beste Freundin von Lars im Krankenhaus”, wohne jetzt auf einem Stern ganz hoch oben am Himmel. Einmal habe Lars mit Lisi eine ganz lange Eisenbahnstrecke gebaut – bis hin zum Schwesternzimmer. Lars habe überhaupt am liebsten die Schwestern geärgert. Der Junge selbst sieht seinen Kampf mit dem Tod sehr pragmatisch: „Ich habe meine bösen Zellen verkämpft”, sagt er. Auf „verkämpft” besteht Lars, der auch sagt: „Ich bin der Chemo-Ritter Lars.” Und dabei hält er seinen kleinen Hund, den „Glücksbringi” ganz fest im Arm.
Ein Begleiter durchs Elend
Das Kuscheltier ist schon 30 Jahre alt, gehörte einer Freundin der Mutter und hat Lars durch all sein Elend begleitet. Und ein Elend war es. Und der Junge sehr tapfer, keine Frage. Und dass er sich immer wieder diese Bilder aus der Zeit seiner Krankheit anschauen muss, das zeigt, wie sehr er immer noch verarbeitet, was da mit ihm geschah.
Nein, wie fünf wirkt Lars auch nicht, sondern älter, wissender, wie das meist bei Kindern der Fall ist, die mal sehr krank waren. Seine Mutter erinnert sich genau, wie der Schrecken begann: „Es war am 27. November 2007, da hatte Lars rote Punkte auf der Haut.” Laura Wien dachte an eine Allergie. Die Ärzte vermuteten sofort viel Schlimmeres. Eine Blutuntersuchung brachte einen Tag später Gewissheit: „Das geht in Richtung Leukämie”, sagte man ihr im St.-Clemens-Krankenhaus. Da hatte man für Mutter und Kind schon ein Taxi gerufen, das sie sofort zum Klinikum in Essen bringen sollte. Die Oma passte auf den kleinen Bruder Jamen auf.
Beginn eines Martyriums
Auf Lars wartete die erste Stufe seines Martyriums. Eine äußerst schmerzhafte Lumbalpunktion, eine Knochenmarkspunktion, bei der dann definitiv die Krankheit festgestellt wurde.
„Es ging alles so schnell”, sagt die Mutter. Die Tränen seien gelaufen. Sie habe die Einwilligung zur Chemotherapie gegeben. Man habe ihrem Sohn Heilungschancen von 80 Prozent eingeräumt. Am Anfang blieb die alleinerziehende Mutter mit ihrem Kind gleich sechs Wochen am Stück im Krankenhaus. 72 Chemotherapien folgten. Lars wurde ein Port gelegt. Der ist immer noch da. Vorsichtshalber. „Die Lumbalpunktionen waren das Schlimmste”, sagt Lars' Mutter.
Und dann sei es ihm auch so oft sehr schlecht gegangen. Er habe ständig gebrochen, manchmal kaum laufen können. Mit Kommentaren ging der von der Krankheit gezeichnete Junge lässig um. Als ein Kind zu seiner Mutter sagte: „Mama, guck mal, der hat ja Glatze”, erwiderte Lars: „Und du hast hässliche Haare.” Und dem Mann, der fragte, hattest du Läuse, entgegnete er: „Nein, Leukämie.”
„Er weiß über alles Bescheid”, sagt Laura Wien. Sie sei offen mit ihm Sohn umgegangen. Jetzt, zwei Jahre nach dem Unglück, braucht Lars nicht einmal mehr seine Chemotabletten einzunehmen. „Seine Chancen sind gut”, sagt seine Mutter. Sogar in den Kindergarten geht Lars wieder. Und auch Jamen (3) lebt wieder bei Mutter und Bruder.