Oberhausen. Der Meister der „kleinen Form“ präsentierte seinen opulenten 600-Seiten-Roman „Max“ im ausverkauften Literaturhaus: ein mitreißendes Vergnügen.
Lesungen im Literaturhaus entfalten oft einen über das Sujet hinausgehenden Charme, weil Beobachtungen aus der Nachbarschaft der Marktstraße sich auf geheimnisvolle Weise überraschend stimmig zum gerade Vorgestellten fügen. So gab es bei der Lesung von Markus Orths, der im ausverkauften Leser-Paradies seinen bereits 2017 erschienenen Roman „Max“ (bei BTB für 12 Euro) präsentierte, zunächst absurdes Theater zu erleben.
„Ich bleibe nur, wenn die Tür geöffnet ist“, drohte eine Dame, „sonst gehe ich“. Was eine zweite prompt mit der Ankündigung konterte, bleibe die Tür offen, gehe sie. Salomonische Lösung: eine nur halb geöffnete Tür und Decken für alle Bedürftigen. Weshalb der 1969 in Viersen geborene Autor hübsch eingemummelt aus seinem faszinierenden Buch über die wesentlichen Frauen im Leben des surrealistischen Malers Max Ernst las. Wer da nicht gleich an Hans Castorp dachte, der sollte mal wieder zu Thomas Manns „Zauberberg“ greifen, wo sich alles zu optimaler Decken-Einhüllung finden lässt.
Nicht nur für Liebhaber biografischer Texte
In der von Rainer Piecha mit kluger Dezenz moderierten Werkeinführung erfuhr man von Markus Orths zunächst Interessantes über die Entstehung seines fiktional-biografischen Romans, der sich aus einer Auftragserzählung für das Brühler Max-Ernst-Museum entwickelt hatte. Die Anmerkung von Piecha, er sei doch eigentlich ein Meister der kleinen Form, „Max“ habe aber 600 Seiten, konterte der lebendig plaudernde Autor lässig: „Nun ja, die Lebensgeschichten von Max Ernsts Gefährtinnen reichten auch für 3.600 Seiten – nur, wer will das verlegen oder lesen?“
Eine berechtigte Frage, die wohl einige Zuhörer nach der ersten Leserunde spontan mit „Ich!“ beantwortet hätten. Wie kraftvoll, gewitzt und plastisch Markus Orths nämlich aus der Perspektive zunächst von Louise Strauß, der ersten Ehefrau von Max Ernst, dessen künstlerische Entwicklung im Rheinland schildert, ist schwer beeindruckend und nicht nur für Liebhaber biografischer Texte ein anregender Genuss. Ein kunstvolles Gemisch aus Dichtung und Wahrheit, sprachgewaltig mitreißend als schillerndes Spiegelbild des hochvitalen Daseins eines Künstlers, der seine Ehefrau 1922 für eine Ménage à trois mit dem Dichter Paul Éluard und dessen Gattin Gala (die später Salvador Dali heiraten wird) verlässt, dazu unzählige Affären mit oft viel jüngeren Frauen hat und im Laufe seines langen Lebens vier Ehen eingeht.
Fabelhaft erfundener, dadaistischer Brief
So mit Peggy Guggenheim (die mit dem Museum – in Venedig), deren Leben mit dem Maler dann Markus Orths den zweiten Teil seiner Lesung widmete, die er mit einem fabelhaft erfundenen, dadaistischen Brief des alten Freundes Hans Arp an Max überwältigend amüsant beendete. Halten wir uns für das Fazit an den zu Unrecht fast vergessenen österreichischen Erzähler Anton Kuh: „Nur nicht gleich sachlich werden! Es geht ja auch persönlich.“
Weshalb der Autor dieser Zeilen gesteht, gleich zur Halbzeit diesen imposanten Roman erworben und gegen jede Gewohnheit reichlich applaudiert zu haben. Betrachten Sie es als maximales Lob – Kritiker klatschen sonst nur in der Pause.