Oberhausen. Rainer Lettkamp, langjähriger Geschäftsführer der Lebenshilfe in Oberhausen, verabschiedet sich mit deutlichen Worten in den Ruhestand.
Er ist in Oberhausen längst das Gesicht der Lebenshilfe geworden: Rainer Lettkamp. Am 27. August, seinem 63. Geburtstag, verabschiedet sich der amtierende Geschäftsführer in den Ruhestand. 40 Berufsjahre liegen dann hinter ihm, in denen sich vieles verändert hat. Nicht alles zum Guten, wie er sagt.
Ursprünglich wollte Lettkamp zur Polizei. Doch beim Eignungstest machte ihm eine Rot-Grün-Sehschwäche einen Strich durch die Rechnung. Weil er aber unbedingt etwas „mit Menschen“ machen wollte, bewarb er sich spontan bei der Lebenshilfe um ein Praktikum. Mit welchen Folgen, konnte er damals nicht ahnen.
Nach dem Sozialpädagogik-Studium in Bochum entschied sich Lettkamp ganz für die Lebenshilfe. Geschäftsführer zu dieser Zeit war Herbert Bruckmann. Auch Bruckmanns Tochter Doris arbeitete damals bei der Lebenshilfe. „Ich hatte sie während meines Praktikums kennengelernt und mich sofort verknallt“, erzählt Lettkamp lachend. Die beiden sind bis heute verheiratet. Als Bruckmann die Leitung der Lebenshilfe wegen eines Schlaganfalles vor 35 Jahren aufgeben musste, übernahm Lettkamp die Geschäftsführung. Der Beruf wurde für ihn zur Berufung.
Gegen Betonköpfe angekämpft
Anfangs, erinnert sich Lettkamp gut, habe man gegen Betonköpfe ankämpfen müssen. „Beim Bau der ersten Wohnstätte für geistig Behinderte in Königshardt war der damalige Oberhausener Sozialdezernent Hugo Baum sogar noch von Anwohnern gefragt worden, wie hoch denn der Zaun rings um die Gebäude wohl wird.“ Für Lettkamp nur ein Beispiel von vielen. Die Schwester seiner Frau hat das Down-Syndrom. Sie gehörte aber schon immer einfach zur Familie, war ein Mitglied, wie jedes andere auch.
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Lettkamp ist bis heute davon überzeugt: „Nicht die Menschen sind behindert, die Gesellschaft ist es.“ Weil trotz aller Verbesserungen und Fortschritte noch immer zu oft ausgegrenzt wird, was anders scheint. Weil der Wert des Lebens noch immer zu häufig über Leistungsfähigkeit definiert wird. Inklusion muss im Kindergarten anfangen. Davon ist Lettkamp überzeugt. Die Eröffnung des integrativen Familienzentrums Schatzkiste 1996 in Osterfeld ist für ihn einer der größten Meilensteine in Oberhausen. „Wenn behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam aufwachsen, gehört Behinderung zu einem normalen Alltag.“ Das präge fürs ganze Leben. „Von den Kindern können wir uns alle eine Scheibe abschneiden.“
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Viel gelernt hat Lettkamp aber auch von den behinderten Menschen, für die er sich eingesetzt hat. Andere Vorstellungen, andere Herangehensweisen, eine andere Wertigkeit. Stets war sein Ziel: „Die Menschen sollten so selbstbestimmt leben können, wie möglich.“ Bei Schwerstbehinderten stoße zwar auch die Lebenshilfe an ihre Grenzen. „Aber das sind Einzelfälle.“
Ein tragfähiges Netzwerk in Oberhausen entwickelt
Was ihn aufrichtig freut: „Wir haben in Oberhausen ein tragfähiges Netzwerk entwickeln können und erhalten viel Unterstützung.“ Von der Stadt, der Stoag, den Karnevalsvereinen – um nur einige zu nennen. „Wir haben der Verwaltung, der Politik, den Institutionen, den Vereinen vor Ort zu verdanken, dass behinderte Menschen bei uns fast schon zu einem normalen Stadtbild gehören.“
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Leider sei die Arbeit auch bei der Lebenshilfe zunehmend formell geworden. „Es gibt immer mehr Papierkram, immer mehr Dokumentationspflichten – das raubt zu viel Zeit.“ Die soziale, menschliche Komponente komme zu kurz. „Wenn bei der Arbeit kein Raum mehr dafür bleibt, einfach mal zu fragen, na, wie geht es dir denn heute, dann läuft was schief!“ Lettkamp betont: „Wir dürfen nicht vergessen, für wen wir da arbeiten!“ Der eigentliche Arbeitgeber, „das sind die Menschen mit Behinderung – ohne die, gäbe es uns nicht.“
Familie und Karneval als seelische Tankstellen
Der Karneval und die Familie sind in all den Berufsjahren Rainer Lettkamps seelische Tankstellen geblieben. Die beiden Töchter sind zwar inzwischen ausgezogen, teilen mit ihrem Vater aber sein größtes Hobby: „Den Karneval.“
Lettkamp ist Mitglied der „Blauen Funken“. In der Session 2022/23 wird er zum ersten Mal als Stadtprinz in Oberhausen unterwegs sein. Paginnen werden seine beiden Töchter sein.
Seine Nach folge in der Geschäftsführung der Lebenshilfe Oberhausen tritt Verena Birnbacher an, die viele Jahre als Geschäftsführerin der Lebenshilfe Unterer Niederrhein tätig war.
Ein großer Kraftakt für alle seien auch die Kontaktbeschränkungen durch die Corona-Krise gewesen. „Zum Glück normalisieren sich die Abläufe nun auch bei uns wieder.“ Wichtig sei die gute Zusammenarbeit der Teams gewesen. Immerhin habe es bei der Lebenshilfe bislang keinen einzigen Corona-Fall gegeben. „Und das bei 21 Einrichtungen und 520 Mitarbeitern allein in Oberhausen.“