Oberhausen. Er fuhr in Oberhausen Straßenbahn, besuchte den Oberbürgermeister und sprang danach in Wuppertal aus der Schwebebahn: Zirkus-Elefant Tuffi.

Als Zirkusdirektor Franz Althoff das anderthalb Jahre alte Elefanten-Weibchen am 21. Juli 1950 in die Wuppertaler Schwebebahn einstiegen ließ, hatte Tuffi knapp drei Wochen vorher bereits in Oberhausen für Aufregung gesorgt. Daran erinnert sich Karl-Hugo Dierichs, der Vater der Verfasserin, zum 70-jährigen Jubiläum des Tuffi-Sprungs.

Karl-Hugo Dierichs (91) erinnert sich an den Aufritt des Elefanten in Oberhausen. Er berichtete damals für den Oberhausener „General-Anzeiger“.
Karl-Hugo Dierichs (91) erinnert sich an den Aufritt des Elefanten in Oberhausen. Er berichtete damals für den Oberhausener „General-Anzeiger“. © Asgard Dierichs | Asgard Dierichs

Denn der damalige Jung-Redakteur beim Oberhausener „General-Anzeiger“ erlebte den Elefanten im Rathaus. Wie danach im Bergischen und zuvor in Duisburg, wo Tuffi eine Hafenrundfahrt unternahm, wollte das bekannte Zirkusunternehmen Althoff das Gastspiel in Oberhausen originell bewerben. Dazu bestieg Tuffi mit der Lokalpresse, Fotografen, Franz Althoff und einem Dompteur eine Straßenbahn der Linie 1. Start war am Hauptbahnhof. Auch ein Ticket für den Elefanten wurde gelöst. „Erst ging es nach Sterkrade und dann stiegen wir am Rathaus aus“, erzählt der 91-jährige Zeitzeuge, der in Essen lebt.

Rathaus-Empfang mit dem grauen Exoten

Menschen, Tiere, Sensationen lockten die Menschen an Rhein und Ruhr in den 1950ern in die Manegen. Oberhausens Oberbürgermeister Otto Aschmann (1888 bis 1965) von der CDU hatte am 3. Juli 1950 zum Rathausempfang mit dem Exoten gebeten, um die Artisten in der Stadt zu begrüßen. Die Delegation bugsierte Tuffi durchs Treppenhaus nach oben. „Ich musste mithelfen, damit der Elefant die Stufen hoch lief.“ Das hat ein Fotograf festgehalten. Oben habe die Gruppe warten müssen. „Der OB telefonierte. Wir standen eine Weile im Vorzimmer.“

Tuffi fehlte die Geduld, ihr Magen knurrte. Kurzerhand langte sie mit dem Rüssel nach einer Zimmerlinde im Blumenkübel. „Der Elefant fasste die Pflanze am Stil und zog sie aus der Erde. Den Dreck schüttelte er sorgsam ab und verschlang das Grün mit einem Mal“, erzählt der Reporter. Der spontane Imbiss sorgte für Aufsehen. Im Anschluss überkam den Dickhäuter ein dringendes Bedürfnis. „Just in diesem Moment öffnete der Oberbürgermeister die Tür. Tuffi konnte das Wasser nicht mehr halten, was sie mit einem markanten Trompetenstoß begleitete.“ Die schreibende Zunft zuckte zusammen.

Repro vom Zeitungsausschnitt aus dem Generalanzeiger vom 4. Juli 1950, den der damalige Generalanzeiger-Jungjournalist Karl-Hugo Dierichs verfasste.
Repro vom Zeitungsausschnitt aus dem Generalanzeiger vom 4. Juli 1950, den der damalige Generalanzeiger-Jungjournalist Karl-Hugo Dierichs verfasste. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Das Malheur nahm seinen Lauf, im wahrsten Sinne. „Ordentlich nass“ sei der dicke Perser-Teppich im Rathaus geworden. Zirkus-Chef und Tierpfleger war die feuchte Premiere sichtbar peinlich. Doch Aschmann machte gute Miene zum bösen Spiel. „Er klopfte Althoff auf die Schulter sagte, dass dies ja passieren könne.“

Zum Abschied gab es eine Zigarre

Der Termin war ohne große Reden schnell zu Ende. Das Stadtoberhaupt reichte dem Zirkus-Chef zum Abschied eine gute Zigarre. Tuffi bekam etwas Würfelzucker. „Zurück zum Zirkus ging es zu Fuß durch den Grillopark. Wir Journalisten sind gleich wieder in die Redaktionen“, erinnert sich der Zeitzeuge.

Bis zum spektakulären Sprung in die Wupper waren es noch ein paar Tage. „Es gab damals noch viele Zirkusse wie Althoff, Barum, Krone, Bügler oder Hagenbeck. Sie wechselten sich im Wochenrhythmus ab und sorgten in der Zeit vor dem Fernsehen für Unterhaltung.“

Kurios: Dierichs‘ spätere Frau, Renate Zimmermann, begleitete damals als Volontärin der „Westdeutschen Rundschau“ Tuffis Schwebebahnreise. Der Elefant bekam in zehn Metern Höhe Panik, sprang aus dem quietschenden Wagen und landete im Fluss. Bis auf ein paar Schrammen blieb er unversehrt. Diese Geschichte ging um die Welt.

Elefant zieht viele Neugierige an

Karl-Hugo Dierichs (Kürzel: D.), heute 91 Jahre alt, schrieb damals folgende Sätze für den Oberhausener General-Anzeiger als Jungredakteur, die hier auszugsweise dokumentiert werden: „Pünktlich um elf Uhr findet sich Tuffi, ein reizendes Elefantenmädchen, eineinhalb Jahre alt und etwa drei Zentner schwer, vor dem Bahnhof ein. Die Kunde, daß ein Elefant mit der Straßenbahn fährt, hat im Nu viele Neugierige angezogen, die sich um die Haltestelle drängen. Behäbig und ein wenig dickfellig, wie es ihrer Rasse entspricht, besteigt Tuffi den Vorderperron des Großraumwagens. Direktor Althoff ist ihr dabei behilflich. Mit einem kurzen Stachel dirigiert er ihre Beine und spornt sie mit fremdländischen Lauten zu größerer Eile an.“

Und auch in der Bahn muss der Elefant mal zur Toilette. „Plötzlich verspürt Tuffi das Bedürfnis auszutreten, und ehe man es sich versieht, rauscht es auch schon. ,Nicht von schlechten Eltern!’ meint ein Fahrgast und hält sich die Nase zu. Tuffi stört das alles nicht. Sie läßt sich mit Zucker füttern und verschmäht auch nicht die beiden Fahrscheine à 25 Pfennige, die sie wegen Übergröße bezahlen muss. Nur einmal wird sie böse. Jemand hat sie über das Bein gestreichelt, und das kann sie nicht leiden.“