Oberhausen. Stefan Keim begeisterte als Heinz Erhardt mit sprachgewaltiger Eleganz: ein ergötzliches Vergnügen im lauschigen Parkbanktheater der Niebuhrg.

Erinnern Sie sich noch? „Fährt der alte Lord fort, fährt er nur im Ford fort“, doch statt zu amourösen Begegnungen mit Mary-Lou, Kitty und Conny begab er sich diesmal zu einem besonders ergötzlichen Vergnügen in das Parkbanktheater der Niebuhrg. Um dort nämlich Heinz Erhardt zu treffen, der laut eigenem Bekunden doch gerne auch so ein Draufgänger wie der alte Lord wäre.

Da der berühmte Komödiant allerdings bereits seit 1971 auf Wolke sieben schwebt, mussten seine Lordschaft ebenso wie das ihm generationsmäßig verwandte Publikum freilich mit dem aus Funk und nicht etwa Fernsehen bekannten Theaterkritiker Stefan Keim vorliebnehmen, der mit dicker Hornbrille und imposanter Erzählfreude stilecht die Rolle von Heinz Erhardt übernahm, nein, frisch und frei verkörperte. Um unter dem schönen Titel „Ritter, Reime und Romanzen“ fast zwei Stunden lang in Poemen, allzu wenigen Songs und veritablen Kalauern des vor allem in den 1950er Jahren äußerst populären Entertainers zu schwelgen.

Das Original: der Schauspieler, Kabarettist, Schriftsteller, Komponist und Filmproduzent Heinz Erhardt (1909 bis 1971).
Das Original: der Schauspieler, Kabarettist, Schriftsteller, Komponist und Filmproduzent Heinz Erhardt (1909 bis 1971). © picture alliance / dpa | Röhnert

Dass der sprachgewaltige Feuilletonist zunächst die gebannt lauschenden Gäste mit lobenden Worten auf die Niebuhrg erwärmte, fügte sich nahtlos in die verschmitzten Conferencen seines Alter Egos ein. Der sich an diesem lauschigen Abend auf die Suche nach einer Frau begab und dafür immer wieder auch das Publikum charmant einband. So lernte man etwa die Tippmamsell aus der „Luisenstraße 13“ kennen, die der – Achtung: Reim! – Junggesell’ im vierten Stock wegen seiner Schüchternheit nur belauscht: „Ich höre dann ganz deutlich, wie sie sich da unten wäscht!“ Olala, aha, wohlgesetzte Pause, ah nä: „Bei sich im dritten Stock“.

Perfektes Timing, feiner Wortwitz und schräge Reime

Tja, perfektes Timing, feiner Wortwitz und schräge Reime gingen bei Heinz Erhardt immer Hand in Hand, wie sich auch beim „Fräulein Mabel“ mit Stefan Keim am Keyboard hübsch zeigte. Die hat nämlich Beine „krumm, so wie ein Säibel“, „Immer nimmt sie’s Messer statt der Gäibel, trotzdem habe ich für sie ein Faible“ – und noch’n Gedicht.

Etwa vom guten alten „König Erl“ mit dem berühmten Finale „Der Knabe lebt, das Pferd ist tot“ oder der polyglotten Katze. Mit Tieren hatte es Erhardt eh, die meist ein schröcklich Ende nahmen. Vom Kabeljau (hat ein Hai gefressen) bis zur Made, dessen Text das hier vorlaute Publikum genüsslich mitsprach: „Denn schon kam ein bunter Specht und verschlang die kleine fade Made ohne Gnade. Schade!“

Stefan Keim genügte als wortmächtigem Solisten ein kleines Keyboard – dabei hätte er gerne noch mehr Erhardt-Chansons hervorzaubern dürfen.
Stefan Keim genügte als wortmächtigem Solisten ein kleines Keyboard – dabei hätte er gerne noch mehr Erhardt-Chansons hervorzaubern dürfen. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Zwischendurch erzählte Stefan Keim als ebensolcher kenntnisreich aus dem Leben des 1909 in Riga als Untertan des letzten Zaren geborenen Kabarettisten, um schließlich nach Reimen und Romanzen auch dem Ritter Fips seine Reverenz zu erweisen. Samt hübscher Lehrsätze fürs Leben – merke: Die allererste Rüstung muss untenrum rostfrei sein, während im reiferen Alter der Harnisch stets eine Nummer größer zu bestellen ist.

Kleine Pointe zum großen Auftritt

Nee, war das ein fein verplauderter Abend, den Stefan Keim seinem begeisterten Publikum unter freiem Himmel kredenzte. Einmal kreuzte gar ein Geier, nein, es war ein Reiher. Passend zum schönen Wetter gab’s übrigens auch einen ebensolchen Schüttelreim: Wasser ist für Vierbeiner, Menschen finden Bier feiner. Wer da versonnen auf seine alles andere als ortstypische Flasche Flens guckte, erfuhr erstaunt, dass er gerade einen Quadratmeter holsteinische Küste gereinigt habe. Heinz Erhardt hätte diese kleine Pointe zum großen Auftritt von Stefan Keim gewiss gefallen – keine Frage.