Oberhausen. Schlüsselfigur der Pandemie: Gesundheitsamtsleiter Henning Karbach über Maskenpflicht, die KKO-Übernahme und die Infektionszahlen in Oberhausen.
Während draußen immer weiter gelockert wird, läuft hier weiter der Ausnahmezustand: Das Oberhausener Gesundheitsamt kommt nicht zur Ruhe. Ob Hygienekonzepte oder Kosten für Corona-Tests – täglich wird Dr. Hans-Henning Karbach (64) mit neuen Fragen konfrontiert. Wie erst will man am Rande der Belastbarkeit eine mögliche zweite Corona-Welle meistern? Und könnte mehr Wertschätzung für die Gesundheitsbehörde den Akku wieder aufladen? Der langjährige Amtsleiter über die Gegenwart und Zukunft mit Corona.
Herr Karbach, hätte für das Gesundheitsamt in der Krise genauso geklatscht werden müssen wie für das Personal in den Krankenhäusern und Pflegeheimen?
Karbach: Wir sind in dieser Pandemie durchaus die Spinne im Netz, bleiben aber bescheiden. Ich würde mich natürlich freuen, wenn es einen anderen Blick auf den öffentlichen Gesundheitsdienst geben würde und wir dadurch unser Nachwuchsproblem angehen könnten. Vor allem bin ich aber Realist: Wenn Corona vorbei ist, wird das Interesse am Gesundheitsamt wieder abnehmen. Wir machen nachhaltige und vorbeugende Arbeit - das ist immer schwerer zu verkaufen als das direkte Retten von Leben. Was wir beispielsweise bei den Schuleingangsuntersuchungen machen, wirkt sich etwa erst viel später aus.
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Also erwarten Sie auch nicht, dass die Pandemie eine Aufwertung des Gesundheitsamtes mit sich bringen wird?
Herr Oberbürgermeister Schranz war mehrfach bei uns im Gesundheitsamt, hat sich über unsere Arbeit erkundigt und an wichtigen Abstimmungsgesprächen teilgenommen. Es spricht einiges dafür, dass in der Zeit nach der Pandemie der öffentliche Gesundheitsdienst anders bewertet wird und wir das auch bei der Ausstattung und der notwendigen Aufmerksamkeit für unsere Tätigkeitsfelder erfahren werden. Zwar haben wir uns mit der aktuellen Situation arrangiert – aber das bedeutet natürlich auch, dass wir keine Wunder vollbringen können.
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Die Untersuchung für Schulanfänger haben Sie bereits angesprochen. Diese führen Sie in diesem Jahr nur eingeschränkt durch, weil sie auch das Personal Ihres Kinderdienstes für Corona-Aufgaben benötigen. Müssen die Kinder am Ende wieder am meisten zurückstecken?
Wir haben bei den Erwachsenen genauso Einschränkungen machen müssen. Ein Beispiel sind die ausgefallenen Hygiene-Belehrungen, die jeder benötigt, der im Lebensmittelbereich arbeitet. Auch hier fahren wir den Betrieb erst langsam wieder hoch. Wir bekommen aktuell natürlich Unterstützung aus anderen Ämtern, aber das sind dann meist Kollegen, die etwas anderes gelernt haben. Deswegen werden die Mitarbeiter vom Kinder- und Jugenddienst derzeit sehr gebraucht, etwa wenn es um Fragen zu Hygienekonzepten geht. Von der Köpi-Arena bis zum kleinen Geschäft erreichen uns dazu derzeit unglaublich viele Anfragen. Um das mit der Regelbelegschaft meistern zu können, fehlt es einfach am medizinischen Personal.
Ist es dieser Konzentration auf die Pandemie-Aufgaben geschuldet, dass die Corona-Zahlen in Oberhausen bislang auffällig niedrig sind – oder ist es doch eher der Zufall?
Auch hier ist Bescheidenheit angesagt. An erster Stelle würde ich sagen, dass wir Glück gehabt haben, aber sicherlich haben wir auch keine schlechte Arbeit geleistet. Die Überstunden häufen sich bei uns allen, täglich gibt es neue Fragen. Einige Kollegen merken den Stress auch körperlich, wir haben deshalb bereits vereinzelte Ausfälle. Ein zusätzliches Problem dabei: Die Lage ist so dynamisch, es gibt regelmäßig neue Verordnungen und Situationen. Wenn man nur einen Tag fehlt, kann man bereits den Anschluss verlieren.
Viele Herausforderungen
Dr. Hans-Henning Karbach ist seit 2007 Leiter des Oberhausener Gesundheitsamtes.
In seiner Amtszeit musste sich der 64-Jährige bereits mit der Schweinegrippe (2009) und Ebola (2014) auseinandersetzen. Einen Schwerpunkt seiner Arbeit hat Karbach auf den Kampf gegen Krankenhauskeime gesetzt.
Erwarten Sie bald ruhigere Zeiten oder rechnen Sie mit einer zweiten Infektionswelle?
Ich befürchte, dass es im Herbst wieder zu erhöhten Corona-Fallzahlen kommen wird. Auch wenn es noch keine gesicherte Datenlage gibt, lässt sich annehmen, dass sich die Viren, die sich vermehrt im Respirationsbereich aufhalten, zu dieser Jahreszeit am wohlsten fühlen. Unabhängig davon, werden wir es aber auf jeden Fall mit einer höheren Anzahl anderer Infektionskranker zu tun haben – der gemeine Schnupfen, Influenza. Da wird es für alle unglaublich schwierig werden zu unterscheiden. Wenn bei einem Kind in der Klasse die Nase läuft, wird niemand ohne weiteres behaupten wollen, dass es sich ja nur um einen Schnupfen handelt. Der Informations- und Test-Bedarf wird deshalb vermutlich in die Höhe steigen. Ich erwarte viele Anrufe von Schulleitern, die von uns Antworten erwarten, wenn zwei Kinder Erkältungssymptome aufweisen.
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Es gibt breite Diskussionen über ein Ende der Maskenpflicht. Könnten uns die Masken nicht im Herbst auch mit Blick auf andere Krankheiten weiterhelfen?
Die Masken sind kein Allheilmittel, aber in der Tat gäbe es eine Chance, nicht nur die Zahl der Corona-Infektionen zu verringern. Wir sollten uns genau überlegen, von welchen Sicherheitsmaßnahmen wir uns verabschieden – sonst könnte die Situation im Herbst wirklich schwierig werden. Die Corona-Pandemie hat im Frühling begonnen. Das heißt: In einer wettertechnisch richtig schwierigen Zeit haben wir das Virus noch nicht erlebt. Da mache ich mir Sorgen.
Die Diskussion um die Maskenpflicht zeigt, dass viele Leute so langsam müde sind, was die Corona-Einschränkungen angeht. Wie schafft man es, dass die Menschen aufmerksam bleiben?
Mit der Informationspolitik muss man sehr bedacht vorgehen. Wenn man überall und an jeder Stelle an Corona und Hygienevorschriften erinnert, kann das zu einer gewissen geistigen Blindheit führen. Durch Gewohnheit stumpft man ab. Deswegen bin ich dafür, da wo es angesagt ist, eine deutliche Sprache zu sprechen – aber zwischendurch auch mal den Mund zu halten.
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Vor der Corona-Zeit war die Insolvenz des Katholischen Klinikums das zentrale Thema der Gesundheitsversorgung in der Stadt. Anfang gab es eine breite Skepsis, was den neuen Betreiber Ameos angeht. Vermissen Sie mehr Transparenz, was den Übernahmeprozess angeht?
Voranstellen sollte man, dass wir es als Gesellschaft nun mal erlaubt haben, dass private Träger Krankenhäuser übernehmen können und Gewinne im Gesundheitssektor machen dürfen. Das ist ein demokratischer Prozess gewesen, dem wir als Bevölkerung zugestimmt haben. Und das ist eine wichtige Grundlage, unter der wir die Entwicklung in Oberhausen betrachten müssen. Natürlich sind private Investoren auf Gewinn ausgerichtet. Was die Transparenz angeht, kann Ameos eben nur so durchsichtig sein wie das für private Unternehmen möglich ist. Insgesamt haben die Ameos-Vertreter bislang aber eine sehr akzeptable Informationspolitik an den Tag gelegt. Auch im Corona-Krisenstab haben sie sehr vorbildlich agiert.
Ihre Vorgesetzte, Dezernentin Sabine Lauxen, wurde im Juni abgewählt. Was werden Sie von einem möglichen Nachfolger oder einer Nachfolgerin erwarten?
Frau Lauxen hat den Anspruch darauf, dass Sie ihren Dienst in Oberhausen in einer für sie runden Form beendet. Ich möchte den Prozess nicht durch irgendwelche geäußerten Erwartungen stören.