Oberhausen. Für luxuriöses Wohnen steht der Umbau des ehemaligen Lyzeums in Oberhausen. Nur kommt die Fertigstellung seit drei Jahren nicht voran.

Wenn Brigitte Auler morgens aus dem Fenster ihrer Zwei-Zimmer-Wohnung an der Freiherr-vom-Stein-Straße im Marienviertel blickt, wird sie gleich an ihr zur Zeit größtes Problem erinnert: Dass sie seit mehr als zweieinhalb Jahren in dieser möblierten Wohnung hockt, viele ihrer Sachen eingelagert hat und vergeblich darauf wartet, endlich schräg gegenüber, ins alte Lyzeum, einziehen zu können. Im September 2017 hatte sie bereits damit gerechnet. Immer wieder verzögerte es sich. Auch heute sieht es nicht danach aus, als würde es wenigstens in diesem Sommer klappen.

Projektleiter legt sich nicht mehr fest

Werner Horst, der zuständige Projektleiter der Viersener Firma Tecto-Rent, gibt unumwunden zu, dass das Projekt aus dem Ruder gelaufen ist. Aber er will sich nach etlichen früheren Ankündigungen, die sich nicht erfüllt haben, auch nicht mehr festlegen. So viel kann er sagen: „Wir fangen Mitte Juli damit an, die Wohnungen bezugsfertig zu machen.“ Damit meint er, dass dort, wo Käufer nicht in Zahlungsverzug sind, die Bäder fertiggestellt, die Bodenbeläge verlegt sowie die Türen eingebaut werden und auch die Treppenhäuser sicheren Fußes begehbar sein werden. Der Einbau der Aufzüge gehört noch nicht dazu. Die Außenanlagen auch nicht.

Unter normalen Umständen, erklärt Horst, würden diese Arbeiten zwei Monate dauern. Aber auf der Baustelle am Lyzeum ist seit Jahren nichts normal. Brigitte Auler ärgert sich fast täglich darüber. „Wenn überhaupt, geht es dort nur im Zeitlupentempo voran“, klagt sie. Jahrelang habe dort Schlendrian geherrscht. „Wir sind guten Mutes, dass Mitte Juli alle beauftragten Handwerker erscheinen“, erklärt Werner Horst aber.

Das neue Problem: Corona

Nur hat er ein neues Problem: Corona. Ende April berichtete sein heutiger Bauleiter Rainer Holloh, dass sich acht polnische Fliesenleger Wochen zuvor vorzeitig davon gemacht hätten. Sie wollten in ihre Heimat zurück, ehe sie dort bei der Einreise in Quarantäne müssten. Holloh musste sich neue Fliesenleger suchen.

Die Misere beim Lyzeum aber hat sonst mit Corona nichts zu tun. 2014 ging das unter Denkmalschutz stehende Gebäude an einen Investor aus dem Münsterland. Der gewann Tecto-Rent dafür, die frühere Höhere Mädchenschule in 23 Eigentumswohnungen umzubauen. Die Viersener hatten sich mit solchen Umbauten einen Namen gemacht.

Der erste Generalunternehmer machte Pleite

Aber der Umbau zum Wohnquartier der gehobenen Preisklasse kam früh ins Stocken. „Unser erster Generalunternehmer (GU), das Bauunternehmen, mit dem wir jahrelang hervorragend zusammengearbeitet haben, hat überraschend Insolvenz angemeldet“, berichtet Horst. Mit dem zweiten GU habe es Qualitätsprobleme gegeben. Mehrere Rückbauten seien nötig gewesen. Beim dritten GU schließlich sei enormer Zeitverzug eingetreten.

Werner Horst bei einem Rundgang durch das ehemalige Lyzeum im September 2017. Ein Teil der früheren Aula wurde zur zweistöckigen Luxus-Wohnung umgebaut.
Werner Horst bei einem Rundgang durch das ehemalige Lyzeum im September 2017. Ein Teil der früheren Aula wurde zur zweistöckigen Luxus-Wohnung umgebaut. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Im Oktober 2018 jedenfalls musste Brigitte Auler ihre Mietwohnung in Styrum aufgeben. Sie fand die Wohnung schräg gegenüber vom Lyzeum. Was sie von dort beobachtet hat, kann sie sich nur mit rücksichtslosem Profitstreben erklären. Nicht nur sie leide darunter. „Einige Betroffene sind verzweifelt“, sagt sie. Aber das scheine keine Rolle zu spielen.

500.000 Euro Verlust gemacht

Das mit dem Profitstreben bestätigt Werner Horst, aber nicht bei Tecto-Rent. Der dritte Generalunternehmer habe auf ein System von Subunternehmen gesetzt. Das mache es heute schwer, Verantwortlichkeiten festzustellen, sagt er. Bauleiter Holloh gab im April ein Beispiel: „Da waren Steckdosen eingebaut, die gar nicht verkabelt waren.“ Tecto-Rent hat nach Angaben von Horst mit dem Projekt bislang 500.000 Euro Verlust gemacht.

Von ihren künftigen Vermietern, einem Ehepaar aus dem Bismarckviertel, weiß Brigitte Auler, dass die mehrfach ein Gericht um Hilfe bemühen mussten. Die Eheleute haben gleich zwei Eigentumswohnungen im Lyzeum als Geldanlage erworben. Beim Streit mit Tecto-Rent geht es um die Entschädigung für die dem Ehepaar entgangenen Mieteinnahmen. Tecto-Rent akzeptiere nur 6,50 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter, habe aber seinerzeit mit erzielbaren 8,50 Euro geworben.

Zu früh Mieter gesucht

Wenn über Entschädigungen gestritten werde, sagt dazu Horst, müsse natürlich über jede einzelne Forderung diskutiert werden. Man sei nicht für alle Verzögerungen verantwortlich. Es habe Probleme mit Diebstahl und Vandalismus gegeben. „6,50 Euro, das ist die ortsübliche Vergleichsmiete.“ Für ihn grenzt es an Betrug gegenüber der künftigen Mieterin, wenn Vermieter sich bereits Mieter suchen würden, wo sich die Wohnung erst im Rohbau befinde. Man habe nicht mehr tun können, als den Erwerbern anzubieten, den Kauf rückgängig zu machen. Kaum ein Käufer sei aber darauf eingegangen.

Die Eheleute machen für den Stillstand auf der Baustelle vor allem den Einsatz ausländischer Wanderarbeiter verantwortlich. „Ohne Ausländer läuft heute keine Baustelle in Deutschland“, entgegnen dazu Holloh und Horst. Nur der erste GU habe noch mit festem Personal gearbeitet.

Handwerker sind ausgebucht

Werner Horst sprechen die Eheleute die nötige Kompetenz ab. Er könne für nichts garantieren. So habe er vor Gericht die Fertigstellung zum Jahresende 2019 versprochen. Der rechtfertigt sich, man habe 2019 unterschätzt, wie schwer es sei, heute Handwerker zu finden. „Ihre Auftragsbücher sind voll“, sagt er.

Am Ende, argumentieren die Eheleute, profitiere Tecto-Rent noch davon, wenn Wohnungskäufer von ihrem Kauf zurücktreten. Denn die Immobilienpreise hätten seit 2016 stark angezogen. Man könnte heute 30 Prozent mehr für die Wohnungen nehmen. Da lägen sie leider falsch, erwidert Werner Horst. Wer seinen Kauf rückgängig mache, fordere ja auch Entschädigung. Einen so hohen Wertzuwachs gebe es nicht.

Bauträger und Bauunternehmer

Wenn Tecto-Rent so knallhart wäre, wie behauptet, hätte man die Baustelle aufgegeben, sagt der Projektleiter. Dann hätten die Erwerber noch größere Probleme. Die Geschäftsleitung habe aber entschieden, das Lyzeum fertigzustellen. Im Übrigen würden die Kritiker Bauträger und Bauunternehmen miteinander verwechseln. „Wir sind Bauträger und haben beim ersten GU ein übergabefertiges Lyzeum bestellt.“ Mit der Baustelle habe man ursprünglich gar nichts zu tun gehabt.

Komplizierte Vertragsverhältnisse

Der Umbau der früheren Höheren Mädchenschule zieht sich seit fast 20 Jahren hin. Mit der Delou-Beteiligungsgesellschaft aus Greven im Münsterland trat 2014 der sechste Investor in Erscheinung.

Sie erwarb die Immobilie, wandelte sie in Eigentumswohnungen um und warb um Käufer für die Wohnungen im Rohzustand.

Diese Käufer beauftragten gleichzeitig die Tecto-Rent in Viersen damit, die Wohnungen umzubauen. Sie stellt auch den Verwalter der Eigentümergemeinschaft und bediente sich für den Umbau anfangs eines Generalunternehmers aus Bonn.

An dieser Seite des früheren Mädchengymnasiums war Anfang Mai die Außentür ausgebaut. Da das Gebäude unter Denkmalschutz steht, müssen die Türen aufwendig restauriert oder nachgebaut werden.
An dieser Seite des früheren Mädchengymnasiums war Anfang Mai die Außentür ausgebaut. Da das Gebäude unter Denkmalschutz steht, müssen die Türen aufwendig restauriert oder nachgebaut werden. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz