Oberhausen. Alexander Dierselhuis verteidigt die Polizei gegen pauschale Rassismus-Vorwürfe und hält eine Studie nur für sinnvoll, wenn sie objektiv ist.

Seit Wochen läuft eine intensive Rassismusdebatte in Deutschland. Nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd in den USA, der bei einer Kontrolle von einem weißen Polizisten getötet wurde (Floyd: „Ich kann nicht atmen“), steht auch die deutsche Polizei im Blickpunkt: Hat sie ebenfalls ein Rassismus-Problem? Kontrolliert sie Personen anlasslos allein aufgrund äußerer Merkmale wie Hautfarbe oder Sprache und praktiziert sie damit „Racial Profiling“? Unsere Redaktion sprach mit dem Oberhausener Polizeipräsidenten Alexander Dierselhuis (37) über das derzeit kontrovers und teils hitzig diskutierte Thema.

Herr Dierselhuis, gibt es Rassismus in der deutschen Polizei?

Alexander Dierselhuis: Ich bin fest davon überzeugt, dass es in Deutschland keinen strukturellen Rassismus bei der Polizei gibt. Es gibt gewiss Vorfälle, die sorgfältig untersucht werden müssen – wie sollte es bei einer so großen Organisation auch anders sein? Aber Rassismus und Fremdenfeindlichkeit werden innerhalb der Polizei nicht geduldet. Deshalb haben wir zum Beispiel Extremismusbeauftrage benannt, die Hinweise auf extremistische Einstellungen entgegennehmen und zusammenführen sollen. Wenn sich im Einzelfall ein Rassismusvorwurf bestätigen sollte, wird dieser konsequent geahndet und wir werden daraus unsere Lehren ziehen. Die Verfassungstreue ist ein Grundsatz des Polizeiberufs und das spiegelt sich auch in der Auswahl und Ausbildung der Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter wider.

Wenn die Polizei einen dunkelhäutigen Menschen auf dem Willy-Brandt-Platz scheinbar anlasslos kontrolliert – ist das „Racial Profiling“?

Sicherheitsproblem Willy-Brandt-Platz – Kontrollen hier sind „polizeifachlich begründet und nicht rassistisch“, unterstreicht Alexander Dierselhuis.
Sicherheitsproblem Willy-Brandt-Platz – Kontrollen hier sind „polizeifachlich begründet und nicht rassistisch“, unterstreicht Alexander Dierselhuis. © Hans Blossey / FFS

Nein, wenn die Polizei Oberhausen Personen kontrolliert, geschieht es eben nicht einzig und allein aufgrund der Hautfarbe oder der Sprache eines bestimmten Menschen. Ein solches Vorgehen ist stets eingebunden in ein ganzes Bündel von Faktoren und damit nicht „Racial Profiling“. Wir handeln aufgrund von Erfahrungen und Lagebildern, Zeit und Ort spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Wenn die Polizei zum Beispiel Hinweise darauf hat, dass bestimmte Personengruppen zu bestimmten Zeiten an einem bestimmten Ort häufig etwas Illegales tun, zum Beispiel mit Drogen handeln, ist eine Kontrolle entsprechender Personen an diesem Ort, also zum Beispiel auf dem Willy-Brandt-Platz oder in den umliegenden Parks, polizeifachlich begründet und nicht rassistisch.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) plädiert für eine wissenschaftliche Studie, die den Rassismus in der Polizei untersucht. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist dagegen, weil so die Beamten zu Unrecht unter Generalverdacht gestellt würden. Was sagen Sie?

„Vor den Ergebnissen einer wirklich objektiven Studie muss sich die Polizei nicht fürchten.“
„Vor den Ergebnissen einer wirklich objektiven Studie muss sich die Polizei nicht fürchten.“ © FFS | Jörg Schimmel

Wenn eine Studie wirklich objektiv arbeitet und die Komplexität des Themas berücksichtigt, sehe ich keinen Grund, das nicht wissenschaftlich untersuchen zu lassen. Auch die Polizei muss sich – wie jede andere gesellschaftliche Institution – überprüfen lassen. Vor den Ergebnissen einer solchen Studie muss sich die Polizei nicht fürchten, weil unsere Beamtinnen und Beamten unter oft schwierigen Einsatzbedingungen täglich hervorragende Arbeit leisten.

Wie kommt die aktuelle Debatte bei den Polizistinnen und Polizisten an?

Gerade in den ersten beiden Wochen nach den Ereignissen in den USA waren unsere Kolleginnen und Kollegen schon irritiert über die aufgeregte und häufig von Pauschalvorwürfen gegen die deutsche Polizei geprägte Rassismusdiskussion. Es entstand dabei der Eindruck, dass Vorwürfe aus den USA übernommen wurden, ohne die strukturellen Unterschiede zu berücksichtigen. Unsere jungen Beamtinnen und Beamten lernen hier in drei Jahren gründlich ihren Beruf bis zum Bachelor-Abschluss. Ein Schwerpunkt ist dabei die Deeskalation. Die umfassende und hochprofessionelle Ausbildung in Deutschland ist mit der in den USA kaum zu vergleichen.

Wie ist das Verhältnis der Bevölkerung zur Oberhausener Polizei?

Seit August 2019 Chef der Polizei

Alexander Dierselhuis leitet seit 1. August 2019 mit der Oberhausener Polizei eine Behörde von fast 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, darunter 400 Polizeibeamte.

Der 37-jährige kann bereits aus seiner Zeit als Staatsanwalt in Düsseldorf auf viele Berührungspunkte mit der Polizei zurückblicken. Unter anderem leitete Dierselhuis Ermittlungen in Fällen aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität wie Wohnungseinbruchdiebstahl, Menschenhandel und Zuhälterei, Schleusung sowie Rockerkriminalität.

Aus meiner Sicht hervorragend. Dies gilt auch für die migrantisch geprägte Community. So pflegt die Polizei Oberhausen zum Beispiel eine enge Zusammenarbeit mit dem Integrationsrat. Ich persönlich war gerade erst in der türkischen Gemeinde Oberhausen zu Gast. Ich habe mich über die Einladung und das gute, von gegenseitigem Respekt geprägte Gespräch sehr gefreut. Die aktuelle Debatte war natürlich hier auch Thema, ein strukturelles Problem in Oberhausen konnten wir nicht feststellen. Und mehr noch: Es hat mich sehr gefreut, dass das Interesse von jungen Menschen mit Migrationshintergrund an einer Ausbildung bei der Polizei sehr groß ist. Vielfalt ist für uns eine Bereicherung.