Oberhausen. Der eine Patient verlor sein Bein, die anderen leiden unter den Folgen eines unbehandelten Schlaganfalls. Die Spätfolgen des Corona-Lockdown.
Unbehandelte Schlaganfälle, ein amputiertes Bein: Für einige Patienten in Oberhausen hat die Corona-Krise schon jetzt gravierende Spätfolgen. Mit der Bewältigung der Pandemie fühlen sich aber auch viele Arztpraxen vor Ort allein gelassen.
Dr. Stephan Becker, Vorsitzender der Oberhausener Kreisstelle der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, spricht über die Corona-Pandemie wie über einen Kriegsfeldzug. Er sehe schon jetzt „erhebliche Kollateralschäden“ bei seinen Patienten. Der Lockdown im März habe zu einem deutlichen Rückgang der Patientenzahlen in den Arztpraxen geführt. „Wir sprechen hier von rund 25 Prozent.“ Die Verunsicherung sei groß gewesen.
Krankenhäuser verschoben OP-Termine
http://xn--schutzschirm_fr_erste_arztpraxen_in_nrw_startet%7Besc-zqf/#229276624}[news]Untersuchungs- und Operationstermine seien auf die lange Bank geschoben worden. „Zumindest anfangs auch in Fällen, bei denen das nie hätte geschehen dürfen“, meint der Allgemeinmediziner. Bei einem Patienten mit Durchblutungsstörungen im Bein etwa sei die notwendige Operation immer wieder verschoben worden. „Als er jetzt endlich dran kam, hatten die Ärzte keine andere Wahl mehr – sie mussten das Bein amputieren.“ Groß sei die Sorge vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus aber auch bei den Patienten selbst gewesen. „Einige verschleppten sogar Schlaganfälle und sitzen jetzt hier bei uns mit Sprach- und Bewegungsstörungen.“
Aber auch viele Mediziner hätten sich der Situation schutzlos ausgeliefert gefühlt. „Von der öffentlichen Hand haben wir so gut wie nichts bekommen.“ Becker meint damit vor allem die Schutzkleidung, an der es bis heute mangelt. „Dreimal haben wir eine vom Bundesgesundheitsministerium groß angekündigte Lieferung erhalten, die wir uns am Centro abholen sollten, jede Praxis erhielt ein Paket – drin waren jeweils 20 Mund-Nasen-Masken und ein wenig Desinfektionsmittel.“
Vor allem Einmalschutzkittel seien bis heute kaum zu bekommen. „Dabei sind es doch die Hausärzte, die zuerst den Kontakt zu den Erkrankten haben.“ Immerhin: Seit 14 Tagen normalisiert sich die Lage auch in Oberhausen. „Die Patienten kommen nach und nach zurück.“
Das Tragen eines Mund-Nasenschutzes in den Arztpraxen bleibt Pflicht
Um Mitarbeiter und Patienten zu schützen, gelten in den Praxen strikte Abstands- und Hygieneregeln. „Auch die Pflicht zum Tragen eines Mund- und Nasenschutzes wird bei uns auf lange Sicht bleiben“, betont auch Achim Horstmann, Vorsitzender des Oberhausener Hausärzteverbandes. Die Masken sollten immer über Mund und Nase gezogen werden und nicht, wie bei vielen Patienten üblich, nur über den Mund. Besonders wichtig bleibt die telefonische Voranmeldung in der Praxis. „Damit wir dafür sorgen können, dass es im Wartezimmer nicht zu voll wird“, erläutert Horstmann.
Auch in die Zahnarztpraxen kehrt der Alltag zurück. „Im März haben wir nur Notfälle behandelt, viele Folgebehandlungen blieben liegen“, sagt Jürgen Appelt, Obmann der Zahnärztekammer Nordrhein für Oberhausen. Mittlerweile seien die Zahnarztpraxen hervorragend organisiert – und führten auch wieder Routinebehandlungen durch.
Die erforderliche Schutzausrüstung schafften sich aber auch die Zahnärzte in Eigenregie an. Appelt selbst trägt stets zwei Masken übereinander und darüber auch noch eine Plexiglas-Maske. „Ich sage meinen Mitarbeitern immer – wir müssen uns so verhalten, als ob jeder Patient ein möglicher Virus-Überträger ist.“ Damit seien die Zahnärzte schon zu Aids-Zeiten gut gefahren. „Der Hygienestandard war bei uns immer so hoch, dass es bis heute meines Wissens nach keine Zahnarztpraxis gibt, die jemals Ursprung für eine Infektionsverbreitung war.“