Oberhausen. Trotz eines Beschlusses des Oberhausener Rates nutzen die Manager der Stadttöchter auf Dienstreisen Flugzeuge – und kaufen keine Klimapapiere.

Manchmal könnte man den Eindruck haben, da beschließen die demokratisch gewählten Politiker im Stadtrat mehrheitlich eine nicht unwichtige Regelung – doch die betroffenen Abteilungen im Rathaus oder bei den Stadttöchtern tun (fast) alle so, als ob nichts geschehen wäre.

So ist es den Oberhausener Grünen passiert, die mit ihrer fünfköpfigen Fraktion am 20. Mai 2019 im Rat folgende Formulierung zum Schutz des Klimas als Beschluss durchsetzten: „Der Rat der Stadt beschließt, dass mit sofortiger Wirkung bei Dienstreisen städtischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung und der Tochtergesellschaften, die mit dem Flugzeug erfolgen, entsprechende Klimaschutz-Zertifikate von einer der folgenden Institutionen zu erwerben sind. Außerdem ist, wenn möglich, die Deutsche Bahn als Verkehrsmittel zu bevorzugen.“

Gegen die Stimmen von CDU („Ablass-Handel“) und der FDP stimmte der Rat mehrheitlich für diese Grundsätze. Dabei ging es den meisten um eine symbolische Geste – denn in den Jahren 2018 und 2017 hat der gesamte Konzern Stadt gerade mal bei 57 Dienstreisen das Flugzeug genutzt. Die Stadtbediensteten und die angeschlossenen Beschäftigten der Stadttöchter verhalten sich hier also recht sparsam. Klimaschutzzertifikate kosten auch nicht die Welt: Für 30 Flugzeug-Dienstreisen muss man gerade mit 300 Euro Mehrkosten rechnen. Mit dem Geld finanzieren zertifizierte Organisationen wie Atmosfair oder Greenmiles Projekte, die das klima-schädliche Gas CO2 vernichten oder Energie CO2-frei erzeugen.

In der Regel wird wenig geflogen

Doch auf Nachfrage des Grünen-Fraktionsvorsitzenden Andreas Blanke stellt sich nun heraus: Es wird seit Juni 2019 zwar weiterhin wenig geflogen, aber Klimaschutz-Zertifikate werden dafür gegen den Ratsbeschluss in der Regel nicht gekauft. „An kreativen Ausreden mangelt es nicht. Leider aber an der Umsetzung von politischen Beschlüssen. Zu kurzfristig, zu zeitaufwendig, zu teuer heißt es jetzt – unterm Strich offenkundig die pure Verweigerung, das Reiseverhalten zu ändern“, schlussfolgert Blanke.

So funktionieren die Klimaschutzzertifikate

Mit dem Geld für Klimaschutzzertifikate werden von anerkannten Organisationen wie co2ol.de, atmosfair.de oder greenmiles.de Klimaschutzprojekte verwirklicht: Bäume werden gepflanzt, erneuerbare Energien im In- wie im Ausland, vor allem in Entwicklungsländern, ausgebaut. Investiert wird zum Beispiel in Wind- und Wasserkraft-, Biogas- oder Solaranlagen. Der Preis des Zertifikats berechnet sich nach dem Ausstoß der Treibhausgase der jeweiligen Flugreise.

Kritiker der Zertifikatsidee sprechen von Ablasshandel. Sie sehen eine heuchlerische Gewissensberuhigung der Käufer, damit diese weiter komfortabel ihren luxuriösen klimaschädlichen Lebenswandel ausüben können, etwa private Urlaubs-Fernreisen in exotische Länder.

Doch so ist die freiwillige Abgabe bei klimaschädlichem Verhalten nicht gemeint: Zunächst soll man alles versuchen, den eigenen CO2-Ausstoß zu mindern – etwa bei Reisen auf klimafreundlichere Verkehrsmittel ausweichen. Den unvermeidbaren CO2-Rest bei Reisen kann man mit heutigen Klimaschutz-Projekten ausgleichen – und so der Umwelt direkt helfen.

Wie aus der Antwort der Stadtverwaltung auf die Kleine Anfrage der Grünen hervorgeht, hat nur das Oberhausener Rathaus selbst seine fünf Dienstreisen mit Fliegern nach Newcastle und Berlin per Klimaschutzzertifikaten über Atmosfair ausgeglichen. Das Theater Oberhausen verzichtete auf den Kauf der Klima-Papiere für zwei dringend notwendige Flugzeug-Reisen – gelobt aber für die Zukunft Besserung.

Andreas Blanke, Fraktionsvorsitzender der Oberhausener Grünen.
Andreas Blanke, Fraktionsvorsitzender der Oberhausener Grünen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Die Mitarbeiter des Müllofens GMVA flogen fünf Mal durch die Gegend – nach Dresden, München und Katowice. Die Wirtschaftsförderer nutzten den Flieger ebenfalls fünf Mal zu Messen nach München und Berlin. Die Energieversorger von der EVO waren sechs Mal mit dem Flugzeug innerhalb Deutschlands unterwegs, die Geschäftsführer der Stadttochter Oberhausener Gebäudemanagement OGM vier Mal – und die Stoag einmal. Zahl der Klimaschutzzertifikate: Null. Stets versichern die Verantwortlichen dieser wichtigen städtischen Institutionen in ihrer Antwort, dass eine Bahnfahrt auch auf den innerdeutschen Strecken terminlich nicht als Alternative zum Flugzeug in Frage gekommen sei.

Die Grünen lassen nicht locker

„Die Bilanz meiner Kleinen Anfrage ist ernüchternd, aber leider nicht überraschend“, stellt Blanke fest und fügt hinzu: „Wie erwartet, wird der politische Wille, wenn es um den Schutz unseres Klimas geht, insbesondere bei den städtischen Tochtergesellschaften, nicht ernst genommen!“

Die Oberhausener Grünen wollen nicht locker lassen: „Wir geben uns aber keineswegs damit zufrieden und werden in regelmäßigen Abständen immer wieder nachfragen und öffentlich machen, wer sich dem Klimaschutz bei Dienstreisen verweigert“, droht Blanke schriftlich. Und grundsätzlich ärgert sich der erfahrene Grünen-Politiker darüber, dass Ratsbeschlüsse nicht so ernst genommen werden, wie sie sollten. „Ich werde den Oberbürgermeister auffordern, der Kontrolle von Ratsbeschlüssen in diesem Punkt ernsthafter nachzukommen.“