Oberhausen. Bei der großen Familie derer von Trotha sollte man aufpassen. Aber der Fehler des „Spiegel“ weckt erst das Bewusstsein für belastete Straßennamen.

Der Name Trotha steht für ein uraltes sächsisches Adelsgeschlecht, das neben Heerscharen an hohen Militärs sowohl den Nazi-Propagandisten Thilo von Trotha als auch mit Carl-Dietrich von Trotha einen Kopf des Widerstandes aus dem Kreisauer Kreis hervorgebracht hat. Da sollte man schon auf die Vornamen achten.

Und so darf sich Sterkrades Bezirksbürgermeister Ulrich Real mit gutem Grund über den Spiegel empören: Nimmt der doch in einem Interview mit Namibias Botschafter Andreas Guibeb die Sterkrader Von-Trotha-Straße als Beispiel dafür, dass hierzulande immer noch der Kriegsverbrecher und (wie es im Interview heißt) „Vollstrecker des Völkermordes in Deutsch-Südwest“ geehrt werde: Dieser schon zu Lebzeiten von Offizierskollegen als unfähig und egoman Diskreditierte hieß Lothar von Trotha.

Gemeint ist in Sterkrade allerdings Botho Franz Wolfgang von Trotha, ein Zeitgenosse und ebenfalls Offizier – allerdings mit ganz anderem Wirkungskreis: Er amtierte von 1886 bis 1906 als erster Bürgermeister von Sterkrade, quasi als Ulrich Reals Ur-Amtsvorgänger.

Doch anders als der Bezirksbürgermeister, der mit der Schlagzeile „Verantwortungslos recherchiert und der Stadt Oberhausen geschadet“ nach dem schweren rhetorischen Hammer greift, zeigt sich Exzellenz Guibeb im Interviewtext eher abgeklärt. Der Botschafter sagt selbst: „Wir haben noch etwa 200 Straßen und Plätze in Namibia, die nach Deutschen benannt sind“ – auch nach jenem von Trotha, der den berüchtigten „Vernichtungsbefehl“ gegen aufständische Herero gab. Es sagt viel über die (wirtschaftliche) Macht der kleinen deutschsprachigen Minderheit im ehemaligen Südwestafrika – und darüber, dass sie sich bis heute einer offene Debatte über die Kolonialzeit verweigert.

Die jüngsten Anti-Rassismus-Proteste nach dem Tod von George Floyd haben auch hier eine Debatte um koloniale Denkmäler und Straßennamen losgetreten. Gut so. Aber es ist beileibe nicht so, dass Oberhausen mit seinem ehrenwerten Sterkrader von Trotha fein ‘raus wäre. Hier nur ein Beispiel: Die Stadt mit der stolzen Industriegeschichte ehrt nach wie vor Paul Reusch als Großindustriellen. Der Antidemokrat war – wie etliche Bosse seiner Branche – aber auch ein Steigbügelhalter Hitlers.

Straßennamen könnten als Auslöser funktionieren, um eine hoffentlich engagierte Debatte anzufachen. Dann ist selbst so ein Fehler produktiv, wie er dem als Korrespondenten welterfahrenen und einige Male preisgekrönten Spiegel-Kollegen Alexander Smoltczyk passierte.