Oberhausen. Als Kaiser Wilhelm II. im fernen Berlin regierte: Vor 120 Jahren nahm die „Kaiserliche Postagentur“ in Oberhausen-Schmachtendorf ihre Arbeit auf.

Der 16. Mai ist in diesem Jahr ein besonderer Tag für Schmachtendorf. Darauf weist Tobias Szczepanski, 2. Vorsitzender des Vereins für Verkehr und Heimatkunde Oberhausen-Schmachtendorf, in einer aktuellen Mitteilung an unsere Redaktion hin.

Denn: Vor 120 Jahren nahm die „Kaiserliche Postagentur“ dort ihre Arbeit auf! Ein Blick in die Chronik vermittelt einen guten Eindruck von jenem wichtigen Datum im Stadtnorden. Am 16. Mai 1900 notierte der Leiter der Walsumermarkschule: „Mit dem heutigen Tage wurde die neu errichtete Postagentur Schmachtendorf für den Verkehr mit dem Publikum geöffnet.“ Verwalter der Postagentur, so heißt es weiter, sei der Wirt Heinrich Schlagregen, dessen Stellvertreter seine Tochter Emma Süsselbeck.

Hermine Hülsken, erste Schmachtendorfer Briefträgerin im Jahre 1915. Auffällig sind die Spiralfedern an ihrem Fahrrad – kriegsbedingt durfte kein Gummi verwendet werden.
Hermine Hülsken, erste Schmachtendorfer Briefträgerin im Jahre 1915. Auffällig sind die Spiralfedern an ihrem Fahrrad – kriegsbedingt durfte kein Gummi verwendet werden. © Verkehrsverein | Szczepanski

Ein markantes Detail findet sich in der Notiz ebenfalls: „Telegraphen-Einrichtung ist zur Zeit aber noch nicht vorhanden“, heißt es mit Blick auf die Ausstattung der Agentur. Auf diesem Gebiet hat die neue Post in Schmachtendorf also anno 1900 noch einen gewissen, dringenden Nachholbedarf.

Mit dem 16. Mai 1900 bekam Schmachtendorf, das zur damaligen Jahrhundertwende etwa 950 Einwohner zählte, also seine eigene „Kaiserliche Postagentur“ in der Wirtschaft Schlagregen an der Schmachtendorfer Straße, die passenderweise auch gleich den Namen „Zur Post“ erhielt.

Bis 1900 war die Mittelbauerschaft im südlichen Hiesfeld (heute Schmachtendorf) von der Post der Gemeinde Holten bedient worden. Dass die neue Postagentur schon zu diesem Zeitpunkt, 18 Jahre bevor „Schmachtendorf“ überhaupt eine offizielle amtliche Ortsbezeichnung wurde, diesen Ortsnamen erhielt, gehe auf den anno 1898 in sein Amt eingeführten katholischen Rektor Tellen zurück, berichtet Tobias Szczepanski. Rektor Tellen habe bei der Oberpostdirektion diese Bezeichnung vorgeschlagen – und damit Erfolg gehabt.

Anlaufstelle in Schmachtendorf: die Restauration „Zur Post“ von Heinrich Schlagregen.
Anlaufstelle in Schmachtendorf: die Restauration „Zur Post“ von Heinrich Schlagregen. © Verkehrsverein | Tobias Szczepanski

Mit dem mehrfachen Wechsel der gemeindlichen Zugehörigkeit habe sich auch die Namensgebung der Postagentur fortlaufend verändert. Der Reihe nach waren im Poststempel zu lesen: „Schmachtendorf, Kreis Ruhrort“, „Schmachtendorf, Kreis Dinslaken“, „Schmachtendorf (Niederrhein)“, „Sterkrade-Schmachtendorf“, „Sterkrade-Nord“ und letztlich „Oberhausen Sterkrade-Nord“.

Moderne Technik

Ungeachtet dieser jahrzehntelangen Namens-Kapriolen habe die moderne Technik Einzug in die Agentur gehalten: Die in der Schulchronik angesprochene Telegrapheneinrichtung sei in den Folgejahren nachgerüstet worden, ebenso der erste öffentliche Fernsprecher. In den 1930er-Jahren sei ein zweiter hinzugekommen, doch die erste Telefonzelle auf Schmachtendorfer Gebiet sei erst in den 1960er-Jahren errichtet worden, so Tobias Szczepanski. Bis dahin konnte ausschließlich in der Postagentur telefoniert werden – und das wohlgemerkt nur während der Öffnungszeiten von 8 bis 11 Uhr vormittags und 15 bis 17 Uhr nachmittags.

Fortschritt mit Briefkästen

Einer der Standorte der ersten öffentlichen Briefkästen in Schmachtendorf mit regelmäßiger Leerung war unter anderem die Herbartschule.

Auch das Pastorat an der Kempkenstraße erhielt im frühen 20. Jahrhundert einen öffentlichen Briefkasten.

Wirklich zuverlässig sei die Schmachtendorfer Post in den ersten Jahren offenbar noch nicht gewesen, weiß Tobias Szczepanski weiter zu berichten. Dafür hat der heimatkundliche Experte ein ganz konkretes Beispiel parat: Vom Schmachtendorfer Stadtverordneten Wilhelm Wesendonk sei eine Eingabe an die Postdirektion aus den 1920er-Jahren erhalten geblieben, dass er über zwanzig Mal die Einladungen und Vorlagen zu Rats- und Ausschusssitzungen der Stadt Sterkrade erst zu einem Zeitpunkt per Post erhalten habe, als diese jeweiligen Sitzungen schon vorbei waren.